Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Erstes Buch. §. 68. Staatsgewalt eines Landes als solche dergleichen Rechte erworbenhat. Sodann: die Zubehörungen des Landes selbst, d. h. alle die- jenigen Districte, welche, wenn auch außerhalb des hauptsächlichen Gebietszusammenhanges gelegen, ohne eigene Selbständigkeit unter derselben Verfassung und Regierung mit jenem stehen und daher auch unter derselben Benennung mit begriffen werden, nicht minder die ausdrücklich incorporirten Lande (§. 20. I.) Sonst aber kann ein Land als solches, ohne ausdrückliche Constituirung, keine auswär- tigen Zubehörungen haben; es folgt insbesondere nicht, daß, wenn einmal mit der Regierung eines gewissen Landes auswärtige Rechte und Besitzungen in Verbindung gestanden haben, solche auch Per- tinenzen des Landes seien und auf jeden Nachfolger in Besitz des letzteren übergehen müssen, wie die französische Reunionspraxis im siebzehnten Jahrhundert durchzusetzen suchte. 1 -- Nur was einer Staatsgewalt oder dem Staatsoberhaupt als solchem, nicht für sich als Privatperson oder für seine Familie, zugestanden hat, wird auf jeden Successor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen Staat übergehen; bei einer nur theilweisen Succession wird es von der Natur und dem Inhalt des Successionstitels abhangen, welche Pertinenzien der noch theilsweis fortdauernden bisherigen Staats- gewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden sol- len. Im Zweifel würden sie in Gemeinschaft verbleiben müssen. 2 Colonien3 aus einem Lande in einem fremden Lande ge- 1 Auf Grund des Münsterischen Friedens v. 1648. XI, 70. 2 Die Bestimmungen der Cessionsverträge haben schon sehr oft Zweifel in dieser Beziehung erregt. Vorsichtiger Weise wird man hier jeden zu gene- rellen Ausdruck lieber vermeiden. 3 Zur Geschichte der Colonisation bei den Alten vgl. Hegewisch, Nachr. die Colonien der Griechen betr. Altona 1808. Raoul-Rochette, histoire criti- que des colonies etc. Par. 1815. Heeren, Ideen z. Gesch. der Mensch- heit. -- Die Geschichte der neuern Colonisation liegt noch zerstreut in Spe- cialwerken. 4 Dies war meist die Politik der Griechen. Man überließ den Colonien sich
Erſtes Buch. §. 68. Staatsgewalt eines Landes als ſolche dergleichen Rechte erworbenhat. Sodann: die Zubehörungen des Landes ſelbſt, d. h. alle die- jenigen Diſtricte, welche, wenn auch außerhalb des hauptſächlichen Gebietszuſammenhanges gelegen, ohne eigene Selbſtändigkeit unter derſelben Verfaſſung und Regierung mit jenem ſtehen und daher auch unter derſelben Benennung mit begriffen werden, nicht minder die ausdrücklich incorporirten Lande (§. 20. I.) Sonſt aber kann ein Land als ſolches, ohne ausdrückliche Conſtituirung, keine auswär- tigen Zubehörungen haben; es folgt insbeſondere nicht, daß, wenn einmal mit der Regierung eines gewiſſen Landes auswärtige Rechte und Beſitzungen in Verbindung geſtanden haben, ſolche auch Per- tinenzen des Landes ſeien und auf jeden Nachfolger in Beſitz des letzteren übergehen müſſen, wie die franzöſiſche Reunionspraxis im ſiebzehnten Jahrhundert durchzuſetzen ſuchte. 1 — Nur was einer Staatsgewalt oder dem Staatsoberhaupt als ſolchem, nicht für ſich als Privatperſon oder für ſeine Familie, zugeſtanden hat, wird auf jeden Succeſſor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen Staat übergehen; bei einer nur theilweiſen Succeſſion wird es von der Natur und dem Inhalt des Succeſſionstitels abhangen, welche Pertinenzien der noch theilsweis fortdauernden bisherigen Staats- gewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden ſol- len. Im Zweifel würden ſie in Gemeinſchaft verbleiben müſſen. 2 Colonien3 aus einem Lande in einem fremden Lande ge- 1 Auf Grund des Münſteriſchen Friedens v. 1648. XI, 70. 