Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

gut ist, dass endlich die Beziehung des einzelnen be-
wussten Seyns auf das absolute Wesen, die Religion,
der Begriff der Nützlichkeit erschöpfend ausdrückt,
ist dem Glauben schlechthin abscheulich. Diese eigne
Weisheit der Aufklärung erscheint ihm nothwendig
zugleich als die Plattheit selbst, und als das Geständniss
der Plattheit; weil sie darin besteht, vom absoluten
Wesen nichts oder was dasselbe ist, von ihm diese ganz
ebne Wahrheit zu wissen, dass es eben nur das abso-
lute Wesen
ist, dagegen nur von der Endlichkeit und
zwar sie als das Wahre und diss Wissen von derselben
als dem Wahren, als das Höchste zu wissen.

Der Glauben hat das göttliche Recht, das Recht
der absoluten Sichselbstgleichheit oder des reinen Den-
kens, gegen die Aufklärung, und erfährt von ihr durch-
aus Unrecht; denn sie verdreht ihn in allen seinen
Momenten, und macht sie zu etwas anderem, als sie
in ihm sind. Sie aber hat nur menschliches Recht ge-
gen ihn und für ihre Wahrheit; denn das Unrecht
das sie begeht, ist das Recht der Ungleichheit, und be-
steht in dem Verkehren und Verändern, ein Recht,
das der Natur des Selbstbewusstseyns im Gegensatze ge-
gen das einfache Wesen oder das Denken angehört
Aber indem ihr Recht, das Recht des Selbstbewusst-
seyns ist, wird sie nicht nur auch ihr Recht behalten,
so dass zwey gleiche Rechte des Geistes einander gegen-
über stehen blieben, und keins das andere befriedi-
gen könnte, sondern sie wird das absolute Recht be-
haupten, weil das Selbstbewusstseyn die Negativität

gut iſt, daſs endlich die Beziehung des einzelnen be-
wuſsten Seyns auf das abſolute Weſen, die Religion,
der Begriff der Nützlichkeit erſchöpfend ausdrückt,
iſt dem Glauben ſchlechthin abſcheulich. Dieſe eigne
Weisheit der Aufklärung erſcheint ihm nothwendig
zugleich als die Plattheit ſelbſt, und als das Geſtändniſs
der Plattheit; weil ſie darin beſteht, vom abſoluten
Weſen nichts oder was daſſelbe iſt, von ihm dieſe ganz
ebne Wahrheit zu wiſſen, daſs es eben nur das abſo-
lute Weſen
iſt, dagegen nur von der Endlichkeit und
zwar ſie als das Wahre und diſs Wiſſen von derſelben
als dem Wahren, als das Höchſte zu wiſſen.

Der Glauben hat das göttliche Recht, das Recht
der abſoluten Sichſelbſtgleichheit oder des reinen Den-
kens, gegen die Aufklärung, und erfährt von ihr durch-
aus Unrecht; denn ſie verdreht ihn in allen ſeinen
Momenten, und macht ſie zu etwas anderem, als ſie
in ihm ſind. Sie aber hat nur menſchliches Recht ge-
gen ihn und für ihre Wahrheit; denn das Unrecht
das ſie begeht, iſt das Recht der Ungleichheit, und be-
ſteht in dem Verkehren und Verändern, ein Recht,
das der Natur des Selbſtbewuſstſeyns im Gegenſatze ge-
gen das einfache Weſen oder das Denken angehört
Aber indem ihr Recht, das Recht des Selbſtbewuſst-
ſeyns iſt, wird ſie nicht nur auch ihr Recht behalten,
ſo daſs zwey gleiche Rechte des Geiſtes einander gegen-
über ſtehen blieben, und keins das andere befriedi-
gen könnte, ſondern ſie wird das abſolute Recht be-
haupten, weil das Selbſtbewuſstſeyn die Negativität

