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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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1. Staatshändel in Europa a. 1740--1756.

Preußische Ansprüche auf die Schlesischen Herzogthümer:
1. Jägerndorf. Es gehörte vormals einem jüngern
Zweige der Churlinie; allein der Herzog Johann Georg
war, als Anhänger des Churfürsten von der Pfalz, Frie-
drich V., von dem Kayser Ferdinand II. 1623 in die Acht
erklärt; und weder er noch seine Erben restituirt. 2. Lieg-
nitz, Brieg
und Wohlau. Die Ansprüche gründeten
sich auf eine Erbverbrüderung von 1537 zwischen dem dama-
ligen Herzog, und Churfürst Joachim II., der jedoch Fer-
dinand I. als König von Böhmen und Oberlehnsherr wi-
dersprochen hatte. Nach Abgang des herzoglichen Hauses
1675 setzte sich Oestreich in Besitz; und 1686 entsagte ihnen
der Churfürst Friedrich Wilhelm gegen Abtretung des Schwi-
busser
Kreises; der jedoch durch einen geheimen Tractat
mit dem damaligen Churprinzen wieder Oestreich zugesi-
chert, und nach seinem Regierungsantritt wirklich 1695 abge-
treten wurde. -- Wie gegründet oder ungegründet diese
Ansprüche waren, so zeigt das ganze Benehmen Frie-
drich's
, daß er sie lieber mit den Waffen als durch Un-
terhandlung ausmachen wollte; denn nur so war ganz Schle-
sien zu gewinnen. -- Einfall in das fast wehrlose Land
Dec. 1740, und meist unblutige Einnahme bis zur Schlacht
bey Molwitz 10. April 1741.

10. Diese rasche Unternehmung Friedrich's
trug viel dazu bey, auch ein viel größeres Project
am Französischen Hofe zur Reife zu bringen;
nicht von dem dirigirenden Minister, Cardinal Fleu-
ry, sondern einer Hofpartie gefaßt, deren Häupter,
der Marschall Belleisle und sein Bruder, sich
dadurch geltend machen wollten. Es hatte nichts
geringeres zum Zweck, als mit der Entreißung der
Kayserkrone auch zugleich die Zertrümmerung der
Oestreichischen Monarchie.

11.
A a 3
1. Staatshaͤndel in Europa a. 1740--1756.

Preußiſche Anſpruͤche auf die Schleſiſchen Herzogthuͤmer:
1. Jaͤgerndorf. Es gehoͤrte vormals einem juͤngern
Zweige der Churlinie; allein der Herzog Johann Georg
war, als Anhaͤnger des Churfuͤrſten von der Pfalz, Frie-
drich V., von dem Kayſer Ferdinand II. 1623 in die Acht
erklaͤrt; und weder er noch ſeine Erben reſtituirt. 2. Lieg-
nitz, Brieg
und Wohlau. Die Anſpruͤche gruͤndeten
ſich auf eine Erbverbruͤderung von 1537 zwiſchen dem dama-
ligen Herzog, und Churfuͤrſt Joachim II., der jedoch Fer-
dinand I. als Koͤnig von Boͤhmen und Oberlehnsherr wi-
derſprochen hatte. Nach Abgang des herzoglichen Hauſes
1675 ſetzte ſich Oeſtreich in Beſitz; und 1686 entſagte ihnen
der Churfuͤrſt Friedrich Wilhelm gegen Abtretung des Schwi-
buſſer
Kreiſes; der jedoch durch einen geheimen Tractat
mit dem damaligen Churprinzen wieder Oeſtreich zugeſi-
chert, und nach ſeinem Regierungsantritt wirklich 1695 abge-
treten wurde. — Wie gegruͤndet oder ungegruͤndet dieſe
Anſpruͤche waren, ſo zeigt das ganze Benehmen Frie-
drich's
, daß er ſie lieber mit den Waffen als durch Un-
terhandlung ausmachen wollte; denn nur ſo war ganz Schle-
ſien zu gewinnen. — Einfall in das faſt wehrloſe Land
Dec. 1740, und meiſt unblutige Einnahme bis zur Schlacht
bey Molwitz 10. April 1741.

10. Dieſe raſche Unternehmung Friedrich's
trug viel dazu bey, auch ein viel groͤßeres Project
am Franzoͤſiſchen Hofe zur Reife zu bringen;
nicht von dem dirigirenden Miniſter, Cardinal Fleu-
ry, ſondern einer Hofpartie gefaßt, deren Haͤupter,
der Marſchall Belleisle und ſein Bruder, ſich
dadurch geltend machen wollten. Es hatte nichts
geringeres zum Zweck, als mit der Entreißung der
Kayſerkrone auch zugleich die Zertruͤmmerung der
Oeſtreichiſchen Monarchie.

11.
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[373/0411] 1. Staatshaͤndel in Europa a. 1740--1756. Preußiſche Anſpruͤche auf die Schleſiſchen Herzogthuͤmer: 1. Jaͤgerndorf. Es gehoͤrte vormals einem juͤngern Zweige der Churlinie; allein der Herzog Johann Georg war, als Anhaͤnger des Churfuͤrſten von der Pfalz, Frie- drich V., von dem Kayſer Ferdinand II. 1623 in die Acht erklaͤrt; und weder er noch ſeine Erben reſtituirt. 2. Lieg- nitz, Brieg und Wohlau. Die Anſpruͤche gruͤndeten ſich auf eine Erbverbruͤderung von 1537 zwiſchen dem dama- ligen Herzog, und Churfuͤrſt Joachim II., der jedoch Fer- dinand I. als Koͤnig von Boͤhmen und Oberlehnsherr wi- derſprochen hatte. Nach Abgang des herzoglichen Hauſes 1675 ſetzte ſich Oeſtreich in Beſitz; und 1686 entſagte ihnen der Churfuͤrſt Friedrich Wilhelm gegen Abtretung des Schwi- buſſer Kreiſes; der jedoch durch einen geheimen Tractat mit dem damaligen Churprinzen wieder Oeſtreich zugeſi- chert, und nach ſeinem Regierungsantritt wirklich 1695 abge- treten wurde. — Wie gegruͤndet oder ungegruͤndet dieſe Anſpruͤche waren, ſo zeigt das ganze Benehmen Frie- drich's, daß er ſie lieber mit den Waffen als durch Un- terhandlung ausmachen wollte; denn nur ſo war ganz Schle- ſien zu gewinnen. — Einfall in das faſt wehrloſe Land Dec. 1740, und meiſt unblutige Einnahme bis zur Schlacht bey Molwitz 10. April 1741. 10. Dieſe raſche Unternehmung Friedrich's trug viel dazu bey, auch ein viel groͤßeres Project am Franzoͤſiſchen Hofe zur Reife zu bringen; nicht von dem dirigirenden Miniſter, Cardinal Fleu- ry, ſondern einer Hofpartie gefaßt, deren Haͤupter, der Marſchall Belleisle und ſein Bruder, ſich dadurch geltend machen wollten. Es hatte nichts geringeres zum Zweck, als mit der Entreißung der Kayſerkrone auch zugleich die Zertruͤmmerung der Oeſtreichiſchen Monarchie. 11. A a 3

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/411>, abgerufen am 24.11.2024.