Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Quantität.
leere Zeit hinein, hebt diese dadurch auf, und setzt
somit das Daseyn ins Unendliche fort. Die
Welt ist ein Daseyn; der Beweis setzt voraus, daß
diß Daseyn entstehe, und das Entstehen eine in der
Zeit vorhergehende Bedingung habe. Darin
aber eben besteht die Antithesis selbst, daß es
kein unbedingtes Daseyn, keine absolute Grenze gebe,
sondern das wesentliche Daseyn immer eine vorher-
gehende Bedingung
fodere. Diese Bedingung ist
zugleich selbst bedingt; sie wird in der leeren Zeit ge-
sucht, was so viel heißt, als daß sie selbst als zeitlich
und somit als Daseyn, und beschränktes angenommen
wird. Ueberhaupt also ist die Annahme gemacht, daß
die Welt als Daseyn ein anderes Daseyn voraussetze und
so fort ins Unendliche.

Der Beweis in Ansehung der Unendlichkeit der Welt
im Raume ist dasselbe. Apogogischer Weise wird die
räumliche Endlichkeit der Welt angenommen; "sie befände
"sich somit in einem leeren unbegrenzten Raume, und
"hätte ein Verhältniß zu ihm; ein solches Verhält-
"niß der Welt zu keinem Gegenstande aber ist Nichts."

Was bewiesen werden sollte, ist hier im Beweise
gleichfalls direct vorausgesetzt. Es wird nemlich direct
angenommen, daß die begrenzte räumliche Welt sich in
einem leeren Raume befinden und ein Verhältniß
zu ihm haben sollte, das heißt, daß über sie hinaus-
gegangen
werden müsse, einerseits in das Leere, in
das Jenseits und Nichtseyn derselben, andererseits
aber daß sie damit im Verhältniß stehe, also sich
darein hinein continuire, und das Jenseits mit welt-
lichem Daseyn erfüllt vorzustellen sey. Was die Anti-
thesis behauptet, die Unendlichkeit der Welt im Raume,
ist nichts anderes, als einestheils der leere Raum, an-

dern-
P 2

Quantitaͤt.
leere Zeit hinein, hebt dieſe dadurch auf, und ſetzt
ſomit das Daſeyn ins Unendliche fort. Die
Welt iſt ein Daſeyn; der Beweis ſetzt voraus, daß
diß Daſeyn entſtehe, und das Entſtehen eine in der
Zeit vorhergehende Bedingung habe. Darin
aber eben beſteht die Antitheſis ſelbſt, daß es
kein unbedingtes Daſeyn, keine abſolute Grenze gebe,
ſondern das weſentliche Daſeyn immer eine vorher-
gehende Bedingung
fodere. Dieſe Bedingung iſt
zugleich ſelbſt bedingt; ſie wird in der leeren Zeit ge-
ſucht, was ſo viel heißt, als daß ſie ſelbſt als zeitlich
und ſomit als Daſeyn, und beſchraͤnktes angenommen
wird. Ueberhaupt alſo iſt die Annahme gemacht, daß
die Welt als Daſeyn ein anderes Daſeyn vorausſetze und
ſo fort ins Unendliche.

Der Beweis in Anſehung der Unendlichkeit der Welt
im Raume iſt daſſelbe. Apogogiſcher Weiſe wird die
raͤumliche Endlichkeit der Welt angenommen; „ſie befaͤnde
„ſich ſomit in einem leeren unbegrenzten Raume, und
„haͤtte ein Verhaͤltniß zu ihm; ein ſolches Verhaͤlt-
„niß der Welt zu keinem Gegenſtande aber iſt Nichts.“

Was bewieſen werden ſollte, iſt hier im Beweiſe
gleichfalls direct vorausgeſetzt. Es wird nemlich direct
angenommen, daß die begrenzte raͤumliche Welt ſich in
einem leeren Raume befinden und ein Verhaͤltniß
zu ihm haben ſollte, das heißt, daß uͤber ſie hinaus-
gegangen
werden muͤſſe, einerſeits in das Leere, in
das Jenſeits und Nichtſeyn derſelben, andererſeits
aber daß ſie damit im Verhaͤltniß ſtehe, alſo ſich
darein hinein continuire, und das Jenſeits mit welt-
lichem Daſeyn erfuͤllt vorzuſtellen ſey. Was die Anti-
theſis behauptet, die Unendlichkeit der Welt im Raume,
iſt nichts anderes, als einestheils der leere Raum, an-

