Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. II. Abschnitt.
derntheils das Verhältniß der Welt zu ihm, das
heißt die Continuität derselben in ihm, oder die Erfüllung
desselben; welcher Widerspruch, der Raum zugleich als
leer und zugleich als erfüllt, der unendliche Progreß des
Daseyns im Raume ist. Aber dieser Widerspruch selbst,
das Verhältniß der Welt zum leeren Raume, ist im Be-
weise direct angenommen.

Die Thesis und Antithesis und die Beweise dersel-
ben stellen daher nichts dar, als die entgegengesetzten
Behauptungen, daß eine Grenze ist, und daß die
Grenze eben so sehr nur eine aufgehobene ist; daß
nemlich die Grenze ein Jenseits hat, mit dem sie in Be-
ziehung steht, wohin über sie hinauszugehen ist, worin
aber wieder eine solche Grenze entsteht, die keine ist.

Die Auflösung dieser Antinomien ist, wie die
der obigen, transcendental, das heißt, sie besteht in der
Behauptung der Idealität des Raums und der Zeit, als
Formen der Anschauung, in dem Sinne, daß die Welt
an ihr selbst nicht im Widerspruch mit sich, nicht ein sich
aufhebendes, sondern das Bewußtseyn in seinem An-
schauen und in der Beziehung der Anschauung auf Ver-
stand und Vernunft, ein sich selbst widersprechendes We-
sen sey.

3.
Unendlichkeit des Quantums.

1. Das unendliche Quantum, als unend-
lichgroßes
oder unendlichkleines, ist selbst der
unendliche Progreß; es ist Quantum als ein Großes oder
Kleines, und ist Nichtseyn des Quantums als Unendli-
ches. Das Unendlichgroße und Unendlichkleine sind da-
her Bilder der Vorstellung, die bey näherer Betrach-

tung

Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
derntheils das Verhaͤltniß der Welt zu ihm, das
heißt die Continuitaͤt derſelben in ihm, oder die Erfuͤllung
deſſelben; welcher Widerſpruch, der Raum zugleich als
leer und zugleich als erfuͤllt, der unendliche Progreß des
Daſeyns im Raume iſt. Aber dieſer Widerſpruch ſelbſt,
das Verhaͤltniß der Welt zum leeren Raume, iſt im Be-
weiſe direct angenommen.

Die Theſis und Antitheſis und die Beweiſe derſel-
ben ſtellen daher nichts dar, als die entgegengeſetzten
Behauptungen, daß eine Grenze iſt, und daß die
Grenze eben ſo ſehr nur eine aufgehobene iſt; daß
nemlich die Grenze ein Jenſeits hat, mit dem ſie in Be-
ziehung ſteht, wohin uͤber ſie hinauszugehen iſt, worin
aber wieder eine ſolche Grenze entſteht, die keine iſt.

Die Aufloͤſung dieſer Antinomien iſt, wie die
der obigen, tranſcendental, das heißt, ſie beſteht in der
Behauptung der Idealitaͤt des Raums und der Zeit, als
Formen der Anſchauung, in dem Sinne, daß die Welt
an ihr ſelbſt nicht im Widerſpruch mit ſich, nicht ein ſich
aufhebendes, ſondern das Bewußtſeyn in ſeinem An-
ſchauen und in der Beziehung der Anſchauung auf Ver-
ſtand und Vernunft, ein ſich ſelbſt widerſprechendes We-
ſen ſey.

3.
Unendlichkeit des Quantums.

1. Das unendliche Quantum, als unend-
lichgroßes
oder unendlichkleines, iſt ſelbſt der
unendliche Progreß; es iſt Quantum als ein Großes oder
Kleines, und iſt Nichtſeyn des Quantums als Unendli-
ches. Das Unendlichgroße und Unendlichkleine ſind da-
her Bilder der Vorſtellung, die bey naͤherer Betrach-

