ganz entgegen sind, einem Versuche, das Sys- tem der Wissenschaft in jener Bestimmung dar- zustellen, keine günstige Aufnahme zu verspre- chen. Inzwischen kann ich bedenken, dass, wenn z. B. zuweilen das Vortreffliche der Phi- losophie Plato's in seine wissenschaftlich werth- losen Mythen gesetzt wird, es auch Zeiten ge- geben, welche sogar Zeiten der Schwärmerey genannt werden, worin die Aristotelische Phi- losophie um ihrer speculativen Tiefe willen ge- achtet und der Parmenides des Plato, wohl das grösste Kunstwerk der alten Dialektik, für die wahre Enthüllung und den positiven Ausdruck des göttlichen Lebens gehalten wurde, und so- gar bey vieler Trübheit dessen, was die Ekstase erzeugte, diese misverstandne Ekstase in der That nichts andres als der reine Begriff seyn sollte, -- dass ferner das Vortreffliche der Phi- losophie unserer Zeit seinen Werth selbst in die Wissenschaftlichkeit setzt, und wenn auch die Andern es anders nehmen, nur durch sie in der That sich geltend macht. Somit kann ich auch hoffen, dass dieser Versuch, die Wis- senschaft dem Begriffe zu vindiciren und sie in diesem ihrem eigenthümlichen Elemente darzu- stellen, sich durch die innre Wahrheit der Sa- che Eingang zu verschaffen wissen werde. Wir
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ganz entgegen ſind, einem Verſuche, das Sys- tem der Wiſſenſchaft in jener Beſtimmung dar- zuſtellen, keine günſtige Aufnahme zu verſpre- chen. Inzwiſchen kann ich bedenken, daſs, wenn z. B. zuweilen das Vortreffliche der Phi- loſophie Plato’s in ſeine wiſſenſchaftlich werth- loſen Mythen geſetzt wird, es auch Zeiten ge- geben, welche ſogar Zeiten der Schwärmerey genannt werden, worin die Ariſtoteliſche Phi- loſophie um ihrer ſpeculativen Tiefe willen ge- achtet und der Parmenides des Plato, wohl das gröſste Kunſtwerk der alten Dialektik, für die wahre Enthüllung und den poſitiven Ausdruck des göttlichen Lebens gehalten wurde, und ſo- gar bey vieler Trübheit deſſen, was die Ekſtaſe erzeugte, dieſe misverſtandne Ekſtaſe in der That nichts andres als der reine Begriff ſeyn ſollte, — daſs ferner das Vortreffliche der Phi- loſophie unſerer Zeit ſeinen Werth ſelbſt in die Wiſſenſchaftlichkeit ſetzt, und wenn auch die Andern es anders nehmen, nur durch ſie in der That ſich geltend macht. Somit kann ich auch hoffen, daſs dieſer Verſuch, die Wiſ- ſenſchaft dem Begriffe zu vindiciren und ſie in dieſem ihrem eigenthümlichen Elemente darzu- ſtellen, ſich durch die innre Wahrheit der Sa- che Eingang zu verſchaffen wiſſen werde. Wir
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[LXXXIX/0104]
ganz entgegen ſind, einem Verſuche, das Sys-
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zuſtellen, keine günſtige Aufnahme zu verſpre-
chen. Inzwiſchen kann ich bedenken, daſs,
wenn z. B. zuweilen das Vortreffliche der Phi-
loſophie Plato’s in ſeine wiſſenſchaftlich werth-
loſen Mythen geſetzt wird, es auch Zeiten ge-
geben, welche ſogar Zeiten der Schwärmerey
genannt werden, worin die Ariſtoteliſche Phi-
loſophie um ihrer ſpeculativen Tiefe willen ge-
achtet und der Parmenides des Plato, wohl das
gröſste Kunſtwerk der alten Dialektik, für die
wahre Enthüllung und den poſitiven Ausdruck
des göttlichen Lebens gehalten wurde, und ſo-
gar bey vieler Trübheit deſſen, was die Ekſtaſe
erzeugte, dieſe misverſtandne Ekſtaſe in der
That nichts andres als der reine Begriff ſeyn
ſollte, — daſs ferner das Vortreffliche der Phi-
loſophie unſerer Zeit ſeinen Werth ſelbſt in
die Wiſſenſchaftlichkeit ſetzt, und wenn auch
die Andern es anders nehmen, nur durch ſie
in der That ſich geltend macht. Somit kann
ich auch hoffen, daſs dieſer Verſuch, die Wiſ-
ſenſchaft dem Begriffe zu vindiciren und ſie in
dieſem ihrem eigenthümlichen Elemente darzu-
ſtellen, ſich durch die innre Wahrheit der Sa-
che Eingang zu verſchaffen wiſſen werde. Wir
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXXXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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