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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Anhang.

Ernste Gefahren für die europäische Ruhe tauchen hin und
wieder schon in Schattenbildern auf. Im Orient sind es die be-
kannten Verhältnisse des osmanischen Reiches, welche unvermeid-
lich zu europäischen Complicationen führen werden, ohne daß schon
ein Ableitungsmittel gefunden ist. Jede Combination des Rechts
fehlt dabei; die Gründung eines eigenen christlichen Reiches auf
jenem Boden wäre die einzig zulässige Idee, womit sich alle euro-
päische Staaten einverstanden erklären können. Eine andere Ge-
fahr liegt in der consequenten Weiterverbreitung des Panslavismus,
auf einem Boden vorzüglich, wo er die griechische Kirche zu seiner
Unterstützung findet; aber er hat darum noch nicht das Recht für
sich. Im Westen bleibt das Monopol des Welthandels, nebenbei
das Princip der Revolution im Innern der Staaten ein dauern-
des Motiv des Mißtrauens und ein Heerd des Krieges. Weni-
ger das kirchliche Interesse unmittelbar, wenn nicht schwere Ein-
griffe in den Bestand einer Kirche gemacht werden.

Kann die Politik der Einzelstaaten nicht die Fälle einer künf-
tigen Thätigkeit genau voraussehen, so muß sie doch gefaßt sein
auf jene Gefahren und die Kräfte kennen, gegen die sie zu han-
deln veranlaßt sein kann, so wie ihre eigenen, womit sie die Ge-
fahren zu bekämpfen vermag. Ihr mächtigster Schirm und He-
bel ist Nationaleinheit und Willensregsamkeit.

Messen wir die Staaten nach diesem Fundament, so giebt es
wohl kaum eine Großmacht mit vollkommener Einheit aller natio-
nalen Elemente, ohne durch einzelne widerstrebende Theile durch-
brochen zu sein. Die meiste Einheit tragen in sich Rußland und
Frankreich, jedes in anderer Art. Dort nur Ein herrschender Wille,
Ein Schlagwort auf Tod und Leben für den großen Kern der Na-
tion, wenn es mit dessen Religion und Vorurtheilen harmonirt;
die etwanigen heterogenen Beimischungen und Zugaben zu diesem
Kerne sind zur Zeit nicht von der Intensität, um jenen Willen zu
hemmen. Eine noch vollkommnere Einheit bietet das französische
Volk dem Auslande gegenüber dar. Einheit der Nationalgesinnung,
influirt durch die Ehre seiner Geschichte, steht es frei und gleich in
seinem Innern; nur gewisse Familien- und Geldinteressen, so wie
die Gefahr allseitiger Reaction des Auslandes, legen der Politik
der Regierung Zügel an, wie dem ritterlichen Geist des Volkes.

Dann aber auch der Nachbar in Albion. Die Briten sind

Anhang.

Ernſte Gefahren für die europäiſche Ruhe tauchen hin und
wieder ſchon in Schattenbildern auf. Im Orient ſind es die be-
kannten Verhältniſſe des osmaniſchen Reiches, welche unvermeid-
lich zu europäiſchen Complicationen führen werden, ohne daß ſchon
ein Ableitungsmittel gefunden iſt. Jede Combination des Rechts
fehlt dabei; die Gründung eines eigenen chriſtlichen Reiches auf
jenem Boden wäre die einzig zuläſſige Idee, womit ſich alle euro-
päiſche Staaten einverſtanden erklären können. Eine andere Ge-
fahr liegt in der conſequenten Weiterverbreitung des Panſlavismus,
auf einem Boden vorzüglich, wo er die griechiſche Kirche zu ſeiner
Unterſtützung findet; aber er hat darum noch nicht das Recht für
ſich. Im Weſten bleibt das Monopol des Welthandels, nebenbei
das Princip der Revolution im Innern der Staaten ein dauern-
des Motiv des Mißtrauens und ein Heerd des Krieges. Weni-
ger das kirchliche Intereſſe unmittelbar, wenn nicht ſchwere Ein-
griffe in den Beſtand einer Kirche gemacht werden.

Kann die Politik der Einzelſtaaten nicht die Fälle einer künf-
tigen Thätigkeit genau vorausſehen, ſo muß ſie doch gefaßt ſein
auf jene Gefahren und die Kräfte kennen, gegen die ſie zu han-
deln veranlaßt ſein kann, ſo wie ihre eigenen, womit ſie die Ge-
fahren zu bekämpfen vermag. Ihr mächtigſter Schirm und He-
bel iſt Nationaleinheit und Willensregſamkeit.

