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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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bin genug rumkommen bei da Leuten. Wenn man's
Kupsel Stick a vierzig Jahr uf'm Puckel gehabt hat,
da wird ma woll was wissen zu guder letzt. Wie
warsch denn mit Fullern? Die Kinder, die klaubten
mit Nachbarsch Gänsen im Miste rum. Gestorben sein
de Leute -- nackend -- uf a Fliesen im Hause.
Stinkende Schlichte habn se gefressen vor Himmels-
angst. Hingerafft hat se d'r Hunger zu hunderten
und aberhunderten.
Der Reisende. Wenn Sie lesen können, müssen
Sie doch auch wissen, daß die Regierung genaue
Nachforschungen hat anstelln lassen, und daß ...
Hornig. Das kennt man, das kennt man: Da
kommt so a Herr von d'r Regierung, der alles schon
besser weeß, wie wenn a's gesehn hätte, der geht a
so a bißl im Dorfe rum, wo de Bache ausfließt, und
de scheensten Häuser sein. De scheen'n blanken Schuhe,
die will a sich weiter ni beschmutzen. Da denkt a halt,
's wird woll ieberall a so scheen aussehn und steigt
in de Kutsche und fährt wieder heem. Und da schreibt
a nach Berlin, 's wär und wär eemal keene Not nich.
Wenn a aber und hätte a bissel Geduld gehabt und
wär in da Derfern nuf gestiegen, bis wo de Bache
eintritt, und ieber de Bache nieber uf de kleene Seite,
oder gar abseit wo de kleen'n eenzelnen Klitschen stehn,
die alten Schaubennester an a Bergen, die de manchmal
a so schwarz und hinfällig sein, daß s'n s'Streichhelzl
ni verlohnt um a so a Ding anzustecken, da wär a woll
andersch habn nach Berlin bericht't. Zu mir hätten se
solln kommen de Herrn von d'r Regierung, die's nich
haben globen wollen -- daß hier ne Noth wär. Jch
hätt'n amal was ufgezeicht. Jch wollt'n amal de Augen
ufkneppen in allen den Hungernestern hier nein.

(Man hört draußen das Weberlied singen.)
Welzel. Da singen se schonn wieder das
Teifelslied.
bin genug rumkommen bei da Leuten. Wenn man’s
Kupſel Stick a vierzig Jahr uf’m Puckel gehabt hat,
da wird ma woll was wiſſen zu guder letzt. Wie
warſch denn mit Fullern? Die Kinder, die klaubten
mit Nachbarſch Gänſen im Miſte rum. Geſtorben ſein
de Leute — nackend — uf a Flieſen im Hauſe.
Stinkende Schlichte habn ſe gefreſſen vor Himmels-
angſt. Hingerafft hat ſe d’r Hunger zu hunderten
und aberhunderten.
Der Reiſende. Wenn Sie leſen können, müſſen
Sie doch auch wiſſen, daß die Regierung genaue
Nachforſchungen hat anſtelln laſſen, und daß …
Hornig. Das kennt man, das kennt man: Da
kommt ſo a Herr von d’r Regierung, der alles ſchon
beſſer weeß, wie wenn a’s geſehn hätte, der geht a
ſo a bißl im Dorfe rum, wo de Bache ausfließt, und
de ſcheenſten Häuſer ſein. De ſcheen’n blanken Schuhe,
die will a ſich weiter ni beſchmutzen. Da denkt a halt,
’s wird woll ieberall a ſo ſcheen ausſehn und ſteigt
in de Kutſche und fährt wieder heem. Und da ſchreibt
a nach Berlin, ’s wär und wär eemal keene Not nich.
Wenn a aber und hätte a biſſel Geduld gehabt und
wär in da Derfern nuf geſtiegen, bis wo de Bache
eintritt, und ieber de Bache nieber uf de kleene Seite,
oder gar abſeit wo de kleen’n eenzelnen Klitſchen ſtehn,
die alten Schaubenneſter an a Bergen, die de manchmal
a ſo ſchwarz und hinfällig ſein, daß ſ’n ſ’Streichhelzl
ni verlohnt um a ſo a Ding anzuſtecken, da wär a woll
anderſch habn nach Berlin bericht’t. Zu mir hätten ſe
ſolln kommen de Herrn von d’r Regierung, die’s nich
haben globen wollen — daß hier ne Noth wär. Jch
hätt’n amal was ufgezeicht. Jch wollt’n amal de Augen
ufkneppen in allen den Hungerneſtern hier nein.

(Man hört draußen das Weberlied ſingen.)
Welzel. Da ſingen ſe ſchonn wieder das
Teifelslied.
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[58/0071] bin genug rumkommen bei da Leuten. Wenn man’s Kupſel Stick a vierzig Jahr uf’m Puckel gehabt hat, da wird ma woll was wiſſen zu guder letzt. Wie warſch denn mit Fullern? Die Kinder, die klaubten mit Nachbarſch Gänſen im Miſte rum. Geſtorben ſein de Leute — nackend — uf a Flieſen im Hauſe. Stinkende Schlichte habn ſe gefreſſen vor Himmels- angſt. Hingerafft hat ſe d’r Hunger zu hunderten und aberhunderten. Der Reiſende. Wenn Sie leſen können, müſſen Sie doch auch wiſſen, daß die Regierung genaue Nachforſchungen hat anſtelln laſſen, und daß … Hornig. Das kennt man, das kennt man: Da kommt ſo a Herr von d’r Regierung, der alles ſchon beſſer weeß, wie wenn a’s geſehn hätte, der geht a ſo a bißl im Dorfe rum, wo de Bache ausfließt, und de ſcheenſten Häuſer ſein. De ſcheen’n blanken Schuhe, die will a ſich weiter ni beſchmutzen. Da denkt a halt, ’s wird woll ieberall a ſo ſcheen ausſehn und ſteigt in de Kutſche und fährt wieder heem. Und da ſchreibt a nach Berlin, ’s wär und wär eemal keene Not nich. Wenn a aber und hätte a biſſel Geduld gehabt und wär in da Derfern nuf geſtiegen, bis wo de Bache eintritt, und ieber de Bache nieber uf de kleene Seite, oder gar abſeit wo de kleen’n eenzelnen Klitſchen ſtehn, die alten Schaubenneſter an a Bergen, die de manchmal a ſo ſchwarz und hinfällig ſein, daß ſ’n ſ’Streichhelzl ni verlohnt um a ſo a Ding anzuſtecken, da wär a woll anderſch habn nach Berlin bericht’t. Zu mir hätten ſe ſolln kommen de Herrn von d’r Regierung, die’s nich haben globen wollen — daß hier ne Noth wär. Jch hätt’n amal was ufgezeicht. Jch wollt’n amal de Augen ufkneppen in allen den Hungerneſtern hier nein. (Man hört draußen das Weberlied ſingen.) Welzel. Da ſingen ſe ſchonn wieder das Teifelslied.

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/71>, abgerufen am 22.11.2024.