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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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sterlichen Gewande schreitet das Hochgefühl
des Ewigen, Heiligen, Unendlichen einher --
einen Weg, der vielmehr schon selbst das un-
mittelbare Seyn im Centrum, die Genialität
tiefer origineller Ideen und hoher Gedanken-
blitze ist. Wie jedoch solche Tiefe noch nicht
den Quell des Wesens offenbart, so sind diese
Raketen noch nicht das Empyreum. Wahre Ge-
danken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in
der Arbeit des Begriffes zu gewinnen. Er al-
lein kann die Allgemeinheit des Wissens her-
vorbringen, welche weder die gemeine Unbe-
stimmtheit und Dürstigkeit des gemeinen Men-
schenverstands, sondern gebildete und vollstän-
dige Erkenntniss, -- noch die ungemeine All-
gemeinheit der durch Trägheit und Eigendün-
kel von Genie sich verderbenden Anlage der
Vernunft, sondern die zu ihrer einheimischen
Form gediehene Wahrheit, welche fähig ist,
das Eigenthum aller selbstbewussten Vernunft
zu seyn.

Indem ich das, wodurch die Wissenschaft
existirt, in die Selbstbewegung des Begriffes
setze, so scheint die Betrachtung, dass die an-
geführten und noch andre äussre Seiten der
Vorstellungen unserer Zeit über die Natur und
Gestalt der Wahrheit hievon abweichen, ja

ſterlichen Gewande ſchreitet das Hochgefühl
des Ewigen, Heiligen, Unendlichen einher —
einen Weg, der vielmehr ſchon ſelbſt das un-
mittelbare Seyn im Centrum, die Genialität
tiefer origineller Ideen und hoher Gedanken-
blitze iſt. Wie jedoch ſolche Tiefe noch nicht
den Quell des Weſens offenbart, ſo ſind dieſe
Raketen noch nicht das Empyreum. Wahre Ge-
danken und wiſſenſchaftliche Einſicht iſt nur in
der Arbeit des Begriffes zu gewinnen. Er al-
lein kann die Allgemeinheit des Wiſſens her-
vorbringen, welche weder die gemeine Unbe-
ſtimmtheit und Dürſtigkeit des gemeinen Men-
ſchenverſtands, ſondern gebildete und vollſtän-
dige Erkenntniſs, — noch die ungemeine All-
gemeinheit der durch Trägheit und Eigendün-
kel von Genie ſich verderbenden Anlage der
Vernunft, ſondern die zu ihrer einheimiſchen
Form gediehene Wahrheit, welche fähig iſt,
das Eigenthum aller ſelbſtbewuſsten Vernunft
zu ſeyn.

Indem ich das, wodurch die Wiſſenſchaft
exiſtirt, in die Selbſtbewegung des Begriffes
ſetze, ſo ſcheint die Betrachtung, daſs die an-
geführten und noch andre äuſſre Seiten der
Vorſtellungen unſerer Zeit über die Natur und
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[LXXXVIII/0103] ſterlichen Gewande ſchreitet das Hochgefühl des Ewigen, Heiligen, Unendlichen einher — einen Weg, der vielmehr ſchon ſelbſt das un- mittelbare Seyn im Centrum, die Genialität tiefer origineller Ideen und hoher Gedanken- blitze iſt. Wie jedoch ſolche Tiefe noch nicht den Quell des Weſens offenbart, ſo ſind dieſe Raketen noch nicht das Empyreum. Wahre Ge- danken und wiſſenſchaftliche Einſicht iſt nur in der Arbeit des Begriffes zu gewinnen. Er al- lein kann die Allgemeinheit des Wiſſens her- vorbringen, welche weder die gemeine Unbe- ſtimmtheit und Dürſtigkeit des gemeinen Men- ſchenverſtands, ſondern gebildete und vollſtän- dige Erkenntniſs, — noch die ungemeine All- gemeinheit der durch Trägheit und Eigendün- kel von Genie ſich verderbenden Anlage der Vernunft, ſondern die zu ihrer einheimiſchen Form gediehene Wahrheit, welche fähig iſt, das Eigenthum aller ſelbſtbewuſsten Vernunft zu ſeyn. Indem ich das, wodurch die Wiſſenſchaft exiſtirt, in die Selbſtbewegung des Begriffes ſetze, ſo ſcheint die Betrachtung, daſs die an- geführten und noch andre äuſſre Seiten der Vorſtellungen unſerer Zeit über die Natur und Geſtalt der Wahrheit hievon abweichen, ja

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXXXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/103>, abgerufen am 24.11.2024.