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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Bäcker. Das haste gutt gemacht, sollst leben,
Moritz!
Welzel (hat den Kornschnaps gebracht. Auf dem Rückwege zum
Schenksims bleibt er stehn und wendet sich langsam in all seinem Phlegma und
seiner Massigkeit wieder den Webern zu. Mit eben soviel Ruhe als Nachdruck.)

Lasst Jhr den Herrn zufrieden, der hat Euch nischt
nich gethan.
Stimmen junger Weber. Mir thun 'n ja
auch nischt.

(Frau Welzel hat mit dem Reisenden einige Worte gewechselt. Sie nimmt die
Tasse mit dem Kaffeerest, und bringt sie in das Nebenstübchen. Der Reisende
folgt ihr dahin unter dem Gelächter der Weber.)
Stimmen junger Weber (singend). Die Herren
Dreißiger die Henker sind, die Diener ihre Schergen....
Welzel. Pscht, pscht! Das Lied singt, wo er
wollt. Ei mein' Hause duld ich's nich.
Erster alter Weber. A hat ganz Recht, laßt
Jhr das Singen.
Bäcker (schreit). Aber bei Dreißigern miß mer noch
amal vorbeiziehn. Der muß unser Lied noch amal
zu hörn kriegen.
Wiegand. Treibt's ock ni gar zu tolle, daß a
ni etwa amal falsch versteht!
(Gelächter und Hoho!!)
Der alte Wittig (ein grauhaariger Schmied, ohne Mütze, in
Schurzfell und Holzpantinen, russig, wie er aus der Werkstatt kommt, ist ein-
getreten und wartet am Schenksims stehend auf ein Glas Brantwein).
Laß
ock Du die geruhig a bissel a Theater machen. Die
Hunde, die de viel kläffen, beißen nich.
Stimmen alter Weber. Wittig, Wittig!
Wittig. Hie hengt a. Was gibbt's denn?
Stimmen alter Weber. "Wittig is da."
"Wittig, Wittig." "Komm her, Wittig, setz Dich zu
uns." "Komm her zu uns, Wittig."
Wittig. Jch wer mich in Obacht nehmen und
wer mich zu solchen Gothen setzen.
Jäger. Komm, trink amal mit.
Wittig. O behalt dir den'n Branntwein. Will
ich trinken, zahl ich 'n selber.
(Er setzt sich mit seinem Schnaps-
Bäcker. Das haſte gutt gemacht, ſollſt leben,
Moritz!
Welzel (hat den Kornſchnaps gebracht. Auf dem Rückwege zum
Schenkſims bleibt er ſtehn und wendet ſich langſam in all ſeinem Phlegma und
ſeiner Maſſigkeit wieder den Webern zu. Mit eben ſoviel Ruhe als Nachdruck.)

Laſſt Jhr den Herrn zufrieden, der hat Euch niſcht
nich gethan.
Stimmen junger Weber. Mir thun ’n ja
auch niſcht.

(Frau Welzel hat mit dem Reiſenden einige Worte gewechſelt. Sie nimmt die
Taſſe mit dem Kaffeereſt, und bringt ſie in das Nebenſtübchen. Der Reiſende
folgt ihr dahin unter dem Gelächter der Weber.)
Stimmen junger Weber (ſingend). Die Herren
Dreißiger die Henker ſind, die Diener ihre Schergen....
Welzel. Pſcht, pſcht! Das Lied ſingt, wo er
wollt. Ei mein’ Hauſe duld ich’s nich.
Erſter alter Weber. A hat ganz Recht, laßt
Jhr das Singen.
Bäcker (ſchreit). Aber bei Dreißigern miß mer noch
amal vorbeiziehn. Der muß unſer Lied noch amal
zu hörn kriegen.
Wiegand. Treibt’s ock ni gar zu tolle, daß a
ni etwa amal falſch verſteht!
(Gelächter und Hoho!!)
Der alte Wittig (ein grauhaariger Schmied, ohne Mütze, in
Schurzfell und Holzpantinen, ruſſig, wie er aus der Werkſtatt kommt, iſt ein-
getreten und wartet am Schenkſims ſtehend auf ein Glas Brantwein).
Laß
ock Du die geruhig a biſſel a Theater machen. Die
Hunde, die de viel kläffen, beißen nich.
Stimmen alter Weber. Wittig, Wittig!
Wittig. Hie hengt a. Was gibbt’s denn?
Stimmen alter Weber. „Wittig is da.“
„Wittig, Wittig.“ „Komm her, Wittig, ſetz Dich zu
uns.“ „Komm her zu uns, Wittig.“
Wittig. Jch wer mich in Obacht nehmen und
wer mich zu ſolchen Gothen ſetzen.
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[60/0073] Bäcker. Das haſte gutt gemacht, ſollſt leben, Moritz! Welzel (hat den Kornſchnaps gebracht. Auf dem Rückwege zum Schenkſims bleibt er ſtehn und wendet ſich langſam in all ſeinem Phlegma und ſeiner Maſſigkeit wieder den Webern zu. Mit eben ſoviel Ruhe als Nachdruck.) Laſſt Jhr den Herrn zufrieden, der hat Euch niſcht nich gethan. Stimmen junger Weber. Mir thun ’n ja auch niſcht. (Frau Welzel hat mit dem Reiſenden einige Worte gewechſelt. Sie nimmt die Taſſe mit dem Kaffeereſt, und bringt ſie in das Nebenſtübchen. Der Reiſende folgt ihr dahin unter dem Gelächter der Weber.) Stimmen junger Weber (ſingend). Die Herren Dreißiger die Henker ſind, die Diener ihre Schergen.... Welzel. Pſcht, pſcht! Das Lied ſingt, wo er wollt. Ei mein’ Hauſe duld ich’s nich. Erſter alter Weber. A hat ganz Recht, laßt Jhr das Singen. Bäcker (ſchreit). Aber bei Dreißigern miß mer noch amal vorbeiziehn. Der muß unſer Lied noch amal zu hörn kriegen. Wiegand. Treibt’s ock ni gar zu tolle, daß a ni etwa amal falſch verſteht! (Gelächter und Hoho!!) Der alte Wittig (ein grauhaariger Schmied, ohne Mütze, in Schurzfell und Holzpantinen, ruſſig, wie er aus der Werkſtatt kommt, iſt ein- getreten und wartet am Schenkſims ſtehend auf ein Glas Brantwein). Laß ock Du die geruhig a biſſel a Theater machen. Die Hunde, die de viel kläffen, beißen nich. Stimmen alter Weber. Wittig, Wittig! Wittig. Hie hengt a. Was gibbt’s denn? Stimmen alter Weber. „Wittig is da.“ „Wittig, Wittig.“ „Komm her, Wittig, ſetz Dich zu uns.“ „Komm her zu uns, Wittig.“ Wittig. Jch wer mich in Obacht nehmen und wer mich zu ſolchen Gothen ſetzen. Jäger. Komm, trink amal mit. Wittig. O behalt dir den’n Branntwein. Will ich trinken, zahl ich ’n ſelber. (Er ſetzt ſich mit ſeinem Schnaps-

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/73>, abgerufen am 28.04.2024.