und nun feindliches, Rache forderndes Wesen. Dem Handeln liegt nur die eine Seite des Entschlusses überhaupt an dem Tage; er ist aber an sich das Ne- gative, das ein ihm Anderes, ein ihm, der das Wis- sen ist, Fremdes gegenüberstellt. Die Wirklichkeit hält daher die andere dem Wissen fremde Seite in sich verborgen, und zeigt sich dem Bewusstseyn nicht, wie sie an und für sich ist, -- dem Sohne nicht den Vater in seinem Beleidiger, den er erschlägt; -- nicht die Mutter in der Königin, die er zum Weibe nimmt. Dem sittlichen Selbstbewusstseyn stellt auf diese Weise eine lichtschene Macht nach, welche erst, wenn die That geschehen, hervorbricht und es bey ihr ergreifft; denn die vollbrachte That ist der auf- gehobne Gegensatz des wissenden Selbst, und der ihm gegenüberstehenden Wirklichkeit. Das Han- delnde kann das Verbrechen und seine Schuld nicht verleugnen; -- die That ist dieses, das Unbewegte zu bewegen und das nur erst in der Möglichkeit ver- schlossene hervor zu bringen, und hiemit das Un- bewusste dem Bewussten, das Nichtseyende dem Seyn zu verknüpfen. In dieser Wahrheit tritt also die That an die Sonne; -- als ein solches, worin ein Be- wusstes einem Unbewussten, das Eigne einem Frem- den verbunden ist, als das entzweyte Wesen, des- sen andere Seite das Bewusstseyn, und auch als die seinige erfährt, aber als die von ihm verletzte und feindlich erregte Macht.
und nun feindliches, Rache forderndes Wesen. Dem Handeln liegt nur die eine Seite des Entschlusses überhaupt an dem Tage; er ist aber an sich das Ne- gative, das ein ihm Anderes, ein ihm, der das Wis- sen ist, Fremdes gegenüberstellt. Die Wirklichkeit hält daher die andere dem Wissen fremde Seite in sich verborgen, und zeigt sich dem Bewuſstseyn nicht, wie sie an und für sich ist, — dem Sohne nicht den Vater in seinem Beleidiger, den er erschlägt; — nicht die Mutter in der Königin, die er zum Weibe nimmt. Dem sittlichen Selbstbewuſstseyn stellt auf diese Weise eine lichtschene Macht nach, welche erst, wenn die That geschehen, hervorbricht und es bey ihr ergreifft; denn die vollbrachte That ist der auf- gehobne Gegensatz des wissenden Selbst, und der ihm gegenüberstehenden Wirklichkeit. Das Han- delnde kann das Verbrechen und seine Schuld nicht verleugnen; — die That ist dieses, das Unbewegte zu bewegen und das nur erst in der Möglichkeit ver- schlossene hervor zu bringen, und hiemit das Un- bewuſste dem Bewuſsten, das Nichtseyende dem Seyn zu verknüpfen. In dieser Wahrheit tritt also die That an die Sonne; — als ein solches, worin ein Be- wuſstes einem Unbewuſsten, das Eigne einem Frem- den verbunden ist, als das entzweyte Wesen, des- sen andere Seite das Bewuſstseyn, und auch als die seinige erfährt, aber als die von ihm verletzte und feindlich erregte Macht.
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und nun feindliches, Rache forderndes Wesen. Dem
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überhaupt an dem Tage; er ist aber an sich das Ne-
gative, das ein ihm Anderes, ein ihm, der das Wis-
sen ist, Fremdes gegenüberstellt. Die Wirklichkeit
hält daher die andere dem Wissen fremde Seite in
sich verborgen, und zeigt sich dem Bewuſstseyn
nicht, wie sie an und für sich ist, — dem Sohne nicht
den Vater in seinem Beleidiger, den er erschlägt; —
nicht die Mutter in der Königin, die er zum Weibe
nimmt. Dem sittlichen Selbstbewuſstseyn stellt auf
diese Weise eine lichtschene Macht nach, welche
erst, wenn die That geschehen, hervorbricht und es
bey ihr ergreifft; denn die vollbrachte That ist der auf-
gehobne Gegensatz des wissenden Selbst, und der
ihm gegenüberstehenden Wirklichkeit. Das Han-
delnde kann das Verbrechen und seine Schuld nicht
verleugnen; — die That ist dieses, das Unbewegte zu
bewegen und das nur erst in der Möglichkeit ver-
schlossene hervor zu bringen, und hiemit das Un-
bewuſste dem Bewuſsten, das Nichtseyende dem Seyn
zu verknüpfen. In dieser Wahrheit tritt also die
That an die Sonne; — als ein solches, worin ein Be-
wuſstes einem Unbewuſsten, das Eigne einem Frem-
den verbunden ist, als das entzweyte Wesen, des-
sen andere Seite das Bewuſstseyn, und auch als die
seinige erfährt, aber als die von ihm verletzte und
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/520>, abgerufen am 22.11.2024.
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