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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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Fällen aber und mit besonderer Wachsamkeit auf die in Dienste gege-
benen oder zu Fabrikarbeiten benutzten Kinder die Bestimmungen der
§§. 43--46. Tit. 12. Thl. II. des Allg. Landr. streng gehalten werde,
wobei das Ministerium noch bemerkt, daß baldigst über die Benutzung
der Kinder zu Fabrikarbeiten noch besondere Vorschriften werden er-
lassen werden, und endlich -- ad 6) daß die rechten Mittel zur Aus-
rottung der geheimen Sünden, besonders zur Verhinderung der
Ansteckung und zur Besserung der unglücklichen Verirrten angewendet
werden. Aus der Natur der Sache geht hervor und die Erfahrung
hat es hinlänglich bestätigt, daß, wo diese Laster vor der herannahenden
Entwickelung der Mannbarkeit sich zeigen, immer und nur mit den
allerseltensten Ausnahmen, Verführung ihre Quelle ist. Es bedarf
daher vor allen Dingen der Mittel zur Verhütung der Ansteckung.
Wo diese freilich in häuslichen Verhältnissen ihre Ursache hat, da ist
wenig auszurichten, desto mehr aber kann in Schulen und besonders
in Erziehungshäusern gethan werden. Ununterbrochene Wachsamkeit,
Verhinderung des heimlichen Beisammenseins, strenges Halten auf
Schamhaftigkeit in Wort und That und unnachsichtliche Strafe, wo
sie verletzt wird, werden ihre heilsamen Dienste nicht versagen. Viel
schwieriger jedoch ist die Entdeckung des Lasters bei den schon ge-
fallenen oder verführten Einzelnen, und es erfordert nicht geringe Er-
fahrung, Menschenkenntniß und Weisheit, um hier die rechten Maaß-
regeln nicht zu verfehlen. Zu welchen Mißgriffen ein liebloser oder
ungeduldiger oder unverständiger Eifer verleiten und in welcher Art
ein unweises Benehmen seinen Zweck zerstören, statt Offenheit und
Reue Verstocktheit und Hartnäckigkeit hervorbringen, oder gar bei un-
gegründetem Verdachte die Reinheit trüben, die Schamhaftigkeit ver-
letzen und gerade zur Bekanntschaft mit denjenigen Sünden führen
können, die vermeintlich gehoben werden sollen, darüber liefert die
Geschichte der neuern Pädagogik höchst traurige und fast unbegreifliche
Beläge. -- Es kann die Absicht dieser Verfügung nicht sein und ist
überall unmöglich, ein Verfahren näher bezeichnen zu wollen, welches
in jedem einzelnen Falle ganz aus der Persönlichkeit des Lehrers oder
Geistlichen und des einzelnen Kindes, aus dem Vertrauen und der
Liebe, welche jener einzuflößen und dieses zu haben vermag, und aus
individuellen Verhältnissen und augenblicklichen Veranlassungen hervor-
gehen muß; und nur im Allgemeinen kann hier angedeutet werden,

Fällen aber und mit beſonderer Wachſamkeit auf die in Dienſte gege-
benen oder zu Fabrikarbeiten benutzten Kinder die Beſtimmungen der
§§. 43—46. Tit. 12. Thl. II. des Allg. Landr. ſtreng gehalten werde,
wobei das Miniſterium noch bemerkt, daß baldigſt über die Benutzung
der Kinder zu Fabrikarbeiten noch beſondere Vorſchriften werden er-
laſſen werden, und endlich — ad 6) daß die rechten Mittel zur Aus-
rottung der geheimen Sünden, beſonders zur Verhinderung der
Anſteckung und zur Beſſerung der unglücklichen Verirrten angewendet
werden. Aus der Natur der Sache geht hervor und die Erfahrung
hat es hinlänglich beſtätigt, daß, wo dieſe Laſter vor der herannahenden
Entwickelung der Mannbarkeit ſich zeigen, immer und nur mit den
allerſeltenſten Ausnahmen, Verführung ihre Quelle iſt. Es bedarf
daher vor allen Dingen der Mittel zur Verhütung der Anſteckung.
Wo dieſe freilich in häuslichen Verhältniſſen ihre Urſache hat, da iſt
wenig auszurichten, deſto mehr aber kann in Schulen und beſonders
in Erziehungshäuſern gethan werden. Ununterbrochene Wachſamkeit,
Verhinderung des heimlichen Beiſammenſeins, ſtrenges Halten auf
Schamhaftigkeit in Wort und That und unnachſichtliche Strafe, wo
ſie verletzt wird, werden ihre heilſamen Dienſte nicht verſagen. Viel
ſchwieriger jedoch iſt die Entdeckung des Laſters bei den ſchon ge-
fallenen oder verführten Einzelnen, und es erfordert nicht geringe Er-
fahrung, Menſchenkenntniß und Weisheit, um hier die rechten Maaß-
regeln nicht zu verfehlen. Zu welchen Mißgriffen ein liebloſer oder
ungeduldiger oder unverſtändiger Eifer verleiten und in welcher Art
ein unweiſes Benehmen ſeinen Zweck zerſtören, ſtatt Offenheit und
Reue Verſtocktheit und Hartnäckigkeit hervorbringen, oder gar bei un-
gegründetem Verdachte die Reinheit trüben, die Schamhaftigkeit ver-
letzen und gerade zur Bekanntſchaft mit denjenigen Sünden führen
können, die vermeintlich gehoben werden ſollen, darüber liefert die
Geſchichte der neuern Pädagogik höchſt traurige und faſt unbegreifliche
Beläge. — Es kann die Abſicht dieſer Verfügung nicht ſein und iſt
überall unmöglich, ein Verfahren näher bezeichnen zu wollen, welches
in jedem einzelnen Falle ganz aus der Perſönlichkeit des Lehrers oder
Geiſtlichen und des einzelnen Kindes, aus dem Vertrauen und der
Liebe, welche jener einzuflößen und dieſes zu haben vermag, und aus
individuellen Verhältniſſen und augenblicklichen Veranlaſſungen hervor-
gehen muß; und nur im Allgemeinen kann hier angedeutet werden,

