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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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ticipiren. In dieser Rücksicht kann denjenigen, wel-
che jene Wahrheit und Gewissheit der Realität der
sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden,
dass sie in die unterste Schule der Weisheit, nem-
lich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und
des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheim-
niss des Essens des Brodes und des Trinkens des
Weines erst zu lernen haben; denn der in diese Ge-
heimnisse eingeweihte gelangt nicht nur zum Zwei-
fel an dem Seyn der sinnlichen Dinge, sondern zur
Verzweiflung an ihm; und vollbringt in ihnen theils
selbst ihre Nichtigkeit, theils sieht er sie vollbrin-
gen. Auch die Thiere sind nicht von dieser Weisheit
ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr am tief-
sten in sie eingeweiht zu seyn, denn sie bleiben nicht
vor den sinnlichen Dingen als an sich seyenden ste-
hen, sondern verzweifelnd an dieser Realität und in
der völligen Gewissheit ihrer Nichtigkeit langen sie
ohne weiteres zu, und zehren sie auf; und die ganze
Natur feyert, wie sie, diese offenbare Mysterien, welche
es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist.

Die, welche solche Behauptung aufstellen,
sagen aber, gemäss vorhergehenden Bemerkun-
gen, auch selbst unmittelbar das Gegentheil dessen,
was sie meynen; eine Erscheinung, die vielleicht am
fähigsten ist, zum Nachdenken über die Natur der
sinnlichen Gewissheit zu bringen. Sie sprechen von
dem Daseyn äusserer Gegenstände, welche noch ge-
nauer, als wirkliche absolut einzelne, ganz persönliche,

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ticipiren. In dieser Rücksicht kann denjenigen, wel-
che jene Wahrheit und Gewiſsheit der Realität der
sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden,
daſs sie in die unterste Schule der Weisheit, nem-
lich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und
des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheim-
niſs des Essens des Brodes und des Trinkens des
Weines erst zu lernen haben; denn der in diese Ge-
heimnisse eingeweihte gelangt nicht nur zum Zwei-
fel an dem Seyn der sinnlichen Dinge, sondern zur
Verzweiflung an ihm; und vollbringt in ihnen theils
selbst ihre Nichtigkeit, theils sieht er sie vollbrin-
gen. Auch die Thiere sind nicht von dieser Weisheit
ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr am tief-
sten in sie eingeweiht zu seyn, denn sie bleiben nicht
vor den sinnlichen Dingen als an sich seyenden ste-
hen, sondern verzweifelnd an dieser Realität und in
der völligen Gewiſsheit ihrer Nichtigkeit langen sie
ohne weiteres zu, und zehren sie auf; und die ganze
Natur feyert, wie sie, diese offenbare Mysterien, welche
es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist.

Die, welche solche Behauptung aufstellen,
sagen aber, gemäſs vorhergehenden Bemerkun-
gen, auch selbst unmittelbar das Gegentheil dessen,
was sie meynen; eine Erscheinung, die vielleicht am
fähigsten ist, zum Nachdenken über die Natur der
sinnlichen Gewiſsheit zu bringen. Sie sprechen von
dem Daseyn äusserer Gegenstände, welche noch ge-
nauer, als wirkliche absolut einzelne, ganz persönliche,

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[35/0144] ticipiren. In dieser Rücksicht kann denjenigen, wel- che jene Wahrheit und Gewiſsheit der Realität der sinnlichen Gegenstände behaupten, gesagt werden, daſs sie in die unterste Schule der Weisheit, nem- lich in die alten Eleusischen Mysterien der Ceres und des Bacchus zurückzuweisen sind, und das Geheim- niſs des Essens des Brodes und des Trinkens des Weines erst zu lernen haben; denn der in diese Ge- heimnisse eingeweihte gelangt nicht nur zum Zwei- fel an dem Seyn der sinnlichen Dinge, sondern zur Verzweiflung an ihm; und vollbringt in ihnen theils selbst ihre Nichtigkeit, theils sieht er sie vollbrin- gen. Auch die Thiere sind nicht von dieser Weisheit ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr am tief- sten in sie eingeweiht zu seyn, denn sie bleiben nicht vor den sinnlichen Dingen als an sich seyenden ste- hen, sondern verzweifelnd an dieser Realität und in der völligen Gewiſsheit ihrer Nichtigkeit langen sie ohne weiteres zu, und zehren sie auf; und die ganze Natur feyert, wie sie, diese offenbare Mysterien, welche es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist. Die, welche solche Behauptung aufstellen, sagen aber, gemäſs vorhergehenden Bemerkun- gen, auch selbst unmittelbar das Gegentheil dessen, was sie meynen; eine Erscheinung, die vielleicht am fähigsten ist, zum Nachdenken über die Natur der sinnlichen Gewiſsheit zu bringen. Sie sprechen von dem Daseyn äusserer Gegenstände, welche noch ge- nauer, als wirkliche absolut einzelne, ganz persönliche, C 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/144>, abgerufen am 28.04.2024.