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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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rorismen, die Ihr darstellt, zur Rechenschaft zieht,
als ob es Eure eigenen wären, müßte, wenn er
Consequenz besäße, auch dem Richter, der dem Misse-
thäter das Verbrechen abfragt, um seine Stellung
zum Gesetz zu ermitteln, ja dem Geistlichen, der
Beichte hört, den Vorwurf machen, daß er sich mit
schmutzigen Dingen befasse, und Ihr seyd für Nichts,
für gar Nichts, verantwortlich, als für die Behand-
lung
, die, als eine freie, Eure subjective Unabhän-
gigkeit vom Gegenstand und Euer persönliches Un-
vermischtseyn
mit demselben hervor treten lassen
muß, und für das letzte Resultat, ja auch das
Resultat braucht nicht im Lanzen-Spitzen-Sinn die
Spitze Eures Werks zu seyn, es darf sich eben so
gut als Ausgangspunct eines Characters hinstellen,
wie als Ausgangspunct des ganzen Dramas, obgleich
freilich, wenn Letzteres der Fall ist, das Drama der
Form nach einen höheren Grad von Vollendung
für sich in Anspruch zu nehmen hat. Man kann,
wenn man sich genöthigt sieht, über Dinge, die Nie-
mandem ohne innere Erfahrung ganz verständlich
werden, zu sprechen, sich nicht genug gegen Miß-
deutung verwahren; ich füge also noch ausdrücklich

rorismen, die Ihr darſtellt, zur Rechenſchaft zieht,
als ob es Eure eigenen wären, müßte, wenn er
Conſequenz beſäße, auch dem Richter, der dem Miſſe-
thäter das Verbrechen abfragt, um ſeine Stellung
zum Geſetz zu ermitteln, ja dem Geiſtlichen, der
Beichte hört, den Vorwurf machen, daß er ſich mit
ſchmutzigen Dingen befaſſe, und Ihr ſeyd für Nichts,
für gar Nichts, verantwortlich, als für die Behand-
lung
, die, als eine freie, Eure ſubjective Unabhän-
gigkeit vom Gegenſtand und Euer perſönliches Un-
vermiſchtſeyn
mit demſelben hervor treten laſſen
muß, und für das letzte Reſultat, ja auch das
Reſultat braucht nicht im Lanzen-Spitzen-Sinn die
Spitze Eures Werks zu ſeyn, es darf ſich eben ſo
gut als Ausgangspunct eines Characters hinſtellen,
wie als Ausgangspunct des ganzen Dramas, obgleich
freilich, wenn Letzteres der Fall iſt, das Drama der
Form nach einen höheren Grad von Vollendung
für ſich in Anſpruch zu nehmen hat. Man kann,
wenn man ſich genöthigt ſieht, über Dinge, die Nie-
mandem ohne innere Erfahrung ganz verſtändlich
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[XIII/0033] rorismen, die Ihr darſtellt, zur Rechenſchaft zieht, als ob es Eure eigenen wären, müßte, wenn er Conſequenz beſäße, auch dem Richter, der dem Miſſe- thäter das Verbrechen abfragt, um ſeine Stellung zum Geſetz zu ermitteln, ja dem Geiſtlichen, der Beichte hört, den Vorwurf machen, daß er ſich mit ſchmutzigen Dingen befaſſe, und Ihr ſeyd für Nichts, für gar Nichts, verantwortlich, als für die Behand- lung, die, als eine freie, Eure ſubjective Unabhän- gigkeit vom Gegenſtand und Euer perſönliches Un- vermiſchtſeyn mit demſelben hervor treten laſſen muß, und für das letzte Reſultat, ja auch das Reſultat braucht nicht im Lanzen-Spitzen-Sinn die Spitze Eures Werks zu ſeyn, es darf ſich eben ſo gut als Ausgangspunct eines Characters hinſtellen, wie als Ausgangspunct des ganzen Dramas, obgleich freilich, wenn Letzteres der Fall iſt, das Drama der Form nach einen höheren Grad von Vollendung für ſich in Anſpruch zu nehmen hat. Man kann, wenn man ſich genöthigt ſieht, über Dinge, die Nie- mandem ohne innere Erfahrung ganz verſtändlich werden, zu ſprechen, ſich nicht genug gegen Miß- deutung verwahren; ich füge alſo noch ausdrücklich

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. XIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/33>, abgerufen am 18.04.2024.