Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Selbsterhaltung; dieses hat also die Wahr-
heit und Bekräfftigung seiner Macht an dem We-
sen des göttlichen Gesetzes und dem unterirdischen
Reiche
.

Das göttliche Gesetz, das in der Familie wal-
tet, hat seinerseits gleichfalls Unterschiede in sich,
deren Beziehung die lebendige Bewegung seiner
Wirklichkeit ausmacht. Unter den drey Verhält-
nissen aber, des Mannes und der Frau, der Eltern
und der Kinder, der Geschwister als Bruder und
Schwester, ist zuerst das Verhältniss des Mannes und
der Frau, das unmittelbare sich Erkennen des einen
Bewusstseyns im andern, und das Erkennen des
gegenseitigen Anerkanntseyns. Weil es das natürli-
che
sich Erkennen, nicht das sittliche ist, ist es
nur die Vorstellung und das Bild des Geistes, nicht
der wirkliche Geist selbst. -- Die Vorstellung oder
das Bild hat aber seine Wirklichkeit an einem an-
dern, als es ist; diss Verhältniss hat daher seine
Wirklichkeit nicht an ihm selbst, sondern an dem
Kinde, -- einem andern, dessen Werden es ist,
und worin es selbst verschwindet; und dieser Wech-
sel der sich fortwälzenden Geschlechter hat seinen
Bestand in dem Volke. -- Die Pietät des Mannes
und der Frau gegeneinander ist also mit natürlicher
Beziehung und mit Empfindung vermischt, und ihr
Verhältniss hat seine Rückkehr in sich nicht an
ihm selbst; ebenso das zweyte, die Pietät der El-
tern
und Kinder gegeneinander. Die der Eltern ge-

seiner Selbsterhaltung; dieses hat also die Wahr-
heit und Bekräfftigung seiner Macht an dem We-
sen des göttlichen Gesetzes und dem unterirdischen
Reiche
.

Das göttliche Gesetz, das in der Familie wal-
tet, hat seinerseits gleichfalls Unterschiede in sich,
deren Beziehung die lebendige Bewegung seiner
Wirklichkeit ausmacht. Unter den drey Verhält-
nissen aber, des Mannes und der Frau, der Eltern
und der Kinder, der Geschwister als Bruder und
Schwester, ist zuerst das Verhältniſs des Mannes und
der Frau, das unmittelbare sich Erkennen des einen
Bewuſstseyns im andern, und das Erkennen des
gegenseitigen Anerkanntseyns. Weil es das natürli-
che
sich Erkennen, nicht das sittliche ist, ist es
nur die Vorstellung und das Bild des Geistes, nicht
der wirkliche Geist selbst. — Die Vorstellung oder
das Bild hat aber seine Wirklichkeit an einem an-
dern, als es ist; diſs Verhältniſs hat daher seine
Wirklichkeit nicht an ihm selbst, sondern an dem
Kinde, — einem andern, dessen Werden es ist,
und worin es selbst verschwindet; und dieser Wech-
sel der sich fortwälzenden Geschlechter hat seinen
Bestand in dem Volke. — Die Pietät des Mannes
und der Frau gegeneinander ist also mit natürlicher
Beziehung und mit Empfindung vermischt, und ihr
Verhältniſs hat seine Rückkehr in sich nicht an
ihm selbst; ebenso das zweyte, die Pietät der El-
tern
und Kinder gegeneinander. Die der Eltern ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0503" n="394"/>
seiner Selbsterhaltung; dieses hat also die Wahr-<lb/>
heit und Bekräfftigung seiner Macht an dem We-<lb/>
sen des <hi rendition="#i">göttlichen Gesetzes</hi> und dem <hi rendition="#i">unterirdischen<lb/>
Reiche</hi>.</p><lb/>
              <p>Das göttliche Gesetz, das in der Familie wal-<lb/>
tet, hat seinerseits gleichfalls Unterschiede in sich,<lb/>
deren Beziehung die lebendige Bewegung seiner<lb/>
Wirklichkeit ausmacht. Unter den drey Verhält-<lb/>
nissen aber, des Mannes und der Frau, der Eltern<lb/>
und der Kinder, der Geschwister als Bruder und<lb/>
Schwester, ist zuerst das <hi rendition="#i">Verhältni&#x017F;s</hi> des <hi rendition="#i">Mannes</hi> und<lb/>
der <hi rendition="#i">Frau</hi>, das <hi rendition="#i">unmittelbare</hi> sich Erkennen des einen<lb/>
Bewu&#x017F;stseyns im andern, und das Erkennen des<lb/>
gegenseitigen Anerkanntseyns. Weil es das <hi rendition="#i">natürli-<lb/>
che</hi> sich Erkennen, nicht das sittliche ist, ist es<lb/>
nur die <hi rendition="#i">Vorstellung</hi> und das <hi rendition="#i">Bild</hi> des Geistes, nicht<lb/>
der wirkliche Geist selbst. &#x2014; Die Vorstellung oder<lb/>
das Bild hat aber seine Wirklichkeit an einem an-<lb/>
dern, als es ist; di&#x017F;s Verhältni&#x017F;s hat daher seine<lb/>
Wirklichkeit nicht an ihm selbst, sondern an dem<lb/>
Kinde, &#x2014; einem andern, dessen Werden es ist,<lb/>
und worin es selbst verschwindet; und dieser Wech-<lb/>
sel der sich fortwälzenden Geschlechter hat seinen<lb/>
Bestand in dem Volke. &#x2014; Die Pietät des Mannes<lb/>
und der Frau gegeneinander ist also mit natürlicher<lb/>
Beziehung und mit Empfindung vermischt, und ihr<lb/>
Verhältni&#x017F;s hat seine Rückkehr in sich nicht an<lb/>
ihm selbst; ebenso das zweyte, die <hi rendition="#i">Pietät</hi> der <hi rendition="#i">El-<lb/>
tern</hi> und <hi rendition="#i">Kinder</hi> gegeneinander. Die der Eltern ge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[394/0503] seiner Selbsterhaltung; dieses hat also die Wahr- heit und Bekräfftigung seiner Macht an dem We- sen des göttlichen Gesetzes und dem unterirdischen Reiche. Das göttliche Gesetz, das in der Familie wal- tet, hat seinerseits gleichfalls Unterschiede in sich, deren Beziehung die lebendige Bewegung seiner Wirklichkeit ausmacht. Unter den drey Verhält- nissen aber, des Mannes und der Frau, der Eltern und der Kinder, der Geschwister als Bruder und Schwester, ist zuerst das Verhältniſs des Mannes und der Frau, das unmittelbare sich Erkennen des einen Bewuſstseyns im andern, und das Erkennen des gegenseitigen Anerkanntseyns. Weil es das natürli- che sich Erkennen, nicht das sittliche ist, ist es nur die Vorstellung und das Bild des Geistes, nicht der wirkliche Geist selbst. — Die Vorstellung oder das Bild hat aber seine Wirklichkeit an einem an- dern, als es ist; diſs Verhältniſs hat daher seine Wirklichkeit nicht an ihm selbst, sondern an dem Kinde, — einem andern, dessen Werden es ist, und worin es selbst verschwindet; und dieser Wech- sel der sich fortwälzenden Geschlechter hat seinen Bestand in dem Volke. — Die Pietät des Mannes und der Frau gegeneinander ist also mit natürlicher Beziehung und mit Empfindung vermischt, und ihr Verhältniſs hat seine Rückkehr in sich nicht an ihm selbst; ebenso das zweyte, die Pietät der El- tern und Kinder gegeneinander. Die der Eltern ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/503
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/503>, abgerufen am 26.06.2024.