2 Die Beſtimmungen der Ceſſionsverträge haben ſchon ſehr oft Zweifel in dieſer Beziehung erregt. Vorſichtiger Weiſe wird man hier jeden zu gene- rellen Ausdruck lieber vermeiden. 3 Zur Geſchichte der Coloniſation bei den Alten vgl. Hegewiſch, Nachr. die Colonien der Griechen betr. Altona 1808. Raoul-Rochette, histoire criti- que des colonies etc. Par. 1815. Heeren, Ideen z. Geſch. der Menſch- heit. — Die Geſchichte der neuern Coloniſation liegt noch zerſtreut in Spe- cialwerken. 4 Dies war meiſt die Politik der Griechen. Man überließ den Colonien ſich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0146" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Buch</hi>. §. 68.</fw><lb/> Staatsgewalt eines Landes als ſolche dergleichen Rechte erworben<lb/> hat. Sodann: die Zubehörungen des Landes ſelbſt, d. h. alle die-<lb/> jenigen Diſtricte, welche, wenn auch außerhalb des hauptſächlichen<lb/> Gebietszuſammenhanges gelegen, ohne eigene Selbſtändigkeit unter<lb/> derſelben Verfaſſung und Regierung mit jenem ſtehen und daher auch<lb/> unter derſelben Benennung mit begriffen werden, nicht minder die<lb/> ausdrücklich incorporirten Lande (§. 20. <hi rendition="#aq">I.</hi>) Sonſt aber kann ein<lb/> Land als ſolches, ohne ausdrückliche Conſtituirung, keine auswär-<lb/> tigen Zubehörungen haben; es folgt insbeſondere nicht, daß, wenn<lb/> einmal mit der Regierung eines gewiſſen Landes auswärtige Rechte<lb/> und Beſitzungen in Verbindung geſtanden haben, ſolche auch Per-<lb/> tinenzen des Landes ſeien und auf jeden Nachfolger in Beſitz des<lb/> letzteren übergehen müſſen, wie die franzöſiſche Reunionspraxis im<lb/> ſiebzehnten Jahrhundert durchzuſetzen ſuchte. <note place="foot" n="1">Auf Grund des Münſteriſchen Friedens v. 1648. <hi rendition="#aq">XI,</hi> 70.</note> — Nur was einer<lb/> Staatsgewalt oder dem Staatsoberhaupt als ſolchem, nicht für ſich<lb/> als Privatperſon oder für ſeine Familie, zugeſtanden hat, wird auf<lb/> jeden Succeſſor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen<lb/> Staat übergehen; bei einer nur theilweiſen Succeſſion wird es von<lb/> der Natur und dem Inhalt des Succeſſionstitels abhangen, welche<lb/> Pertinenzien der noch theilsweis fortdauernden bisherigen Staats-<lb/> gewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden ſol-<lb/> len. Im Zweifel würden ſie in Gemeinſchaft verbleiben müſſen. <note place="foot" n="2">Die Beſtimmungen der Ceſſionsverträge haben ſchon ſehr oft Zweifel in<lb/> dieſer Beziehung erregt. Vorſichtiger Weiſe wird man hier jeden zu gene-<lb/> rellen Ausdruck lieber vermeiden.</note></p><lb/> <p><hi rendition="#g">Colonien</hi><note place="foot" n="3">Zur Geſchichte der Coloniſation bei den Alten vgl. Hegewiſch, Nachr. die<lb/> Colonien der Griechen betr. Altona 1808. <hi rendition="#aq">Raoul-Rochette, histoire criti-<lb/> que des colonies etc. Par.</hi> 1815. Heeren, Ideen z. Geſch. der Menſch-<lb/> heit. — Die Geſchichte der neuern Coloniſation liegt noch zerſtreut in Spe-<lb/> cialwerken.</note> aus einem Lande in einem fremden Lande ge-<lb/> ſtiftet, ſind nicht ſofort Zubehörungen des Erſtern oder der dorti-<lb/> gen Staatsgewalt. Werden ſie durch auswandernde Unterthanen<lb/> nach Aufgebung des Mutterlandes auf einem völlig freien, Nie-<lb/> mandes Gewalt untergebenen oder doch von ihr erworbenen Gebiet<lb/> mit eigenen Kräften und Mitteln gegründet, ſo kann dadurch ein<lb/> eigener Staat entſtehen. <note xml:id="note-0146" next="#note-0147" place="foot" n="4">Dies war meiſt die Politik der Griechen. Man überließ den Colonien ſich</note> Bleiben ſie unter der Autorität und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0146]
Erſtes Buch. §. 68.
