11. Kein Schein des Rechts konnte hier vor- gewandt werden; denn Frankreich hatte die prag- matische Sanction nicht bloß anerkannt, sondern ga- rantirt. Allein man glaubte den Zeitpunct zu se- hen, den alten Rival Frankreichs zu stürzen, und seine Provinzen vergeben zu können. Der zerrüttete Zustand der Oestreichischen Monarchie, und die Ge- wißheit, Verbündete finden zu können, lud dazu ein. Aber doch zeigte sich, daß die eignen Mittel schlecht berechnet waren; und wäre es gelungen, würde Frankreich selber dabey gewonnen haben? Die Herrschaft Europas, womit es sich schmeicheln mochte, war für seine damalige Lage ein leercs Phantom. Es hätten ganz andere Männer dazu gehört, diese zu behaupten, als Frankreich im Fel- de und im Cabinet aufweisen konnte!
Memoires pour servir a l' histoire de l' Europe depuis 1740 jusqu'a 1748. III Vol. 8. 1752. (par Mr. de Spohn). Ganz für das Interesse Frankreichs geschrieben.
12. Aber die Ungerechtigkeit selbst bedurfte doch einen Vorwand; und wenn man diesen in der Unterstützung fremder Ansprüche fand, so knüpf- te sich daran das Bedürfniß fremder Bündnisse. Schon hierin lag das stillschweigende Geständniß der Schwäche. Eine Macht, die sich zur Herr- scherin der übrigen erheben will, mag nur darauf Verzicht leisten, wenn sie es nicht durch eigne Kraft
kann.
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
11. Kein Schein des Rechts konnte hier vor- gewandt werden; denn Frankreich hatte die prag- matiſche Sanction nicht bloß anerkannt, ſondern ga- rantirt. Allein man glaubte den Zeitpunct zu ſe- hen, den alten Rival Frankreichs zu ſtuͤrzen, und ſeine Provinzen vergeben zu koͤnnen. Der zerruͤttete Zuſtand der Oeſtreichiſchen Monarchie, und die Ge- wißheit, Verbuͤndete finden zu koͤnnen, lud dazu ein. Aber doch zeigte ſich, daß die eignen Mittel ſchlecht berechnet waren; und waͤre es gelungen, wuͤrde Frankreich ſelber dabey gewonnen haben? Die Herrſchaft Europas, womit es ſich ſchmeicheln mochte, war fuͤr ſeine damalige Lage ein leercs Phantom. Es haͤtten ganz andere Maͤnner dazu gehoͤrt, dieſe zu behaupten, als Frankreich im Fel- de und im Cabinet aufweiſen konnte!
Mémoires pour ſervir à l' hiſtoire de l' Europe dépuis 1740 jusqu'à 1748. III Vol. 8. 1752. (par Mr. de Spohn). Ganz fuͤr das Intereſſe Frankreichs geſchrieben.