dern-
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0247" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Quantita&#x0364;t</hi>.</fw><lb/><hi rendition="#g">leere Zeit</hi> hinein, hebt die&#x017F;e dadurch auf, und <hi rendition="#g">&#x017F;etzt</hi><lb/>
&#x017F;omit <hi rendition="#g">das Da&#x017F;eyn ins Unendliche fort</hi>. Die<lb/>
Welt i&#x017F;t ein Da&#x017F;eyn; der Beweis <hi rendition="#g">&#x017F;etzt voraus</hi>, daß<lb/>
diß Da&#x017F;eyn <hi rendition="#g">ent&#x017F;tehe</hi>, und das Ent&#x017F;tehen eine in der<lb/>
Zeit <hi rendition="#g">vorhergehende Bedingung</hi> habe. <hi rendition="#g">Darin</hi><lb/>
aber eben <hi rendition="#g">be&#x017F;teht die Antithe&#x017F;is</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, daß es<lb/>
kein unbedingtes Da&#x017F;eyn, keine ab&#x017F;olute Grenze gebe,<lb/>
&#x017F;ondern das we&#x017F;entliche Da&#x017F;eyn immer eine <hi rendition="#g">vorher-<lb/>
gehende Bedingung</hi> fodere. Die&#x017F;e Bedingung i&#x017F;t<lb/>
zugleich &#x017F;elb&#x017F;t bedingt; &#x017F;ie wird in der leeren Zeit ge-<lb/>
&#x017F;ucht, was &#x017F;o viel heißt, als daß &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t als zeitlich<lb/>
und &#x017F;omit als Da&#x017F;eyn, und be&#x017F;chra&#x0364;nktes angenommen<lb/>
wird. Ueberhaupt al&#x017F;o i&#x017F;t die Annahme gemacht, daß<lb/>
die Welt als Da&#x017F;eyn ein anderes Da&#x017F;eyn voraus&#x017F;etze und<lb/>
&#x017F;o fort ins Unendliche.</p><lb/>
                    <p>Der Beweis in An&#x017F;ehung der Unendlichkeit der Welt<lb/>
im <hi rendition="#g">Raume</hi> i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe. Apogogi&#x017F;cher Wei&#x017F;e wird die<lb/>
ra&#x0364;umliche Endlichkeit der Welt angenommen; &#x201E;&#x017F;ie befa&#x0364;nde<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich &#x017F;omit in einem leeren unbegrenzten Raume, und<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tte ein <hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltniß</hi> zu ihm; ein &#x017F;olches Verha&#x0364;lt-<lb/>
&#x201E;niß der Welt zu <hi rendition="#g">keinem</hi> Gegen&#x017F;tande aber i&#x017F;t Nichts.&#x201C;</p><lb/>
                    <p>Was bewie&#x017F;en werden &#x017F;ollte, i&#x017F;t hier im Bewei&#x017F;e<lb/>
gleichfalls direct vorausge&#x017F;etzt. Es wird nemlich direct<lb/>
angenommen, daß die begrenzte ra&#x0364;umliche Welt &#x017F;ich in<lb/>
einem leeren Raume befinden und ein <hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltniß</hi><lb/>
zu ihm haben &#x017F;ollte, das heißt, daß u&#x0364;ber &#x017F;ie <hi rendition="#g">hinaus-<lb/>
gegangen</hi> werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, einer&#x017F;eits in das Leere, in<lb/>
das Jen&#x017F;eits und <hi rendition="#g">Nicht&#x017F;eyn</hi> der&#x017F;elben, anderer&#x017F;eits<lb/>
aber daß &#x017F;ie damit im <hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltniß</hi> &#x017F;tehe, al&#x017F;o &#x017F;ich<lb/>
darein hinein <hi rendition="#g">continuire</hi>, und das Jen&#x017F;eits mit welt-<lb/>
lichem Da&#x017F;eyn erfu&#x0364;llt vorzu&#x017F;tellen &#x017F;ey. Was die Anti-<lb/>
the&#x017F;is behauptet, die Unendlichkeit der Welt im Raume,<lb/>
i&#x017F;t nichts anderes, als einestheils der leere Raum, an-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dern-</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0247] Quantitaͤt. leere Zeit hinein, hebt dieſe dadurch auf, und ſetzt ſomit das Daſeyn ins Unendliche fort. Die Welt iſt ein Daſeyn; der Beweis ſetzt voraus, daß diß Daſeyn entſtehe, und das Entſtehen eine in der Zeit vorhergehende Bedingung habe. Darin aber eben beſteht die Antitheſis ſelbſt, daß es kein unbedingtes Daſeyn, keine abſolute Grenze gebe, ſondern das weſentliche Daſeyn immer eine vorher- gehende Bedingung fodere. Dieſe Bedingung iſt zugleich ſelbſt bedingt; ſie wird in der leeren Zeit ge- ſucht, was ſo viel heißt, als daß ſie ſelbſt als zeitlich und ſomit als Daſeyn, und beſchraͤnktes angenommen wird. Ueberhaupt alſo iſt die Annahme gemacht, daß die Welt als Daſeyn ein anderes Daſeyn vorausſetze und ſo fort ins Unendliche. Der Beweis in Anſehung der Unendlichkeit der Welt im Raume iſt daſſelbe. Apogogiſcher Weiſe wird die raͤumliche Endlichkeit der Welt angenommen; „ſie befaͤnde „ſich ſomit in einem leeren unbegrenzten Raume, und „haͤtte ein Verhaͤltniß zu ihm; ein ſolches Verhaͤlt- „niß der Welt zu keinem Gegenſtande aber iſt Nichts.“ Was bewieſen werden ſollte, iſt hier im Beweiſe gleichfalls direct vorausgeſetzt. Es wird nemlich direct angenommen, daß die begrenzte raͤumliche Welt ſich in einem leeren Raume befinden und ein Verhaͤltniß zu ihm haben ſollte, das heißt, daß uͤber ſie hinaus- gegangen werden muͤſſe, einerſeits in das Leere, in das Jenſeits und Nichtſeyn derſelben, andererſeits aber daß ſie damit im Verhaͤltniß ſtehe, alſo ſich darein hinein continuire, und das Jenſeits mit welt- lichem Daſeyn erfuͤllt vorzuſtellen ſey. Was die Anti- theſis behauptet, die Unendlichkeit der Welt im Raume, iſt nichts anderes, als einestheils der leere Raum, an- dern- P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/247
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/247>, abgerufen am 24.11.2024.