Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

nur Kinder aus denjenigen Provinzen des Preußischen Staats gelangen,
für welche noch keine Taubstummen-Anstalten gegründet sind.

§. 4. Wer die Aufnahme eines taubstummen Kindes in eine
Königl. Freistelle
nachsucht, hat über dessen persönliche Verhältnisse
genaue Auskunft zu geben und folgende Zeugnisse einzureichen:

a. den Taufschein des aufzunehmenden Kindes;
b. ein Dürftigkeits-Attest;
c. ein ärztliches Zeugniß, daß das Kind wirklich taub und stumm
sei und der Mangel der Sprache nur in einem Mangel des
Gehörs, nicht in einem Fehler der Sprachwerkzeuge oder in
Blödsinn seinen Grund habe; ferner, daß das taubstumme Kind
außer seiner Taubheit an keinem seiner Bildung hinderlichen Ge-
brechen, noch an einer langwierigen oder ansteckenden Krank-
heit leide;
d. ein Attest über die Bildungsfähigkeit des aufzunehmenden Kindes,
das entweder von dem Ortsgeistlichen oder einem des Taubstummen-
Unterrichts kundigen Lehrer auszustellen ist, falls das Kind nicht
zur Prüfung seiner Bildungsfähigkeit dem Director der Anstalt
persönlich vorgestellt werden kann.

§. 5. Diejenigen taubstummen Kinder, welche nach den beige-
brachten Zeugnissen aufnahmefähig erscheinen, werden in der Anwarter-
liste der Anstalt eingetragen, und bei eintretender Erledigung einer
Freistelle die geeignetsten unter den Anwartern zur Aufnahme ausge-
wählt. Die Eintragung eines taubstummen Kindes in die Anwarter-
liste kann nicht vor dem vollendeten fünften Lebensjahre, die Aufnahme
selbst nicht vor dem vollendeten siebenten und nicht nach dem voll-
endeten zwölften Lebensjahre des Kindes erfolgen, es sei denn, daß
der Anwarter bereits längere Zeit einen geregelten Unterricht in einer
Taubstummen-Anstalt oder bei einem des Taubstummen-Unterrichts
kundigen Lehrer erhalten hat, in welchem Falle die Aufnahme bis zum
vollendeten funfzehnten Lebensjahre Statt findet.

Die Eltern oder Vormünder der zur Aufnahme notirten Kinder
haben sich alljährlich eine Bescheinigung des Ortsgeistlichen darüber
zu erbitten, daß der Unterricht ihrer taubstummen Kinder oder Pflege-
befohlnen bei einem des Taubstummen-Unterrichts kundigen Lehrer, dessen
Name und Wohnort ausdrücklich anzugeben ist, regelmäßig und mit
Erfolg fortgesetzt worden sei. Diese Bescheinigung ist bis zum 1. Dec.

23

nur Kinder aus denjenigen Provinzen des Preußiſchen Staats gelangen,
für welche noch keine Taubſtummen-Anſtalten gegründet ſind.

§. 4. Wer die Aufnahme eines taubſtummen Kindes in eine
Königl. Freiſtelle
nachſucht, hat über deſſen perſönliche Verhältniſſe
genaue Auskunft zu geben und folgende Zeugniſſe einzureichen:

a. den Taufſchein des aufzunehmenden Kindes;
b. ein Dürftigkeits-Atteſt;
c. ein ärztliches Zeugniß, daß das Kind wirklich taub und ſtumm
ſei und der Mangel der Sprache nur in einem Mangel des
Gehörs, nicht in einem Fehler der Sprachwerkzeuge oder in
Blödſinn ſeinen Grund habe; ferner, daß das taubſtumme Kind
außer ſeiner Taubheit an keinem ſeiner Bildung hinderlichen Ge-
brechen, noch an einer langwierigen oder anſteckenden Krank-
heit leide;
d. ein Atteſt über die Bildungsfähigkeit des aufzunehmenden Kindes,
das entweder von dem Ortsgeiſtlichen oder einem des Taubſtummen-
Unterrichts kundigen Lehrer auszuſtellen iſt, falls das Kind nicht
zur Prüfung ſeiner Bildungsfähigkeit dem Director der Anſtalt
perſönlich vorgeſtellt werden kann.

