gen ihre Kinder ist eben von dieser Rührung affi- cirt, das Bewusstseyn seiner Wirklichkeit in dem andern zu haben, und das Fürsichseyn in ihm wer- den zu sehen, ohne es zurück zu erhalten; son- dern es bleibt eine fremde, eigne Wirklichkeit; -- die der Kinder aber gegen die Eltern umgekehrt mit der Rührung, das Werden seiner selbst oder das Ansich an einem andern verschwindenden zu ha- ben, und das Fürsichseyn und eigene Selbstbewusst- seyn zu erlangen, nur durch die Trennung von dem Ursprung, -- eine Trennung, worin dieser ver- siegt.
Diese beyden Verhältnisse bleiben innerhalb des Uebergehens und der Ungleichheit der Seiten ste- hen, die an sie vertheilt sind. -- Das unvermischte Verhältniss aber findet zwischen Bruder und Schwe- ster statt. Sie sind dasselbe Blut, das aber in ihnen in seine Ruhe und Gleichgewicht gekommen ist. Sie begehren daher einander nicht, noch haben sie diss Fürsichseyn eins dem andern gegeben, noch em- pfangen, sondern sie sind freye Individualität ge- geneinander. Das Weibliche hat daher als Schwe- ster die höchste Ahndung des sittlichen Wesens; zum Bewusstseyn und der Wirklichkeit desselben kommt es nicht, weil das Gesetz der Familie das ansichseyende, innerliche Wesen ist, das nicht am Tage des Bewusstseyns liegt, sondern innerliches Gefühl und das der Wirklichkeit enthobne Göttli- che bleibt. An diese Penaten ist das Weibliche ge-
gen ihre Kinder ist eben von dieser Rührung affi- cirt, das Bewuſstseyn seiner Wirklichkeit in dem andern zu haben, und das Fürsichseyn in ihm wer- den zu sehen, ohne es zurück zu erhalten; son- dern es bleibt eine fremde, eigne Wirklichkeit; — die der Kinder aber gegen die Eltern umgekehrt mit der Rührung, das Werden seiner selbst oder das Ansich an einem andern verschwindenden zu ha- ben, und das Fürsichseyn und eigene Selbstbewuſst- seyn zu erlangen, nur durch die Trennung von dem Ursprung, — eine Trennung, worin dieser ver- siegt.
Diese beyden Verhältnisse bleiben innerhalb des Uebergehens und der Ungleichheit der Seiten ste- hen, die an sie vertheilt sind. — Das unvermischte Verhältniſs aber findet zwischen Bruder und Schwe- ster statt. Sie sind dasselbe Blut, das aber in ihnen in seine Ruhe und Gleichgewicht gekommen ist. Sie begehren daher einander nicht, noch haben sie diſs Fürsichseyn eins dem andern gegeben, noch em- pfangen, sondern sie sind freye Individualität ge- geneinander. Das Weibliche hat daher als Schwe- ster die höchste Ahndung des sittlichen Wesens; zum Bewuſstseyn und der Wirklichkeit desselben kommt es nicht, weil das Gesetz der Familie das ansichseyende, innerliche Wesen ist, das nicht am Tage des Bewuſstseyns liegt, sondern innerliches Gefühl und das der Wirklichkeit enthobne Göttli- che bleibt. An diese Penaten ist das Weibliche ge-
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gen ihre Kinder ist eben von dieser Rührung affi-
cirt, das Bewuſstseyn seiner Wirklichkeit in dem
andern zu haben, und das Fürsichseyn in ihm wer-
den zu sehen, ohne es zurück zu erhalten; son-
dern es bleibt eine fremde, eigne Wirklichkeit; —
die der Kinder aber gegen die Eltern umgekehrt
mit der Rührung, das Werden seiner selbst oder das
Ansich an einem andern verschwindenden zu ha-
ben, und das Fürsichseyn und eigene Selbstbewuſst-
seyn zu erlangen, nur durch die Trennung von
dem Ursprung, — eine Trennung, worin dieser ver-
siegt.
Diese beyden Verhältnisse bleiben innerhalb des
Uebergehens und der Ungleichheit der Seiten ste-
hen, die an sie vertheilt sind. — Das unvermischte
Verhältniſs aber findet zwischen Bruder und Schwe-
ster statt. Sie sind dasselbe Blut, das aber in ihnen
in seine Ruhe und Gleichgewicht gekommen ist. Sie
begehren daher einander nicht, noch haben sie diſs
Fürsichseyn eins dem andern gegeben, noch em-
pfangen, sondern sie sind freye Individualität ge-
geneinander. Das Weibliche hat daher als Schwe-
ster die höchste Ahndung des sittlichen Wesens;
zum Bewuſstseyn und der Wirklichkeit desselben
kommt es nicht, weil das Gesetz der Familie das
ansichseyende, innerliche Wesen ist, das nicht am
Tage des Bewuſstseyns liegt, sondern innerliches
Gefühl und das der Wirklichkeit enthobne Göttli-
che bleibt. An diese Penaten ist das Weibliche ge-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/504>, abgerufen am 23.11.2024.
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