12. Aber die Ungerechtigkeit ſelbſt bedurfte doch einen Vorwand; und wenn man dieſen in der Unterſtuͤtzung fremder Anſpruͤche fand, ſo knuͤpf- te ſich daran das Beduͤrfniß fremder Buͤndniſſe. Schon hierin lag das ſtillſchweigende Geſtaͤndniß der Schwaͤche. Eine Macht, die ſich zur Herr- ſcherin der uͤbrigen erheben will, mag nur darauf Verzicht leiſten, wenn ſie es nicht durch eigne Kraft
kann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><pbfacs="#f0412"n="374"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/><p>11. Kein Schein des Rechts konnte hier vor-<lb/>
gewandt werden; denn Frankreich hatte die prag-<lb/>
matiſche Sanction nicht bloß anerkannt, ſondern ga-<lb/>
rantirt. Allein man glaubte den Zeitpunct zu ſe-<lb/>
hen, den alten Rival Frankreichs zu ſtuͤrzen, und<lb/>ſeine Provinzen vergeben zu koͤnnen. Der zerruͤttete<lb/>
Zuſtand der Oeſtreichiſchen Monarchie, und die Ge-<lb/>
wißheit, Verbuͤndete finden zu koͤnnen, lud dazu<lb/>
ein. Aber doch zeigte ſich, daß die eignen Mittel<lb/>ſchlecht berechnet waren; und waͤre es gelungen,<lb/>
wuͤrde Frankreich ſelber dabey gewonnen haben?<lb/>
Die Herrſchaft Europas, womit es ſich ſchmeicheln<lb/>
mochte, war fuͤr ſeine damalige Lage ein leercs<lb/>
Phantom. Es haͤtten ganz andere Maͤnner dazu<lb/>
gehoͤrt, dieſe zu behaupten, als Frankreich im Fel-<lb/>
de und im Cabinet aufweiſen konnte!</p><lb/><list><item><hirendition="#aq">Mémoires pour ſervir à l' hiſtoire de l' Europe dépuis 1740<lb/>
jusqu'à 1748. III Vol. 8. 1752. (par Mr. <hirendition="#k">de Spohn</hi>).</hi><lb/>
Ganz fuͤr das Intereſſe Frankreichs geſchrieben.</item></list><lb/><p>12. Aber die Ungerechtigkeit ſelbſt bedurfte<lb/>
doch einen <hirendition="#g">Vorwand</hi>; und wenn man dieſen in<lb/>
der Unterſtuͤtzung fremder Anſpruͤche fand, ſo knuͤpf-<lb/>
te ſich daran das Beduͤrfniß fremder Buͤndniſſe.<lb/>
Schon hierin lag das ſtillſchweigende Geſtaͤndniß<lb/>
der Schwaͤche. Eine Macht, die ſich zur Herr-<lb/>ſcherin der uͤbrigen erheben will, mag nur darauf<lb/>
Verzicht leiſten, wenn ſie es nicht durch eigne Kraft<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kann.</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[374/0412]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
11. Kein Schein des Rechts konnte hier vor-
gewandt werden; denn Frankreich hatte die prag-
matiſche Sanction nicht bloß anerkannt, ſondern ga-
rantirt. Allein man glaubte den Zeitpunct zu ſe-
hen, den alten Rival Frankreichs zu ſtuͤrzen, und
ſeine Provinzen vergeben zu koͤnnen. Der zerruͤttete
Zuſtand der Oeſtreichiſchen Monarchie, und die Ge-
wißheit, Verbuͤndete finden zu koͤnnen, lud dazu
ein. Aber doch zeigte ſich, daß die eignen Mittel
ſchlecht berechnet waren; und waͤre es gelungen,
wuͤrde Frankreich ſelber dabey gewonnen haben?
Die Herrſchaft Europas, womit es ſich ſchmeicheln
mochte, war fuͤr ſeine damalige Lage ein leercs
Phantom. Es haͤtten ganz andere Maͤnner dazu
gehoͤrt, dieſe zu behaupten, als Frankreich im Fel-
de und im Cabinet aufweiſen konnte!
Mémoires pour ſervir à l' hiſtoire de l' Europe dépuis 1740
jusqu'à 1748. III Vol. 8. 1752. (par Mr. de Spohn).
Ganz fuͤr das Intereſſe Frankreichs geſchrieben.
12. Aber die Ungerechtigkeit ſelbſt bedurfte
doch einen Vorwand; und wenn man dieſen in
der Unterſtuͤtzung fremder Anſpruͤche fand, ſo knuͤpf-
te ſich daran das Beduͤrfniß fremder Buͤndniſſe.
Schon hierin lag das ſtillſchweigende Geſtaͤndniß
der Schwaͤche. Eine Macht, die ſich zur Herr-
ſcherin der uͤbrigen erheben will, mag nur darauf
Verzicht leiſten, wenn ſie es nicht durch eigne Kraft
kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/412>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.