5. Diese Ideen wurden aber recht practisch wichtig, weil die Regierungen die ganze Lenkung der Nationalthätigkeit -- also vor allem des Handels und der Kunst-Industrie -- aber auch was sonst nicht? -- sich zuzueignen kein Bedenken trugen. Es geschah dies theils durch Anlage pri- vilegirter Fabriken, theils durch Zolltarife, theils durch gänzliche Verbote von Einfuhr oder Ausfuhr mancherley Artikel. Man mochte schlecht, man mochte theuer kaufen, wenn nur das Geld im Lande blieb; selbst Kenntnisse und Einsichten soll- ten nur im Lande fabricirt und geholt werden dür- fen! So bildete sich, indem man die ersten Grundbegriffe von Geld, von Handel, von Einfluß der Regierung darauf gänzlich verkannte, indem man die ganz verschiedenen Sphären von politischer und mercantilischer Unabhängigkeit mit einander ver- wechselte, ein Isolirungssystem, dem zu Folge jeder Staat sich möglichst selbst genug seyn, nicht kaufen, sondern nur verkaufen sollte. Sonderbare Inconsequenz! Gerade in dem Zeitalter, wo jede Regierung Handel haben wollte, arbeiteten alle dahin, den Handel möglichst zu vernichten!
6. Auf den ersten Blick mag es räthselhaft scheinen, wie dennoch in diesem Zeitalter sich der Handel so mächtig heben, und eine nie gesehene
Höhe
II. Periode.
5. Dieſe Ideen wurden aber recht practiſch wichtig, weil die Regierungen die ganze Lenkung der Nationalthaͤtigkeit — alſo vor allem des Handels und der Kunſt-Induſtrie — aber auch was ſonſt nicht? — ſich zuzueignen kein Bedenken trugen. Es geſchah dies theils durch Anlage pri- vilegirter Fabriken, theils durch Zolltarife, theils durch gaͤnzliche Verbote von Einfuhr oder Ausfuhr mancherley Artikel. Man mochte ſchlecht, man mochte theuer kaufen, wenn nur das Geld im Lande blieb; ſelbſt Kenntniſſe und Einſichten ſoll- ten nur im Lande fabricirt und geholt werden duͤr- fen! So bildete ſich, indem man die erſten Grundbegriffe von Geld, von Handel, von Einfluß der Regierung darauf gaͤnzlich verkannte, indem man die ganz verſchiedenen Sphaͤren von politiſcher und mercantiliſcher Unabhaͤngigkeit mit einander ver- wechſelte, ein Iſolirungsſyſtem, dem zu Folge jeder Staat ſich moͤglichſt ſelbſt genug ſeyn, nicht kaufen, ſondern nur verkaufen ſollte. Sonderbare Inconſequenz! Gerade in dem Zeitalter, wo jede Regierung Handel haben wollte, arbeiteten alle dahin, den Handel moͤglichſt zu vernichten!
6. Auf den erſten Blick mag es raͤthſelhaft ſcheinen, wie dennoch in dieſem Zeitalter ſich der Handel ſo maͤchtig heben, und eine nie geſehene
Hoͤhe
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II. Periode.
5. Dieſe Ideen wurden aber recht practiſch
wichtig, weil die Regierungen die ganze Lenkung
der Nationalthaͤtigkeit — alſo vor allem des
Handels und der Kunſt-Induſtrie — aber auch
was ſonſt nicht? — ſich zuzueignen kein Bedenken
trugen. Es geſchah dies theils durch Anlage pri-
vilegirter Fabriken, theils durch Zolltarife, theils
durch gaͤnzliche Verbote von Einfuhr oder Ausfuhr
mancherley Artikel. Man mochte ſchlecht, man
mochte theuer kaufen, wenn nur das Geld im
Lande blieb; ſelbſt Kenntniſſe und Einſichten ſoll-
ten nur im Lande fabricirt und geholt werden duͤr-
fen! So bildete ſich, indem man die erſten
Grundbegriffe von Geld, von Handel, von Einfluß
der Regierung darauf gaͤnzlich verkannte, indem
man die ganz verſchiedenen Sphaͤren von politiſcher
und mercantiliſcher Unabhaͤngigkeit mit einander ver-
wechſelte, ein Iſolirungsſyſtem, dem zu Folge
jeder Staat ſich moͤglichſt ſelbſt genug ſeyn, nicht
kaufen, ſondern nur verkaufen ſollte. Sonderbare
Inconſequenz! Gerade in dem Zeitalter, wo jede
Regierung Handel haben wollte, arbeiteten alle
dahin, den Handel moͤglichſt zu vernichten!
6. Auf den erſten Blick mag es raͤthſelhaft
ſcheinen, wie dennoch in dieſem Zeitalter ſich der
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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