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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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große dramatische Dichter, sondern auch wahre
Theater-Schriftsteller gewesen sein sollen, gespielt,
hat das Theater sie nicht längst fallen lassen und
dadurch bewiesen, daß es so wenig das Vortreffliche,
als das Nichtige, fest hält, geht daraus aber nicht mit
Evidenz hervor, daß nicht, wie diejenigen, die nur
halb wissen, worauf es ankommt, meinen, das fac-
tische Dargestelltwerden, das früher oder spä-
ter aufhört, ohne darum der Wirkung des Dich-
ters eine Gränze zu setzen, sondern die von mir
aus der Form als unbedingt nothwendig abgeleitete
und ihrem wahren Wesen nach bestimmte Darstell-
barkeit
über Werth und Bedeutung eines Dramas
entscheidet? Hiermit ist nun nicht bloß die naive
Seidelmann'sche Behauptung beseitigt, von der ich
zunächst ausging, und die eigentlich darauf hinaus-
läuft, daß ein poetisches Nichts, das sich in jeder
Facon, die der Künstler ihm aufzudrücken beliebt,
noch besser ausnimmt, als in der von Haus aus
mitgebrachten, der Willkür des genialen Schau-
spielers freieren Spielraum verstattet, als das zähe
poetische Etwas, an das er sich hingeben muß;
sondern es ist damit auch all das übrige Gerede,

große dramatiſche Dichter, ſondern auch wahre
Theater-Schriftſteller geweſen ſein ſollen, geſpielt,
hat das Theater ſie nicht längſt fallen laſſen und
dadurch bewieſen, daß es ſo wenig das Vortreffliche,
als das Nichtige, feſt hält, geht daraus aber nicht mit
Evidenz hervor, daß nicht, wie diejenigen, die nur
halb wiſſen, worauf es ankommt, meinen, das fac-
tiſche Dargeſtelltwerden, das früher oder ſpä-
ter aufhört, ohne darum der Wirkung des Dich-
ters eine Gränze zu ſetzen, ſondern die von mir
aus der Form als unbedingt nothwendig abgeleitete
und ihrem wahren Weſen nach beſtimmte Darſtell-
barkeit
über Werth und Bedeutung eines Dramas
entſcheidet? Hiermit iſt nun nicht bloß die naive
Seidelmann’ſche Behauptung beſeitigt, von der ich
zunächſt ausging, und die eigentlich darauf hinaus-
läuft, daß ein poetiſches Nichts, das ſich in jeder
Façon, die der Künſtler ihm aufzudrücken beliebt,
noch beſſer ausnimmt, als in der von Haus aus
mitgebrachten, der Willkür des genialen Schau-
ſpielers freieren Spielraum verſtattet, als das zähe
poetiſche Etwas, an das er ſich hingeben muß;
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[XXVIII/0048] große dramatiſche Dichter, ſondern auch wahre Theater-Schriftſteller geweſen ſein ſollen, geſpielt, hat das Theater ſie nicht längſt fallen laſſen und dadurch bewieſen, daß es ſo wenig das Vortreffliche, als das Nichtige, feſt hält, geht daraus aber nicht mit Evidenz hervor, daß nicht, wie diejenigen, die nur halb wiſſen, worauf es ankommt, meinen, das fac- tiſche Dargeſtelltwerden, das früher oder ſpä- ter aufhört, ohne darum der Wirkung des Dich- ters eine Gränze zu ſetzen, ſondern die von mir aus der Form als unbedingt nothwendig abgeleitete und ihrem wahren Weſen nach beſtimmte Darſtell- barkeit über Werth und Bedeutung eines Dramas entſcheidet? Hiermit iſt nun nicht bloß die naive Seidelmann’ſche Behauptung beſeitigt, von der ich zunächſt ausging, und die eigentlich darauf hinaus- läuft, daß ein poetiſches Nichts, das ſich in jeder Façon, die der Künſtler ihm aufzudrücken beliebt, noch beſſer ausnimmt, als in der von Haus aus mitgebrachten, der Willkür des genialen Schau- ſpielers freieren Spielraum verſtattet, als das zähe poetiſche Etwas, an das er ſich hingeben muß; ſondern es iſt damit auch all das übrige Gerede,

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/48>, abgerufen am 26.04.2024.