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0621" n="512"/>
gut i&#x017F;t, da&#x017F;s endlich die <hi rendition="#i">Beziehung</hi> des einzelnen be-<lb/>
wu&#x017F;sten Seyns auf das ab&#x017F;olute We&#x017F;en, <hi rendition="#i">die Religion</hi>,<lb/>
der Begriff der Nützlichkeit er&#x017F;chöpfend ausdrückt,<lb/>
i&#x017F;t dem Glauben &#x017F;chlechthin <hi rendition="#i">ab&#x017F;cheulich</hi>. Die&#x017F;e eigne<lb/><hi rendition="#i">Weisheit</hi> der Aufklärung er&#x017F;cheint ihm nothwendig<lb/>
zugleich als die <hi rendition="#i">Plattheit</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, und als das <hi rendition="#i">Ge&#x017F;tändni&#x017F;s</hi><lb/>
der Plattheit; weil &#x017F;ie darin be&#x017F;teht, vom ab&#x017F;oluten<lb/>
We&#x017F;en nichts oder was da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t, von ihm die&#x017F;e ganz<lb/>
ebne Wahrheit zu wi&#x017F;&#x017F;en, da&#x017F;s es eben nur das <hi rendition="#i">ab&#x017F;o-<lb/>
lute We&#x017F;en</hi> i&#x017F;t, dagegen nur von der Endlichkeit und<lb/>
zwar &#x017F;ie als das Wahre und di&#x017F;s Wi&#x017F;&#x017F;en von der&#x017F;elben<lb/>
als dem Wahren, als das Höch&#x017F;te zu wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                <p>Der Glauben hat das göttliche Recht, das Recht<lb/>
der ab&#x017F;oluten <hi rendition="#i">Sich&#x017F;elb&#x017F;tgleichheit</hi> oder des reinen Den-<lb/>
kens, gegen die Aufklärung, und erfährt von ihr durch-<lb/>
aus Unrecht; denn &#x017F;ie verdreht ihn in allen &#x017F;einen<lb/>
Momenten, und macht &#x017F;ie zu etwas anderem, als &#x017F;ie<lb/>
in ihm &#x017F;ind. Sie aber hat nur men&#x017F;chliches Recht ge-<lb/>
gen ihn und für ihre Wahrheit; denn das Unrecht<lb/>
das &#x017F;ie begeht, i&#x017F;t das Recht der <hi rendition="#i">Ungleichheit</hi>, und be-<lb/>
&#x017F;teht in dem Verkehren und Verändern, ein Recht,<lb/>
das der Natur des <hi rendition="#i">Selb&#x017F;tbewu&#x017F;st&#x017F;eyns</hi> im Gegen&#x017F;atze ge-<lb/>
gen das einfache We&#x017F;en oder das <hi rendition="#i">Denken</hi> angehört<lb/>
Aber indem ihr Recht, das Recht des Selb&#x017F;tbewu&#x017F;st-<lb/>
&#x017F;eyns i&#x017F;t, wird &#x017F;ie nicht nur <hi rendition="#i">auch</hi> ihr Recht behalten,<lb/>
&#x017F;o da&#x017F;s zwey gleiche Rechte des Gei&#x017F;tes einander gegen-<lb/>
über &#x017F;tehen blieben, und keins das andere befriedi-<lb/>
gen könnte, &#x017F;ondern &#x017F;ie wird das ab&#x017F;olute Recht be-<lb/>
haupten, weil das Selb&#x017F;tbewu&#x017F;st&#x017F;eyn die Negativität<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512/0621] gut iſt, daſs endlich die Beziehung des einzelnen be- wuſsten Seyns auf das abſolute Weſen, die Religion, der Begriff der Nützlichkeit erſchöpfend ausdrückt, iſt dem Glauben ſchlechthin abſcheulich. Dieſe eigne Weisheit der Aufklärung erſcheint ihm nothwendig zugleich als die Plattheit ſelbſt, und als das Geſtändniſs der Plattheit; weil ſie darin beſteht, vom abſoluten Weſen nichts oder was daſſelbe iſt, von ihm dieſe ganz ebne Wahrheit zu wiſſen, daſs es eben nur das abſo- lute Weſen iſt, dagegen nur von der Endlichkeit und zwar ſie als das Wahre und diſs Wiſſen von derſelben als dem Wahren, als das Höchſte zu wiſſen. Der Glauben hat das göttliche Recht, das Recht der abſoluten Sichſelbſtgleichheit oder des reinen Den- kens, gegen die Aufklärung, und erfährt von ihr durch- aus Unrecht; denn ſie verdreht ihn in allen ſeinen Momenten, und macht ſie zu etwas anderem, als ſie in ihm ſind. Sie aber hat nur menſchliches Recht ge- gen ihn und für ihre Wahrheit; denn das Unrecht das ſie begeht, iſt das Recht der Ungleichheit, und be- ſteht in dem Verkehren und Verändern, ein Recht, das der Natur des Selbſtbewuſstſeyns im Gegenſatze ge- gen das einfache Weſen oder das Denken angehört Aber indem ihr Recht, das Recht des Selbſtbewuſst- ſeyns iſt, wird ſie nicht nur auch ihr Recht behalten, ſo daſs zwey gleiche Rechte des Geiſtes einander gegen- über ſtehen blieben, und keins das andere befriedi- gen könnte, ſondern ſie wird das abſolute Recht be- haupten, weil das Selbſtbewuſstſeyn die Negativität

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/621
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/621>, abgerufen am 19.07.2024.