tung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0248" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. <hi rendition="#aq">II</hi>. <hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
derntheils das <hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltniß</hi> der Welt zu ihm, das<lb/>
heißt die Continuita&#x0364;t der&#x017F;elben in ihm, oder die Erfu&#x0364;llung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben; welcher Wider&#x017F;pruch, der Raum zugleich als<lb/>
leer und zugleich als erfu&#x0364;llt, der unendliche Progreß des<lb/>
Da&#x017F;eyns im Raume i&#x017F;t. Aber die&#x017F;er Wider&#x017F;pruch &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
das Verha&#x0364;ltniß der Welt zum leeren Raume, i&#x017F;t im Be-<lb/>
wei&#x017F;e direct angenommen.</p><lb/>
                    <p>Die The&#x017F;is und Antithe&#x017F;is und die Bewei&#x017F;e der&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;tellen daher nichts dar, als die entgegenge&#x017F;etzten<lb/>
Behauptungen, daß eine <hi rendition="#g">Grenze</hi> i&#x017F;t, <hi rendition="#g">und</hi> daß die<lb/>
Grenze eben &#x017F;o &#x017F;ehr nur eine <hi rendition="#g">aufgehobene</hi> i&#x017F;t; daß<lb/>
nemlich die Grenze ein Jen&#x017F;eits hat, mit dem &#x017F;ie in Be-<lb/>
ziehung &#x017F;teht, wohin u&#x0364;ber &#x017F;ie hinauszugehen i&#x017F;t, worin<lb/>
aber wieder eine &#x017F;olche Grenze ent&#x017F;teht, die keine i&#x017F;t.</p><lb/>
                    <p>Die <hi rendition="#g">Auflo&#x0364;&#x017F;ung</hi> die&#x017F;er Antinomien i&#x017F;t, wie die<lb/>
der obigen, tran&#x017F;cendental, das heißt, &#x017F;ie be&#x017F;teht in der<lb/>
Behauptung der Idealita&#x0364;t des Raums und der Zeit, als<lb/>
Formen der An&#x017F;chauung, in dem Sinne, daß die Welt<lb/>
an ihr &#x017F;elb&#x017F;t nicht im Wider&#x017F;pruch mit &#x017F;ich, nicht ein &#x017F;ich<lb/>
aufhebendes, &#x017F;ondern das Bewußt&#x017F;eyn in &#x017F;einem An-<lb/>
&#x017F;chauen und in der Beziehung der An&#x017F;chauung auf Ver-<lb/>
&#x017F;tand und Vernunft, ein &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wider&#x017F;prechendes We-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ey.</p>
                  </div>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b">3.<lb/><hi rendition="#g">Unendlichkeit des Quantums</hi>.</hi> </head><lb/>
                  <p>1. Das <hi rendition="#g">unendliche Quantum</hi>, als <hi rendition="#g">unend-<lb/>
lichgroßes</hi> oder <hi rendition="#g">unendlichkleines</hi>, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t der<lb/>
unendliche Progreß; es i&#x017F;t Quantum als ein Großes oder<lb/>
Kleines, und i&#x017F;t Nicht&#x017F;eyn des Quantums als Unendli-<lb/>
ches. Das Unendlichgroße und Unendlichkleine &#x017F;ind da-<lb/>
her Bilder der Vor&#x017F;tellung, die bey na&#x0364;herer Betrach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0248] Erſtes Buch. II. Abſchnitt. derntheils das Verhaͤltniß der Welt zu ihm, das heißt die Continuitaͤt derſelben in ihm, oder die Erfuͤllung deſſelben; welcher Widerſpruch, der Raum zugleich als leer und zugleich als erfuͤllt, der unendliche Progreß des Daſeyns im Raume iſt. Aber dieſer Widerſpruch ſelbſt, das Verhaͤltniß der Welt zum leeren Raume, iſt im Be- weiſe direct angenommen. Die Theſis und Antitheſis und die Beweiſe derſel- ben ſtellen daher nichts dar, als die entgegengeſetzten Behauptungen, daß eine Grenze iſt, und daß die Grenze eben ſo ſehr nur eine aufgehobene iſt; daß nemlich die Grenze ein Jenſeits hat, mit dem ſie in Be- ziehung ſteht, wohin uͤber ſie hinauszugehen iſt, worin aber wieder eine ſolche Grenze entſteht, die keine iſt. Die Aufloͤſung dieſer Antinomien iſt, wie die der obigen, tranſcendental, das heißt, ſie beſteht in der Behauptung der Idealitaͤt des Raums und der Zeit, als Formen der Anſchauung, in dem Sinne, daß die Welt an ihr ſelbſt nicht im Widerſpruch mit ſich, nicht ein ſich aufhebendes, ſondern das Bewußtſeyn in ſeinem An- ſchauen und in der Beziehung der Anſchauung auf Ver- ſtand und Vernunft, ein ſich ſelbſt widerſprechendes We- ſen ſey. 3. Unendlichkeit des Quantums. 1. Das unendliche Quantum, als unend- lichgroßes oder unendlichkleines, iſt ſelbſt der unendliche Progreß; es iſt Quantum als ein Großes oder Kleines, und iſt Nichtſeyn des Quantums als Unendli- ches. Das Unendlichgroße und Unendlichkleine ſind da- her Bilder der Vorſtellung, die bey naͤherer Betrach- tung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/248
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/248>, abgerufen am 24.11.2024.