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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

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Die Wirklichkeit.
Werden nur als ein fortgehender Verlust. So verdun-
kelt sich das Seyn immer mehr, und die Nacht, das
Negative, ist das Letzte der Linie, das nicht in das erste
Licht zuerst kehrt.

Der Mangel der Reflexion in sich, den die
Spinozistische Auslegung des Absoluten wie die Emana-
tionslehre an ihr hat, ist in dem Begriffe der Leibni-
zischen Monade
ergänzt. -- Der Einseitigkeit eines
philosophischen Princips pflegt sich die entgegengesetzte ge-
genüber zu stellen, und, wie in Allem, die Totalität we-
nigstens als eine zerstreute Vollständigkeit vor-
handen zu seyn. -- Die Monade ist ein Eins, ein
in sich reflectirtes Negatives; sie ist die Totalität des
Inhalts der Welt; das verschiedene Mannichfaltige ist
in ihr nicht nur verschwunden, sondern auf negative Weise
aufbewahrt; die Spinozistische Substanz ist die Einheit
alles Inhalts; aber dieser mannichfaltige Inhalt der
Welt ist nicht als solcher in ihr, sondern in der ihr äus-
serlichen Reflexion. Die Monade ist daher wesentlich
vorstellend; sie hat aber, ob sie wohl eine endliche ist,
keine Passivität; sondern die Veränderungen und Be-
stimmungen in ihr sind Manifestationen ihrer in ihr selbst.
Sie ist Entelechie; des Offenbahren ist ihr eigenes
Thun. -- Dabey ist die Monade auch bestimmt, von
andern unterschieden
; die Bestimmtheit fällt in
den besondern Inhalt und die Art und Weise der Mani-
festation. Die Monade ist daher an sich, ihrer Sub-
stanz
nach, die Totalität, nicht in ihrer Manife-
station
. Diese Beschränkung der Monade fällt
nothwendig nicht in die sich selbst setzende oder
vorstellende Monade, sondern in ihr Ansichseyn,
oder ist absolute Grenze, eine Prädestination, wel-
che durch ein anderes Wesen, als sie ist, gesetzt wird.
Ferner da Begrenzte nur sind, als sich auf andere Be-

grenzte

Die Wirklichkeit.
Werden nur als ein fortgehender Verluſt. So verdun-
kelt ſich das Seyn immer mehr, und die Nacht, das
Negative, iſt das Letzte der Linie, das nicht in das erſte
Licht zuerſt kehrt.

Der Mangel der Reflexion in ſich, den die
Spinoziſtiſche Auslegung des Abſoluten wie die Emana-
tionslehre an ihr hat, iſt in dem Begriffe der Leibni-
ziſchen Monade
ergaͤnzt. — Der Einſeitigkeit eines
philoſophiſchen Princips pflegt ſich die entgegengeſetzte ge-
genuͤber zu ſtellen, und, wie in Allem, die Totalitaͤt we-
nigſtens als eine zerſtreute Vollſtaͤndigkeit vor-
handen zu ſeyn. — Die Monade iſt ein Eins, ein
in ſich reflectirtes Negatives; ſie iſt die Totalitaͤt des
Inhalts der Welt; das verſchiedene Mannichfaltige iſt
in ihr nicht nur verſchwunden, ſondern auf negative Weiſe
aufbewahrt; die Spinoziſtiſche Subſtanz iſt die Einheit
alles Inhalts; aber dieſer mannichfaltige Inhalt der
Welt iſt nicht als ſolcher in ihr, ſondern in der ihr aͤuſ-
ſerlichen Reflexion. Die Monade iſt daher weſentlich
vorſtellend; ſie hat aber, ob ſie wohl eine endliche iſt,
keine Paſſivitaͤt; ſondern die Veraͤnderungen und Be-
ſtimmungen in ihr ſind Manifeſtationen ihrer in ihr ſelbſt.
Sie iſt Entelechie; des Offenbahren iſt ihr eigenes
Thun. — Dabey iſt die Monade auch beſtimmt, von
andern unterſchieden
; die Beſtimmtheit faͤllt in
den beſondern Inhalt und die Art und Weiſe der Mani-
feſtation. Die Monade iſt daher an ſich, ihrer Sub-
ſtanz
nach, die Totalitaͤt, nicht in ihrer Manife-
ſtation
. Dieſe Beſchraͤnkung der Monade faͤllt
nothwendig nicht in die ſich ſelbſt ſetzende oder
vorſtellende Monade, ſondern in ihr Anſichſeyn,
oder iſt abſolute Grenze, eine Praͤdeſtination, wel-
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Ferner da Begrenzte nur ſind, als ſich auf andere Be-

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[229/0241] Die Wirklichkeit. Werden nur als ein fortgehender Verluſt. So verdun- kelt ſich das Seyn immer mehr, und die Nacht, das Negative, iſt das Letzte der Linie, das nicht in das erſte Licht zuerſt kehrt. Der Mangel der Reflexion in ſich, den die Spinoziſtiſche Auslegung des Abſoluten wie die Emana- tionslehre an ihr hat, iſt in dem Begriffe der Leibni- ziſchen Monade ergaͤnzt. — Der Einſeitigkeit eines philoſophiſchen Princips pflegt ſich die entgegengeſetzte ge- genuͤber zu ſtellen, und, wie in Allem, die Totalitaͤt we- nigſtens als eine zerſtreute Vollſtaͤndigkeit vor- handen zu ſeyn. — Die Monade iſt ein Eins, ein in ſich reflectirtes Negatives; ſie iſt die Totalitaͤt des Inhalts der Welt; das verſchiedene Mannichfaltige iſt in ihr nicht nur verſchwunden, ſondern auf negative Weiſe aufbewahrt; die Spinoziſtiſche Subſtanz iſt die Einheit alles Inhalts; aber dieſer mannichfaltige Inhalt der Welt iſt nicht als ſolcher in ihr, ſondern in der ihr aͤuſ- ſerlichen Reflexion. Die Monade iſt daher weſentlich vorſtellend; ſie hat aber, ob ſie wohl eine endliche iſt, keine Paſſivitaͤt; ſondern die Veraͤnderungen und Be- ſtimmungen in ihr ſind Manifeſtationen ihrer in ihr ſelbſt. Sie iſt Entelechie; des Offenbahren iſt ihr eigenes Thun. — Dabey iſt die Monade auch beſtimmt, von andern unterſchieden; die Beſtimmtheit faͤllt in den beſondern Inhalt und die Art und Weiſe der Mani- feſtation. Die Monade iſt daher an ſich, ihrer Sub- ſtanz nach, die Totalitaͤt, nicht in ihrer Manife- ſtation. Dieſe Beſchraͤnkung der Monade faͤllt nothwendig nicht in die ſich ſelbſt ſetzende oder vorſtellende Monade, ſondern in ihr Anſichſeyn, oder iſt abſolute Grenze, eine Praͤdeſtination, wel- che durch ein anderes Weſen, als ſie iſt, geſetzt wird. Ferner da Begrenzte nur ſind, als ſich auf andere Be- grenzte

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/241>, abgerufen am 02.05.2024.