Meſſen wir die Staaten nach dieſem Fundament, ſo giebt es
wohl kaum eine Großmacht mit vollkommener Einheit aller natio-
nalen Elemente, ohne durch einzelne widerſtrebende Theile durch-
brochen zu ſein. Die meiſte Einheit tragen in ſich Rußland und
Frankreich, jedes in anderer Art. Dort nur Ein herrſchender Wille,
Ein Schlagwort auf Tod und Leben für den großen Kern der Na-
tion, wenn es mit deſſen Religion und Vorurtheilen harmonirt;
die etwanigen heterogenen Beimiſchungen und Zugaben zu dieſem
Kerne ſind zur Zeit nicht von der Intenſität, um jenen Willen zu
hemmen. Eine noch vollkommnere Einheit bietet das franzöſiſche
Volk dem Auslande gegenüber dar. Einheit der Nationalgeſinnung,
influirt durch die Ehre ſeiner Geſchichte, ſteht es frei und gleich in
ſeinem Innern; nur gewiſſe Familien- und Geldintereſſen, ſo wie
die Gefahr allſeitiger Reaction des Auslandes, legen der Politik
der Regierung Zügel an, wie dem ritterlichen Geiſt des Volkes.

Dann aber auch der Nachbar in Albion. Die Briten ſind

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[405/0429] Anhang. Ernſte Gefahren für die europäiſche Ruhe tauchen hin und wieder ſchon in Schattenbildern auf. Im Orient ſind es die be- kannten Verhältniſſe des osmaniſchen Reiches, welche unvermeid- lich zu europäiſchen Complicationen führen werden, ohne daß ſchon ein Ableitungsmittel gefunden iſt. Jede Combination des Rechts fehlt dabei; die Gründung eines eigenen chriſtlichen Reiches auf jenem Boden wäre die einzig zuläſſige Idee, womit ſich alle euro- päiſche Staaten einverſtanden erklären können. Eine andere Ge- fahr liegt in der conſequenten Weiterverbreitung des Panſlavismus, auf einem Boden vorzüglich, wo er die griechiſche Kirche zu ſeiner Unterſtützung findet; aber er hat darum noch nicht das Recht für ſich. Im Weſten bleibt das Monopol des Welthandels, nebenbei das Princip der Revolution im Innern der Staaten ein dauern- des Motiv des Mißtrauens und ein Heerd des Krieges. Weni- ger das kirchliche Intereſſe unmittelbar, wenn nicht ſchwere Ein- griffe in den Beſtand einer Kirche gemacht werden. Kann die Politik der Einzelſtaaten nicht die Fälle einer künf- tigen Thätigkeit genau vorausſehen, ſo muß ſie doch gefaßt ſein auf jene Gefahren und die Kräfte kennen, gegen die ſie zu han- deln veranlaßt ſein kann, ſo wie ihre eigenen, womit ſie die Ge- fahren zu bekämpfen vermag. Ihr mächtigſter Schirm und He- bel iſt Nationaleinheit und Willensregſamkeit. Meſſen wir die Staaten nach dieſem Fundament, ſo giebt es wohl kaum eine Großmacht mit vollkommener Einheit aller natio- nalen Elemente, ohne durch einzelne widerſtrebende Theile durch- brochen zu ſein. Die meiſte Einheit tragen in ſich Rußland und Frankreich, jedes in anderer Art. Dort nur Ein herrſchender Wille, Ein Schlagwort auf Tod und Leben für den großen Kern der Na- tion, wenn es mit deſſen Religion und Vorurtheilen harmonirt; die etwanigen heterogenen Beimiſchungen und Zugaben zu dieſem Kerne ſind zur Zeit nicht von der Intenſität, um jenen Willen zu hemmen. Eine noch vollkommnere Einheit bietet das franzöſiſche Volk dem Auslande gegenüber dar. Einheit der Nationalgeſinnung, influirt durch die Ehre ſeiner Geſchichte, ſteht es frei und gleich in ſeinem Innern; nur gewiſſe Familien- und Geldintereſſen, ſo wie die Gefahr allſeitiger Reaction des Auslandes, legen der Politik der Regierung Zügel an, wie dem ritterlichen Geiſt des Volkes. Dann aber auch der Nachbar in Albion. Die Briten ſind

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/429>, abgerufen am 09.11.2024.