Staatsgewalt eines Landes als ſolche dergleichen Rechte erworben
hat. Sodann: die Zubehörungen des Landes ſelbſt, d. h. alle die-
jenigen Diſtricte, welche, wenn auch außerhalb des hauptſächlichen
Gebietszuſammenhanges gelegen, ohne eigene Selbſtändigkeit unter
derſelben Verfaſſung und Regierung mit jenem ſtehen und daher auch
unter derſelben Benennung mit begriffen werden, nicht minder die
ausdrücklich incorporirten Lande (§. 20. I.) Sonſt aber kann ein
Land als ſolches, ohne ausdrückliche Conſtituirung, keine auswär-
tigen Zubehörungen haben; es folgt insbeſondere nicht, daß, wenn
einmal mit der Regierung eines gewiſſen Landes auswärtige Rechte
und Beſitzungen in Verbindung geſtanden haben, ſolche auch Per-
tinenzen des Landes ſeien und auf jeden Nachfolger in Beſitz des
letzteren übergehen müſſen, wie die franzöſiſche Reunionspraxis im
ſiebzehnten Jahrhundert durchzuſetzen ſuchte. 1 — Nur was einer
Staatsgewalt oder dem Staatsoberhaupt als ſolchem, nicht für ſich
als Privatperſon oder für ſeine Familie, zugeſtanden hat, wird auf
jeden Succeſſor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen
Staat übergehen; bei einer nur theilweiſen Succeſſion wird es von
der Natur und dem Inhalt des Succeſſionstitels abhangen, welche
Pertinenzien der noch theilsweis fortdauernden bisherigen Staats-
gewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden ſol-
len. Im Zweifel würden ſie in Gemeinſchaft verbleiben müſſen. 2
Colonien 3 aus einem Lande in einem fremden Lande ge-
ſtiftet, ſind nicht ſofort Zubehörungen des Erſtern oder der dorti-
gen Staatsgewalt. Werden ſie durch auswandernde Unterthanen
nach Aufgebung des Mutterlandes auf einem völlig freien, Nie-
mandes Gewalt untergebenen oder doch von ihr erworbenen Gebiet
mit eigenen Kräften und Mitteln gegründet, ſo kann dadurch ein
eigener Staat entſtehen. 4 Bleiben ſie unter der Autorität und
1 Auf Grund des Münſteriſchen Friedens v. 1648. XI, 70.
2 Die Beſtimmungen der Ceſſionsverträge haben ſchon ſehr oft Zweifel in
dieſer Beziehung erregt. Vorſichtiger Weiſe wird man hier jeden zu gene-
rellen Ausdruck lieber vermeiden.
3 Zur Geſchichte der Coloniſation bei den Alten vgl. Hegewiſch, Nachr. die
Colonien der Griechen betr. Altona 1808. Raoul-Rochette, histoire criti-
que des colonies etc. Par. 1815. Heeren, Ideen z. Geſch. der Menſch-
heit. — Die Geſchichte der neuern Coloniſation liegt noch zerſtreut in Spe-
cialwerken.
4 Dies war meiſt die Politik der Griechen. Man überließ den Colonien ſich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |