in das Extrem des sich als Wesen erfassenden Selbstbewusstseyns herausgetreten. Dieses ist der in sich gewisse Geist, der über den Verlust seiner Welt trauert und sein Wesen, über die Wirklichkeit er- hoben, nun aus der Reinheit des Selbsts hervorbringt.
In solcher Epoche tritt die absolute Kunst hervor; früher ist sie das instinctartige Arbeiten, das ins Daseyn versenkt aus ihm heraus und in es hineinar- beitet, nicht an der freyen Sittlichkeit seine Substanz, und daher auch zum arbeitenden Selbst nicht die freye geistige Thätigkeit hat. Später ist der Geist über die Kunst hinaus, um seine höhere Darstellung zu gewin- nen; -- neinlich nicht nur die aus dem Selbst geborne Substanz, sondern in seiner Darstellung als Gegen- stand, dieses Selbst zu seyn, nicht nur aus seinem Be- griffe sich zu gebähren, sondern seinen Begriff selbst zur Gestalt zu haben, so dass der Begriff und das er- zeugte Kunstwerk sich gegenseitig als ein und dassel- be wissen.
Indem also die sittliche Substanz aus ihrem Da- seyn sich in ihr reines Selbstbewusstseyn zurückge- nommen, so ist dieses die Seite des Begriffs oder der Thätigkeit, mit welcher der Geist sich als Gegenstand hervorbringt. Sie ist reine Form, weil der Einzelne im sittlichen Gehorsam und Dienste sich alles bewusst- lose Daseyn und feste Bestimmung so abgearbeitet hat, wie die Substanz selbst diss flüssige Wesen geworden ist. Diese Form ist die Nacht, worin die Substanz verrathen ward, und sich zum Subjecte machte; aus
in das Extrem des sich als Wesen erfaſſenden Selbstbewuſstseyns herausgetreten. Dieses ist der in sich gewiſſe Geist, der über den Verlust seiner Welt trauert und sein Wesen, über die Wirklichkeit er- hoben, nun aus der Reinheit des Selbsts hervorbringt.
In solcher Epoche tritt die absolute Kunst hervor; früher ist sie das instinctartige Arbeiten, das ins Daseyn versenkt aus ihm heraus und in es hineinar- beitet, nicht an der freyen Sittlichkeit seine Substanz, und daher auch zum arbeitenden Selbst nicht die freye geistige Thätigkeit hat. Später ist der Geist über die Kunst hinaus, um seine höhere Darstellung zu gewin- nen; — neinlich nicht nur die aus dem Selbst geborne Substanz, sondern in seiner Darstellung als Gegen- stand, dieses Selbst zu seyn, nicht nur aus seinem Be- griffe sich zu gebähren, sondern seinen Begriff selbst zur Gestalt zu haben, so daſs der Begriff und das er- zeugte Kunstwerk sich gegenseitig als ein und daſſel- be wiſſen.
Indem also die sittliche Substanz aus ihrem Da- seyn sich in ihr reines Selbstbewuſstseyn zurückge- nommen, so ist dieses die Seite des Begriffs oder der Thätigkeit, mit welcher der Geist sich als Gegenstand hervorbringt. Sie ist reine Form, weil der Einzelne im sittlichen Gehorsam und Dienste sich alles bewuſst- lose Daseyn und feste Bestimmung so abgearbeitet hat, wie die Substanz selbst diſs flüſſige Wesen geworden ist. Diese Form ist die Nacht, worin die Substanz verrathen ward, und sich zum Subjecte machte; aus
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0763"n="654"/>
in das Extrem des sich als Wesen erfaſſenden<lb/>
Selbstbewuſstseyns herausgetreten. Dieses ist der in<lb/>
sich gewiſſe Geist, der über den Verlust seiner Welt<lb/>
trauert und sein Wesen, über die Wirklichkeit er-<lb/>
hoben, nun aus der Reinheit des Selbsts hervorbringt.</p><lb/><p>In solcher Epoche tritt die absolute Kunst hervor;<lb/>
früher ist sie das instinctartige Arbeiten, das ins<lb/>
Daseyn versenkt aus ihm heraus und in es hineinar-<lb/>
beitet, nicht an der freyen Sittlichkeit seine Substanz,<lb/>
und daher auch zum arbeitenden Selbst nicht die freye<lb/>
geistige Thätigkeit hat. Später ist der Geist über die<lb/>
Kunst hinaus, um seine höhere Darstellung zu gewin-<lb/>
nen; — neinlich nicht nur die aus dem Selbst geborne<lb/><hirendition="#i">Substanz</hi>, sondern in seiner Darstellung als Gegen-<lb/>
stand, <hirendition="#i">dieses Selbst</hi> zu seyn, nicht nur aus seinem Be-<lb/>
griffe sich zu gebähren, sondern seinen Begriff selbst<lb/>
zur Gestalt zu haben, so daſs der Begriff und das er-<lb/>
zeugte Kunstwerk sich gegenseitig als ein und daſſel-<lb/>
be wiſſen.</p><lb/><p>Indem also die sittliche Substanz aus ihrem Da-<lb/>
seyn sich in ihr reines Selbstbewuſstseyn zurückge-<lb/>
nommen, so ist dieses die Seite des Begriffs oder der<lb/><hirendition="#i">Thätigkeit</hi>, mit welcher der Geist sich als Gegenstand<lb/>
hervorbringt. Sie ist reine Form, weil der Einzelne<lb/>
im sittlichen Gehorsam und Dienste sich alles bewuſst-<lb/>
lose Daseyn und feste Bestimmung so abgearbeitet hat,<lb/>
wie die Substanz selbst diſs flüſſige Wesen geworden<lb/>
ist. Diese Form ist die Nacht, worin die Substanz<lb/>
verrathen ward, und sich zum Subjecte machte; aus<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[654/0763]
in das Extrem des sich als Wesen erfaſſenden
Selbstbewuſstseyns herausgetreten. Dieses ist der in
sich gewiſſe Geist, der über den Verlust seiner Welt
trauert und sein Wesen, über die Wirklichkeit er-
hoben, nun aus der Reinheit des Selbsts hervorbringt.
In solcher Epoche tritt die absolute Kunst hervor;
früher ist sie das instinctartige Arbeiten, das ins
Daseyn versenkt aus ihm heraus und in es hineinar-
beitet, nicht an der freyen Sittlichkeit seine Substanz,
und daher auch zum arbeitenden Selbst nicht die freye
geistige Thätigkeit hat. Später ist der Geist über die
Kunst hinaus, um seine höhere Darstellung zu gewin-
nen; — neinlich nicht nur die aus dem Selbst geborne
Substanz, sondern in seiner Darstellung als Gegen-
stand, dieses Selbst zu seyn, nicht nur aus seinem Be-
griffe sich zu gebähren, sondern seinen Begriff selbst
zur Gestalt zu haben, so daſs der Begriff und das er-
zeugte Kunstwerk sich gegenseitig als ein und daſſel-
be wiſſen.
Indem also die sittliche Substanz aus ihrem Da-
seyn sich in ihr reines Selbstbewuſstseyn zurückge-
nommen, so ist dieses die Seite des Begriffs oder der
Thätigkeit, mit welcher der Geist sich als Gegenstand
hervorbringt. Sie ist reine Form, weil der Einzelne
im sittlichen Gehorsam und Dienste sich alles bewuſst-
lose Daseyn und feste Bestimmung so abgearbeitet hat,
wie die Substanz selbst diſs flüſſige Wesen geworden
ist. Diese Form ist die Nacht, worin die Substanz
verrathen ward, und sich zum Subjecte machte; aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/763>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.