Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 69. Völkerrecht im Zustand des Friedens. dauernden Botmäßigkeit des Heimathstaates, so stellen sie ein Zube-hör der Staatsgewalt dar, welches von dieser seine eigene Verfassung erhält und regiert wird. Es kann aber auch eine Colonie unter der Botmäßigkeit eines auswärtigen Staates, wo die Niederlassung erfolgt, entstehen und verbleiben, während zugleich die Colonisten ihr heimathliches Bürgerrecht beibehalten und den Schutz des Mut- terlandes genießen. 1 Die nähere Bestimmung des rechtlichen Ver- hältnisses der Colonien macht besonders in Gegenden, wo noch keine ausgebildete Staatsgewalt organisirt ist, und dritten Staa- ten gegenüber, manche Schwierigkeit. 2 Der Besitzstand wird hier oft die alleinige Entscheidungsnorm sein. Erwerbsarten des Staatseigenthums. 69. Völkerrechtliche Erwerbsarten eines neuen Staatseigen- I. vertragmäßige Succession in das Recht des bisherigen Ei- genthümers, sie sei nun auf friedlichem Wege oder durch Krieg begründet worden. Das Eigenthum tritt hier jedoch erst in Kraft, sobald die Möglichkeit und der Wille des Er- werbenden vorhanden ist, über die Substanz der Sache, un- mittelbar und körperlich zu verfügen. Vorher besteht nur ein Eigenthumsanspruch, dessen Realisirung, wenn es sonst an den rechtlichen Bedingungen des Titels nicht fehlt, von Niemand gehindert werden kann, der aber selbst noch nicht selbständig zu entwickeln. Viele wurden blühend. Paraguay ist ein Bei- spiel neuerer Art. Vgl. Günther II, 132. Sonst aber hat meistens die neuere Politik die Colonisation als Schatzkammer für den Staat ausgebeu- tet oder monopolistisch ausbeuten lassen und die Hand zu sehr darüber be- halten. 1 S. überhaupt Groot II, 9, 10. und dazu Cocceji; Vattel I, 18. §. 210. 2 So z. B. bei den Europäischen Colonien an der Westküste von Afrika.
§. 69. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. dauernden Botmäßigkeit des Heimathſtaates, ſo ſtellen ſie ein Zube-hör der Staatsgewalt dar, welches von dieſer ſeine eigene Verfaſſung erhält und regiert wird. Es kann aber auch eine Colonie unter der Botmäßigkeit eines auswärtigen Staates, wo die Niederlaſſung erfolgt, entſtehen und verbleiben, während zugleich die Coloniſten ihr heimathliches Bürgerrecht beibehalten und den Schutz des Mut- terlandes genießen. 1 Die nähere Beſtimmung des rechtlichen Ver- hältniſſes der Colonien macht beſonders in Gegenden, wo noch keine ausgebildete Staatsgewalt organiſirt iſt, und dritten Staa- ten gegenüber, manche Schwierigkeit. 2 Der Beſitzſtand wird hier oft die alleinige Entſcheidungsnorm ſein. Erwerbsarten des Staatseigenthums. 69. Völkerrechtliche Erwerbsarten eines neuen Staatseigen- I. vertragmäßige Succeſſion in das Recht des bisherigen Ei- genthümers, ſie ſei nun auf friedlichem Wege oder durch Krieg begründet worden. Das Eigenthum tritt hier jedoch erſt in Kraft, ſobald die Möglichkeit und der Wille des Er- werbenden vorhanden iſt, über die Subſtanz der Sache, un- mittelbar und körperlich zu verfügen. Vorher beſteht nur ein Eigenthumsanſpruch, deſſen Realiſirung, wenn es ſonſt an den rechtlichen Bedingungen des Titels nicht fehlt, von Niemand gehindert werden kann, der aber ſelbſt noch nicht ſelbſtändig zu entwickeln. Viele wurden blühend. Paraguay iſt ein Bei- ſpiel neuerer Art. Vgl. Günther II, 132. Sonſt aber hat meiſtens die neuere Politik die Coloniſation als Schatzkammer für den Staat ausgebeu- tet oder monopoliſtiſch ausbeuten laſſen und die Hand zu ſehr darüber be- halten. 1 S. überhaupt Groot II, 9, 10. und dazu Cocceji; Vattel I, 18. §. 210. 2 So z. B. bei den Europäiſchen Colonien an der Weſtküſte von Afrika.
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§. 69. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
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hör der Staatsgewalt dar, welches von dieſer ſeine eigene Verfaſſung
erhält und regiert wird. Es kann aber auch eine Colonie unter
der Botmäßigkeit eines auswärtigen Staates, wo die Niederlaſſung
erfolgt, entſtehen und verbleiben, während zugleich die Coloniſten
ihr heimathliches Bürgerrecht beibehalten und den Schutz des Mut-
terlandes genießen. 1 Die nähere Beſtimmung des rechtlichen Ver-
hältniſſes der Colonien macht beſonders in Gegenden, wo noch
keine ausgebildete Staatsgewalt organiſirt iſt, und dritten Staa-
ten gegenüber, manche Schwierigkeit. 2 Der Beſitzſtand wird hier
oft die alleinige Entſcheidungsnorm ſein.
Erwerbsarten des Staatseigenthums.
69. Völkerrechtliche Erwerbsarten eines neuen Staatseigen-
thums können allein ſolche Handlungen und Begebenheiten ſein,
wodurch die ausſchließliche unmittelbare Verfügung über eine be-
ſtimmte Sache, insbeſondere über ein gewiſſes Gebiet dem Willen
einer Staatsgewalt (oder auch verſchiedenen Staatsgewalten in Ge-
meinſchaft) bleibend unterworfen wird, ohne Verletzung eines ſchon
vorhandenen ausſchließlichen Verfügungsrechtes; nämlich
I. vertragmäßige Succeſſion in das Recht des bisherigen Ei-
genthümers, ſie ſei nun auf friedlichem Wege oder durch
Krieg begründet worden. Das Eigenthum tritt hier jedoch
erſt in Kraft, ſobald die Möglichkeit und der Wille des Er-
werbenden vorhanden iſt, über die Subſtanz der Sache, un-
mittelbar und körperlich zu verfügen. Vorher beſteht nur
ein Eigenthumsanſpruch, deſſen Realiſirung, wenn es ſonſt
an den rechtlichen Bedingungen des Titels nicht fehlt, von
Niemand gehindert werden kann, der aber ſelbſt noch nicht
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1 S. überhaupt Groot II, 9, 10. und dazu Cocceji; Vattel I, 18. §. 210.
2 So z. B. bei den Europäiſchen Colonien an der Weſtküſte von Afrika.
4 ſelbſtändig zu entwickeln. Viele wurden blühend. Paraguay iſt ein Bei-
ſpiel neuerer Art. Vgl. Günther II, 132. Sonſt aber hat meiſtens die
neuere Politik die Coloniſation als Schatzkammer für den Staat ausgebeu-
tet oder monopoliſtiſch ausbeuten laſſen und die Hand zu ſehr darüber be-
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