Sinne des Vorstellens gegen die Wirklichkeit nehmen) der Fall, in dessen Zusammenhange das Seyn oder die Abwesenheit eines Inhalts, der als bestimmt mit ande- rem in Beziehung steht, nicht gleichgültig ist. -- Denn überhaupt fängt nur erst in der Bestimmtheit der reale Unterschied an: das unbestimmte Seyn und Nichts hat ihn noch nicht an ihm, sondern nur den gemeynten Un- terschied.
Diese Betrachtung enthält dasselbe, was ein Haupt- moment in der Kantischen Kritik des ontologischen Be- weises vom Daseyn Gottes ausmacht; näher ist übrigens diese Kritik erst beym Gegensatze des Begriffes und der Existenz zu betrachten. -- Bekanntlich wurde in diesem sogenannten Beweise der Begriff eines Wesens voraus- gesetzt, dem alle Realitäten zukommen, somit auch die Existenz, die gleichfalls als eine der Realitäten ange- nommen wurde. Die Kantische Kritik hielt sich vornem- lich daran, daß die Existenz keine Eigenschaft oder kein reales Prädikat sey, das heisse, nicht ein Begriff von etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. -- Kant will damit sagen, daß Seyn keine Inhaltsbestimmung sey. -- Also enthalte, fährt er fort, das Mögliche nicht mehr als das Wirk- liche; hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das Min- deste mehr, als hundert mögliche; -- nemlich jene ha- ben keine andere Inhaltsbestimmung als diese. Es ist für diesen als isolirt betrachteten Inhalt gleichgültig, zu seyn oder nicht zu seyn; es liegt in ihm kein Unterschied des Seyns oder Nichtseyns, dieser Unterschied berührt ihn überhaupt gar nicht; die hundert Thaler werden nicht weniger, wenn sie nicht sind, und nicht [m]ehr, wenn sie sind. Der Unterschied muß erst [ - 2 Zeichen fehlen]derswoher kommen. -- "Hingegen, erinnert Kant, in meinem Vermögenszustande ist mehr bey hundert wirklichen Tha-
lern,
Qualitaͤt.
Sinne des Vorſtellens gegen die Wirklichkeit nehmen) der Fall, in deſſen Zuſammenhange das Seyn oder die Abweſenheit eines Inhalts, der als beſtimmt mit ande- rem in Beziehung ſteht, nicht gleichguͤltig iſt. — Denn uͤberhaupt faͤngt nur erſt in der Beſtimmtheit der reale Unterſchied an: das unbeſtimmte Seyn und Nichts hat ihn noch nicht an ihm, ſondern nur den gemeynten Un- terſchied.
Dieſe Betrachtung enthaͤlt daſſelbe, was ein Haupt- moment in der Kantiſchen Kritik des ontologiſchen Be- weiſes vom Daſeyn Gottes ausmacht; naͤher iſt uͤbrigens dieſe Kritik erſt beym Gegenſatze des Begriffes und der Exiſtenz zu betrachten. — Bekanntlich wurde in dieſem ſogenannten Beweiſe der Begriff eines Weſens voraus- geſetzt, dem alle Realitaͤten zukommen, ſomit auch die Exiſtenz, die gleichfalls als eine der Realitaͤten ange- nommen wurde. Die Kantiſche Kritik hielt ſich vornem- lich daran, daß die Exiſtenz keine Eigenſchaft oder kein reales Praͤdikat ſey, das heiſſe, nicht ein Begriff von etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen koͤnne. — Kant will damit ſagen, daß Seyn keine Inhaltsbeſtimmung ſey. — Alſo enthalte, faͤhrt er fort, das Moͤgliche nicht mehr als das Wirk- liche; hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das Min- deſte mehr, als hundert moͤgliche; — nemlich jene ha- ben keine andere Inhaltsbeſtimmung als dieſe. Es iſt fuͤr dieſen als iſolirt betrachteten Inhalt gleichguͤltig, zu ſeyn oder nicht zu ſeyn; es liegt in ihm kein Unterſchied des Seyns oder Nichtſeyns, dieſer Unterſchied beruͤhrt ihn uͤberhaupt gar nicht; die hundert Thaler werden nicht weniger, wenn ſie nicht ſind, und nicht [m]ehr, wenn ſie ſind. Der Unterſchied muß erſt [ – 2 Zeichen fehlen]derswoher kommen. — „Hingegen, erinnert Kant, in meinem Vermoͤgenszuſtande iſt mehr bey hundert wirklichen Tha-
lern,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0075"n="27"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Qualitaͤt</hi>.</fw><lb/>
Sinne des Vorſtellens gegen die Wirklichkeit nehmen)<lb/>
der Fall, in deſſen Zuſammenhange das Seyn oder die<lb/>
Abweſenheit eines Inhalts, der als beſtimmt mit ande-<lb/>