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[270/0284] Fällen aber und mit beſonderer Wachſamkeit auf die in Dienſte gege- benen oder zu Fabrikarbeiten benutzten Kinder die Beſtimmungen der §§. 43—46. Tit. 12. Thl. II. des Allg. Landr. ſtreng gehalten werde, wobei das Miniſterium noch bemerkt, daß baldigſt über die Benutzung der Kinder zu Fabrikarbeiten noch beſondere Vorſchriften werden er- laſſen werden, und endlich — ad 6) daß die rechten Mittel zur Aus- rottung der geheimen Sünden, beſonders zur Verhinderung der Anſteckung und zur Beſſerung der unglücklichen Verirrten angewendet werden. Aus der Natur der Sache geht hervor und die Erfahrung hat es hinlänglich beſtätigt, daß, wo dieſe Laſter vor der herannahenden Entwickelung der Mannbarkeit ſich zeigen, immer und nur mit den allerſeltenſten Ausnahmen, Verführung ihre Quelle iſt. Es bedarf daher vor allen Dingen der Mittel zur Verhütung der Anſteckung. Wo dieſe freilich in häuslichen Verhältniſſen ihre Urſache hat, da iſt wenig auszurichten, deſto mehr aber kann in Schulen und beſonders in Erziehungshäuſern gethan werden. Ununterbrochene Wachſamkeit, Verhinderung des heimlichen Beiſammenſeins, ſtrenges Halten auf Schamhaftigkeit in Wort und That und unnachſichtliche Strafe, wo ſie verletzt wird, werden ihre heilſamen Dienſte nicht verſagen. Viel ſchwieriger jedoch iſt die Entdeckung des Laſters bei den ſchon ge- fallenen oder verführten Einzelnen, und es erfordert nicht geringe Er- fahrung, Menſchenkenntniß und Weisheit, um hier die rechten Maaß- regeln nicht zu verfehlen. Zu welchen Mißgriffen ein liebloſer oder ungeduldiger oder unverſtändiger Eifer verleiten und in welcher Art ein unweiſes Benehmen ſeinen Zweck zerſtören, ſtatt Offenheit und Reue Verſtocktheit und Hartnäckigkeit hervorbringen, oder gar bei un- gegründetem Verdachte die Reinheit trüben, die Schamhaftigkeit ver- letzen und gerade zur Bekanntſchaft mit denjenigen Sünden führen können, die vermeintlich gehoben werden ſollen, darüber liefert die Geſchichte der neuern Pädagogik höchſt traurige und faſt unbegreifliche Beläge. — Es kann die Abſicht dieſer Verfügung nicht ſein und iſt überall unmöglich, ein Verfahren näher bezeichnen zu wollen, welches in jedem einzelnen Falle ganz aus der Perſönlichkeit des Lehrers oder Geiſtlichen und des einzelnen Kindes, aus dem Vertrauen und der Liebe, welche jener einzuflößen und dieſes zu haben vermag, und aus individuellen Verhältniſſen und augenblicklichen Veranlaſſungen hervor- gehen muß; und nur im Allgemeinen kann hier angedeutet werden,

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/284>, abgerufen am 18.05.2024.