aber nicht mehr die gespannte des Künstlers, die noch nicht mit ihrem gegenständlich werdenden Wesen sich ausgesöhnt hat, sondern die befriedigte Nacht, wel- che ihr Pathos unbedürftig an ihr hat, weil sie aus der Anschauung, der aufgehobnen Gegenständlichkeit zurückkehrt. -- Dieses Pathos ist für sich das Wesen des Aufgangs, das aber nunmehr in sich un- tergegangen ist, und seinen Untergang, das Selbstbe- wusstseyn und damit Daseyn und Wirklichkeit an ihm selbst hat. -- Es hat hier die Bewegung seiner Verwirklichung durchlaufen. Sich aus seiner rei- nen Wesenheit herabsetzend zu einer gegenständlichen Naturkraft und deren Aeusserungen, ist es ein Da- seyn für das Andere, für das Selbst, von dem es verzehrt wird. Das stille Wesen der selbstlosen Na- tur gewinnt in seiner Frucht die Stuffe, worin sie, sich selbst zubereitend und verdaut, sich dem selbsti- schen Leben darbietet; sie erreicht in der Nützlich- keit, gegessen und getrunken werden zu können, ih- re höchste Vollkommenheit; denn sie ist darin die Möglichkeit einer höhern Existenz, und berührt das geistige Daseyn; -- theils zur stillkräftigen Substanz theils aber zur geistigen Gährung, ist der Erdgeist in seiner Metamorphose dort zum weiblichen Principe der Ernährung, hier zum männlichen Principe der sich treibenden Krafft des selbstbewussten Daseyns gediehen.
In diesem Genusse ist also jenes aufgehende Licht- wesen verrathen, was es ist; er ist das Mysterium
aber nicht mehr die geſpannte des Künſtlers, die noch nicht mit ihrem gegenſtändlich werdenden Weſen ſich ausgeſöhnt hat, ſondern die befriedigte Nacht, wel- che ihr Pathos unbedürftig an ihr hat, weil sie aus der Anſchauung, der aufgehobnen Gegenſtändlichkeit zurückkehrt. — Dieſes Pathos iſt für ſich das Weſen des Aufgangs, das aber nunmehr in ſich un- tergegangen iſt, und ſeinen Untergang, das Selbſtbe- wuſstſeyn und damit Daſeyn und Wirklichkeit an ihm ſelbſt hat. — Es hat hier die Bewegung ſeiner Verwirklichung durchlaufen. Sich aus ſeiner rei- nen Weſenheit herabſetzend zu einer gegenſtändlichen Naturkraft und deren Aeuſſerungen, iſt es ein Da- ſeyn für das Andere, für das Selbſt, von dem es verzehrt wird. Das ſtille Weſen der ſelbſtloſen Na- tur gewinnt in ſeiner Frucht die Stuffe, worin ſie, ſich ſelbſt zubereitend und verdaut, ſich dem ſelbſti- ſchen Leben darbietet; ſie erreicht in der Nützlich- keit, gegeſſen und getrunken werden zu können, ih- re höchſte Vollkommenheit; denn ſie iſt darin die Möglichkeit einer höhern Exiſtenz, und berührt das geiſtige Daſeyn; — theils zur ſtillkräftigen Subſtanz theils aber zur geiſtigen Gährung, iſt der Erdgeiſt in ſeiner Metamorphoſe dort zum weiblichen Principe der Ernährung, hier zum männlichen Principe der ſich treibenden Krafft des ſelbſtbewuſsten Daſeyns gediehen.