rem in Beziehung ſteht, nicht gleichguͤltig iſt. — Denn<lb/>
uͤberhaupt faͤngt nur erſt in der Beſtimmtheit der reale<lb/>
Unterſchied an: das unbeſtimmte Seyn und Nichts hat<lb/>
ihn noch nicht an ihm, ſondern nur den gemeynten Un-<lb/>
terſchied.</p><lb/><p>Dieſe Betrachtung enthaͤlt daſſelbe, was ein Haupt-<lb/>
moment in der Kantiſchen Kritik des ontologiſchen Be-<lb/>
weiſes vom Daſeyn Gottes ausmacht; naͤher iſt uͤbrigens<lb/>
dieſe Kritik erſt beym Gegenſatze des Begriffes und der<lb/>
Exiſtenz zu betrachten. — Bekanntlich wurde in dieſem<lb/>ſogenannten Beweiſe der Begriff eines Weſens voraus-<lb/>
geſetzt, dem alle Realitaͤten zukommen, ſomit auch die<lb/>
Exiſtenz, die gleichfalls als eine der Realitaͤten ange-<lb/>
nommen wurde. Die Kantiſche Kritik hielt ſich vornem-<lb/>
lich daran, daß die <hirendition="#g">Exiſtenz</hi> keine <hirendition="#g">Eigenſchaft</hi> oder<lb/>
kein <hirendition="#g">reales Praͤdikat</hi>ſey, das heiſſe, nicht ein<lb/>
Begriff von etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges<lb/>
hinzukommen koͤnne. — Kant will damit ſagen, daß<lb/>
Seyn keine Inhaltsbeſtimmung ſey. — Alſo enthalte,<lb/>
faͤhrt er fort, das Moͤgliche nicht mehr als das Wirk-<lb/>
liche; hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das Min-<lb/>
deſte mehr, als hundert moͤgliche; — nemlich jene ha-<lb/>
ben keine andere Inhaltsbeſtimmung als dieſe. Es iſt<lb/>
fuͤr dieſen als iſolirt betrachteten Inhalt gleichguͤltig, zu<lb/>ſeyn oder nicht zu ſeyn; es liegt in ihm kein Unterſchied<lb/>
des Seyns oder Nichtſeyns, dieſer Unterſchied beruͤhrt<lb/>
ihn uͤberhaupt gar nicht; die hundert Thaler werden<lb/>
nicht weniger, wenn ſie nicht ſind, und nicht <supplied>m</supplied>ehr,<lb/>
wenn ſie ſind. Der Unterſchied muß erſt <gapunit="chars"quantity="2"/>derswoher<lb/>
kommen. —„Hingegen, erinnert Kant, in meinem<lb/>
Vermoͤgenszuſtande iſt mehr bey hundert wirklichen Tha-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lern,</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[27/0075]
Qualitaͤt.
Sinne des Vorſtellens gegen die Wirklichkeit nehmen)
der Fall, in deſſen Zuſammenhange das Seyn oder die
Abweſenheit eines Inhalts, der als beſtimmt mit ande-
rem in Beziehung ſteht, nicht gleichguͤltig iſt. — Denn
uͤberhaupt faͤngt nur erſt in der Beſtimmtheit der reale
Unterſchied an: das unbeſtimmte Seyn und Nichts hat
ihn noch nicht an ihm, ſondern nur den gemeynten Un-
terſchied.
Dieſe Betrachtung enthaͤlt daſſelbe, was ein Haupt-
moment in der Kantiſchen Kritik des ontologiſchen Be-
weiſes vom Daſeyn Gottes ausmacht; naͤher iſt uͤbrigens
dieſe Kritik erſt beym Gegenſatze des Begriffes und der
Exiſtenz zu betrachten. — Bekanntlich wurde in dieſem
ſogenannten Beweiſe der Begriff eines Weſens voraus-
geſetzt, dem alle Realitaͤten zukommen, ſomit auch die
Exiſtenz, die gleichfalls als eine der Realitaͤten ange-
nommen wurde. Die Kantiſche Kritik hielt ſich vornem-
lich daran, daß die Exiſtenz keine Eigenſchaft oder
kein reales Praͤdikat ſey, das heiſſe, nicht ein
Begriff von etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges
hinzukommen koͤnne. — Kant will damit ſagen, daß
Seyn keine Inhaltsbeſtimmung ſey. — Alſo enthalte,
faͤhrt er fort, das Moͤgliche nicht mehr als das Wirk-
liche; hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das Min-
deſte mehr, als hundert moͤgliche; — nemlich jene ha-
ben keine andere Inhaltsbeſtimmung als dieſe. Es iſt
fuͤr dieſen als iſolirt betrachteten Inhalt gleichguͤltig, zu
ſeyn oder nicht zu ſeyn; es liegt in ihm kein Unterſchied
des Seyns oder Nichtſeyns, dieſer Unterſchied beruͤhrt
ihn uͤberhaupt gar nicht; die hundert Thaler werden
nicht weniger, wenn ſie nicht ſind, und nicht mehr,
wenn ſie ſind. Der Unterſchied muß erſt __derswoher
kommen. — „Hingegen, erinnert Kant, in meinem
Vermoͤgenszuſtande iſt mehr bey hundert wirklichen Tha-
lern,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/75>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.