Der selbstbewusste Geist, der aus dem gestaltlosen Wesen in sich gegangen, oder seine Unmittelbarkeit zum Selbst überhaupt erhoben, bestimmt seine Ein- fachheit als eine Mannichfaltigkeit des Fürsichseyns, und ist die Religion der geistigen Wahrnehmung, wo- rin er in die zahllose Vielheit schwächerer und kräfti- gerer, reicherer und ärmerer Geister zerfällt. Die- ser Pantheismus, zunächst das ruhige Bestehen dieser Geisteratomen, wird zur feindseligen Bewegung in sich selbst. Die Unschuld der Blumenreligion, die nur selbst- lose Vorstellung des Selbsts ist, geht in den Ernst des kämpfenden Lebens, in die Schuld der Thierreligion, die Ruhe und Ohnmacht der anschauenden Individua- lität in das zerstörende Fürsichseyn über. -- Es hilft nichts, den Dingen der Wahrnehmung den Tod der Abstraction genommen, und sie zu Wesen geistiger Wahrnehmung erhoben zu haben; die Beseelung die- ses Geisterreichs hat ihn durch die Bestimmtheit und die Negativität an ihr, die über die unschuldige Gleich- gültigkeit derselben übergreifft. Durch sie wird die Zerstrenung in die Mannichfaltigkeit der ruhigen Pflanzen Gestalten eine feindselige Bewegung, worin sie der Hass ihres Fürsichseyns aufreibt. -- Das wirkliche Selbstbewusstseyn dieses zerstreuten Geistes
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b. Die Pflanze und das Thier.
Der selbstbewuſste Geist, der aus dem gestaltlosen Wesen in sich gegangen, oder seine Unmittelbarkeit zum Selbst überhaupt erhoben, bestimmt seine Ein- fachheit als eine Mannichfaltigkeit des Fürsichseyns, und ist die Religion der geistigen Wahrnehmung, wo- rin er in die zahllose Vielheit schwächerer und kräfti- gerer, reicherer und ärmerer Geister zerfällt. Die- ser Pantheismus, zunächst das ruhige Bestehen dieser Geisteratomen, wird zur feindseligen Bewegung in sich selbst. Die Unschuld der Blumenreligion, die nur selbst- lose Vorstellung des Selbsts ist, geht in den Ernst des kämpfenden Lebens, in die Schuld der Thierreligion, die Ruhe und Ohnmacht der anschauenden Individua- lität in das zerstörende Fürsichseyn über. — Es hilft nichts, den Dingen der Wahrnehmung den Tod der Abſtraction genommen, und sie zu Wesen geistiger Wahrnehmung erhoben zu haben; die Beseelung die- ses Geisterreichs hat ihn durch die Bestimmtheit und die Negativität an ihr, die über die unschuldige Gleich- gültigkeit derselben übergreifft. Durch sie wird die Zerstrenung in die Mannichfaltigkeit der ruhigen Pflanzen Gestalten eine feindselige Bewegung, worin sie der Haſs ihres Fürsichseyns aufreibt. — Das wirkliche Selbſtbewuſstseyn dieses zerstreuten Geistes
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b.
Die Pflanze und das Thier.
Der selbstbewuſste Geist, der aus dem gestaltlosen
Wesen in sich gegangen, oder seine Unmittelbarkeit
zum Selbst überhaupt erhoben, bestimmt seine Ein-
fachheit als eine Mannichfaltigkeit des Fürsichseyns,
und ist die Religion der geistigen Wahrnehmung, wo-
rin er in die zahllose Vielheit schwächerer und kräfti-
gerer, reicherer und ärmerer Geister zerfällt. Die-
ser Pantheismus, zunächst das ruhige Bestehen dieser
Geisteratomen, wird zur feindseligen Bewegung in sich
selbst. Die Unschuld der Blumenreligion, die nur selbst-
lose Vorstellung des Selbsts ist, geht in den Ernst des
kämpfenden Lebens, in die Schuld der Thierreligion,
die Ruhe und Ohnmacht der anschauenden Individua-
lität in das zerstörende Fürsichseyn über. — Es hilft
nichts, den Dingen der Wahrnehmung den Tod der
Abſtraction genommen, und sie zu Wesen geistiger
Wahrnehmung erhoben zu haben; die Beseelung die-
ses Geisterreichs hat ihn durch die Bestimmtheit und
die Negativität an ihr, die über die unschuldige Gleich-
gültigkeit derselben übergreifft. Durch sie wird die
Zerstrenung in die Mannichfaltigkeit der ruhigen
Pflanzen Gestalten eine feindselige Bewegung, worin
sie der Haſs ihres Fürsichseyns aufreibt. — Das
wirkliche Selbſtbewuſstseyn dieses zerstreuten Geistes
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/752>, abgerufen am 23.11.2024.
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