§. 5. Diejenigen taubſtummen Kinder, welche nach den beige-
brachten Zeugniſſen aufnahmefähig erſcheinen, werden in der Anwarter-
liſte der Anſtalt eingetragen, und bei eintretender Erledigung einer
Freiſtelle die geeignetſten unter den Anwartern zur Aufnahme ausge-
wählt. Die Eintragung eines taubſtummen Kindes in die Anwarter-
liſte kann nicht vor dem vollendeten fünften Lebensjahre, die Aufnahme
ſelbſt nicht vor dem vollendeten ſiebenten und nicht nach dem voll-
endeten zwölften Lebensjahre des Kindes erfolgen, es ſei denn, daß
der Anwarter bereits längere Zeit einen geregelten Unterricht in einer
Taubſtummen-Anſtalt oder bei einem des Taubſtummen-Unterrichts
kundigen Lehrer erhalten hat, in welchem Falle die Aufnahme bis zum
vollendeten funfzehnten Lebensjahre Statt findet.

Die Eltern oder Vormünder der zur Aufnahme notirten Kinder
haben ſich alljährlich eine Beſcheinigung des Ortsgeiſtlichen darüber
zu erbitten, daß der Unterricht ihrer taubſtummen Kinder oder Pflege-
befohlnen bei einem des Taubſtummen-Unterrichts kundigen Lehrer, deſſen
Name und Wohnort ausdrücklich anzugeben iſt, regelmäßig und mit
Erfolg fortgeſetzt worden ſei. Dieſe Beſcheinigung iſt bis zum 1. Dec.