In dieſem Genuſſe iſt alſo jenes aufgehende Licht- weſen verrathen, was es iſt; er iſt das Myſterium
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0780"n="671"/>
aber nicht mehr die geſpannte des Künſtlers, die noch<lb/>
nicht mit ihrem <hirendition="#i">gegenſtändlich</hi> werdenden Weſen ſich<lb/>
ausgeſöhnt hat, ſondern die befriedigte Nacht, wel-<lb/>
che ihr Pathos unbedürftig an ihr hat, weil sie aus<lb/>
der Anſchauung, der aufgehobnen Gegenſtändlichkeit<lb/>
zurückkehrt. — Dieſes <hirendition="#i">Pathos</hi> iſt für ſich das<lb/>
Weſen des <hirendition="#i">Aufgangs</hi>, das aber nunmehr in ſich <hirendition="#i">un-<lb/>
tergegangen</hi> iſt, und ſeinen Untergang, das Selbſtbe-<lb/>
wuſstſeyn und damit Daſeyn und Wirklichkeit an<lb/>
ihm ſelbſt hat. — Es hat hier die Bewegung ſeiner<lb/>
Verwirklichung durchlaufen. Sich aus ſeiner rei-<lb/>
nen Weſenheit herabſetzend zu einer gegenſtändlichen<lb/>
Naturkraft und deren Aeuſſerungen, iſt es ein Da-<lb/>ſeyn für das Andere, für das Selbſt, von dem es<lb/>
verzehrt wird. Das ſtille Weſen der ſelbſtloſen Na-<lb/>
tur gewinnt in ſeiner Frucht die Stuffe, worin ſie,<lb/>ſich ſelbſt zubereitend und verdaut, ſich dem ſelbſti-<lb/>ſchen Leben darbietet; ſie erreicht in der Nützlich-<lb/>
keit, gegeſſen und getrunken werden zu können, ih-<lb/>
re höchſte Vollkommenheit; denn ſie iſt darin die<lb/>
Möglichkeit einer höhern Exiſtenz, und berührt das<lb/>
geiſtige Daſeyn; — theils zur ſtillkräftigen Subſtanz<lb/>
theils aber zur geiſtigen Gährung, iſt der Erdgeiſt in<lb/>ſeiner Metamorphoſe dort zum weiblichen Principe<lb/>
der Ernährung, hier zum männlichen Principe der<lb/>ſich treibenden Krafft des ſelbſtbewuſsten Daſeyns<lb/>
gediehen.</p><lb/><p>In dieſem Genuſſe iſt alſo jenes aufgehende Licht-<lb/>
weſen verrathen, was es iſt; er iſt das Myſterium<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[671/0780]
aber nicht mehr die geſpannte des Künſtlers, die noch
nicht mit ihrem gegenſtändlich werdenden Weſen ſich
ausgeſöhnt hat, ſondern die befriedigte Nacht, wel-
che ihr Pathos unbedürftig an ihr hat, weil sie aus
der Anſchauung, der aufgehobnen Gegenſtändlichkeit
zurückkehrt. — Dieſes Pathos iſt für ſich das
Weſen des Aufgangs, das aber nunmehr in ſich un-
tergegangen iſt, und ſeinen Untergang, das Selbſtbe-
wuſstſeyn und damit Daſeyn und Wirklichkeit an
ihm ſelbſt hat. — Es hat hier die Bewegung ſeiner
Verwirklichung durchlaufen. Sich aus ſeiner rei-
nen Weſenheit herabſetzend zu einer gegenſtändlichen
Naturkraft und deren Aeuſſerungen, iſt es ein Da-
ſeyn für das Andere, für das Selbſt, von dem es
verzehrt wird. Das ſtille Weſen der ſelbſtloſen Na-
tur gewinnt in ſeiner Frucht die Stuffe, worin ſie,
ſich ſelbſt zubereitend und verdaut, ſich dem ſelbſti-
ſchen Leben darbietet; ſie erreicht in der Nützlich-
keit, gegeſſen und getrunken werden zu können, ih-
re höchſte Vollkommenheit; denn ſie iſt darin die
Möglichkeit einer höhern Exiſtenz, und berührt das
geiſtige Daſeyn; — theils zur ſtillkräftigen Subſtanz
theils aber zur geiſtigen Gährung, iſt der Erdgeiſt in
ſeiner Metamorphoſe dort zum weiblichen Principe
der Ernährung, hier zum männlichen Principe der
ſich treibenden Krafft des ſelbſtbewuſsten Daſeyns
gediehen.
In dieſem Genuſſe iſt alſo jenes aufgehende Licht-
weſen verrathen, was es iſt; er iſt das Myſterium
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/780>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.