23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="353"/>
nur Kinder aus denjenigen Provinzen des Preußi&#x017F;chen Staats gelangen,<lb/>
für welche noch keine Taub&#x017F;tummen-An&#x017F;talten gegründet &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>§. 4. Wer die Aufnahme eines taub&#x017F;tummen Kindes <hi rendition="#g">in eine<lb/>
Königl. Frei&#x017F;telle</hi> nach&#x017F;ucht, hat über de&#x017F;&#x017F;en per&#x017F;önliche Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
genaue Auskunft zu geben und folgende Zeugni&#x017F;&#x017F;e einzureichen:</p><lb/>
          <list>
            <item><hi rendition="#aq">a.</hi> den Tauf&#x017F;chein des aufzunehmenden Kindes;</item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">b.</hi> ein Dürftigkeits-Atte&#x017F;t;</item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">c.</hi> ein ärztliches Zeugniß, daß das Kind wirklich taub und &#x017F;tumm<lb/>
&#x017F;ei und der Mangel der Sprache nur in einem Mangel des<lb/>
Gehörs, nicht in einem Fehler der Sprachwerkzeuge oder in<lb/>
Blöd&#x017F;inn &#x017F;einen Grund habe; ferner, daß das taub&#x017F;tumme Kind<lb/>
außer &#x017F;einer Taubheit an keinem &#x017F;einer Bildung hinderlichen Ge-<lb/>
brechen, noch an einer langwierigen oder an&#x017F;teckenden Krank-<lb/>
heit leide;</item><lb/>
            <item><hi rendition="#aq">d.</hi> ein Atte&#x017F;t über die Bildungsfähigkeit des aufzunehmenden Kindes,<lb/>
das entweder von dem Ortsgei&#x017F;tlichen oder einem des Taub&#x017F;tummen-<lb/>
Unterrichts kundigen Lehrer auszu&#x017F;tellen i&#x017F;t, falls das Kind nicht<lb/>
zur Prüfung &#x017F;einer Bildungsfähigkeit dem Director der An&#x017F;talt<lb/>
per&#x017F;önlich vorge&#x017F;tellt werden kann.</item>
          </list><lb/>
          <p>§. 5. Diejenigen taub&#x017F;tummen Kinder, welche nach den beige-<lb/>
brachten Zeugni&#x017F;&#x017F;en aufnahmefähig er&#x017F;cheinen, werden in der Anwarter-<lb/>
li&#x017F;te der An&#x017F;talt eingetragen, und bei eintretender Erledigung einer<lb/>
Frei&#x017F;telle die geeignet&#x017F;ten unter den Anwartern zur Aufnahme ausge-<lb/>
wählt. Die Eintragung eines taub&#x017F;tummen Kindes in die Anwarter-<lb/>
li&#x017F;te kann nicht <hi rendition="#g">vor</hi> dem vollendeten fünften Lebensjahre, die Aufnahme<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht vor dem vollendeten &#x017F;iebenten und nicht <hi rendition="#g">nach</hi> dem voll-<lb/>
endeten zwölften Lebensjahre des Kindes erfolgen, es &#x017F;ei denn, daß<lb/>
der Anwarter bereits längere Zeit einen geregelten Unterricht in einer<lb/>
Taub&#x017F;tummen-An&#x017F;talt oder bei einem des Taub&#x017F;tummen-Unterrichts<lb/>
kundigen Lehrer erhalten hat, in welchem Falle die Aufnahme bis zum<lb/>
vollendeten funfzehnten Lebensjahre Statt findet.</p><lb/>
          <p>Die Eltern oder Vormünder der zur Aufnahme notirten Kinder<lb/>
haben &#x017F;ich alljährlich eine Be&#x017F;cheinigung des Ortsgei&#x017F;tlichen darüber<lb/>
zu erbitten, daß der Unterricht ihrer taub&#x017F;tummen Kinder oder Pflege-<lb/>
befohlnen bei einem des Taub&#x017F;tummen-Unterrichts kundigen Lehrer, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Name und Wohnort ausdrücklich anzugeben i&#x017F;t, regelmäßig und mit<lb/>
Erfolg fortge&#x017F;etzt worden &#x017F;ei. Die&#x017F;e Be&#x017F;cheinigung i&#x017F;t bis zum 1. Dec.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">23</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0367] nur Kinder aus denjenigen Provinzen des Preußiſchen Staats gelangen, für welche noch keine Taubſtummen-Anſtalten gegründet ſind. §. 4. Wer die Aufnahme eines taubſtummen Kindes in eine Königl. Freiſtelle nachſucht, hat über deſſen perſönliche Verhältniſſe genaue Auskunft zu geben und folgende Zeugniſſe einzureichen: a. den Taufſchein des aufzunehmenden Kindes; b. ein Dürftigkeits-Atteſt; c. ein ärztliches Zeugniß, daß das Kind wirklich taub und ſtumm ſei und der Mangel der Sprache nur in einem Mangel des Gehörs, nicht in einem Fehler der Sprachwerkzeuge oder in Blödſinn ſeinen Grund habe; ferner, daß das taubſtumme Kind außer ſeiner Taubheit an keinem ſeiner Bildung hinderlichen Ge- brechen, noch an einer langwierigen oder anſteckenden Krank- heit leide; d. ein Atteſt über die Bildungsfähigkeit des aufzunehmenden Kindes, das entweder von dem Ortsgeiſtlichen oder einem des Taubſtummen- Unterrichts kundigen Lehrer auszuſtellen iſt, falls das Kind nicht zur Prüfung ſeiner Bildungsfähigkeit dem Director der Anſtalt perſönlich vorgeſtellt werden kann. §. 5. Diejenigen taubſtummen Kinder, welche nach den beige- brachten Zeugniſſen aufnahmefähig erſcheinen, werden in der Anwarter- liſte der Anſtalt eingetragen, und bei eintretender Erledigung einer Freiſtelle die geeignetſten unter den Anwartern zur Aufnahme ausge- wählt. Die Eintragung eines taubſtummen Kindes in die Anwarter- liſte kann nicht vor dem vollendeten fünften Lebensjahre, die Aufnahme ſelbſt nicht vor dem vollendeten ſiebenten und nicht nach dem voll- endeten zwölften Lebensjahre des Kindes erfolgen, es ſei denn, daß der Anwarter bereits längere Zeit einen geregelten Unterricht in einer Taubſtummen-Anſtalt oder bei einem des Taubſtummen-Unterrichts kundigen Lehrer erhalten hat, in welchem Falle die Aufnahme bis zum vollendeten funfzehnten Lebensjahre Statt findet. Die Eltern oder Vormünder der zur Aufnahme notirten Kinder haben ſich alljährlich eine Beſcheinigung des Ortsgeiſtlichen darüber zu erbitten, daß der Unterricht ihrer taubſtummen Kinder oder Pflege- befohlnen bei einem des Taubſtummen-Unterrichts kundigen Lehrer, deſſen Name und Wohnort ausdrücklich anzugeben iſt, regelmäßig und mit Erfolg fortgeſetzt worden ſei. Dieſe Beſcheinigung iſt bis zum 1. Dec. 23

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/367
Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/367>, abgerufen am 18.05.2024.