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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Mutter Baumert. O ni a so viel, Heinrichen,
kee Kerndel Salz is mehr im Hause.
Frau Heinrich. Nu da wees ich nich! (Erhebt
sich, bleibt stehen, grübelt.)
Do wees ich wirklich nee! -- Da
kann ich m'r eemal nich helfen.
(Jn Wuth und Angst schreiend.) Jch
wär ja zufriede, wenn's uf Schweinfutter langte! --
Aber mit leeren Händn darf ich eemal nich heemkommen.
Das geht eemal nich. Da verzeih mersch Gott. Jch
weeß mer da eemal keen'n andern Rath nimehr.
(Sie
hinkt, links mit der Ferse nur auftretend, schnell hinaus.)
Mutter Baumert (ruft ihr warnend nach). Heinrichen,
Heinrichen! mach ni etwan ne Tummheit.
Bertha. Die thut sich kee leids an. Glob ock
du das nich.
Emma. A so machts doch die immer. (Sie sitzt
wieder am Stuhl und webt einige Sekunden.)
August (leuchtet mit dem brennenden Talglicht seinem Vater, dem
alten Baumert
, der sich mit einem Garnpack hereinschleppt, voran).
Mutter Baumert. O jees's, o jees's Mann,
wo bleibst ock du a so lange!?
Der alte Baumert. Na, beeß ock ni gleich.
Laß mich ock erscht a brinkl verblasen. Sieh lieber
dernach, wer de mitkommt.
Moritz Jäger (kommt gebückt durch die Thür. Ein strammer,
mittelgroßer, rothbäckiger Reservist, die Husarenmütze schief auf dem Kopf, ganze
Kleider und Schuhe auf dem Leibe, ein saubres Hemd ohne Kragen dazu. Ein-
getreten nimmt er Stellung und salutirt militärisch. Jn forschem Ton).
Gu'n
Abend, Muhme Baumert!
Mutter Baumert. Nu da, nu da! bist du
wieder zuhause? Hust du uns noch nich vergessen? Nu
da setz dich ock. Komm her, setz dich.
Emma (einen Holzstuhl mit dem Rocke säubernd und Jägern hin-
schiebend).
Gu'n Abend, Moritz! willst amal wieder
sehn, wie's bei armen Leuten aussieht?
Jäger. Nu sag m'r ock, Emma! ich wollt's ja
ni globn. Du hast ja a Jungl, das balde kann
Soldate werden. Wo hast d'r d'n den angeschafft?
Bertha, (die dem Vater die wenigen mitgebrachten Lebensmittel
Mutter Baumert. O ni a ſo viel, Heinrichen,
kee Kerndel Salz is mehr im Hauſe.
Frau Heinrich. Nu da wees ich nich! (Erhebt
ſich, bleibt ſtehen, grübelt.)
Do wees ich wirklich nee! — Da
kann ich m’r eemal nich helfen.
(Jn Wuth und Angſt ſchreiend.) Jch
wär ja zufriede, wenn’s uf Schweinfutter langte! —
Aber mit leeren Händn darf ich eemal nich heemkommen.
Das geht eemal nich. Da verzeih merſch Gott. Jch
weeß mer da eemal keen’n andern Rath nimehr.
(Sie
hinkt, links mit der Ferſe nur auftretend, ſchnell hinaus.)
Mutter Baumert (ruft ihr warnend nach). Heinrichen,
Heinrichen! mach ni etwan ne Tummheit.
Bertha. Die thut ſich kee leids an. Glob ock
du das nich.
Emma. A ſo machts doch die immer. (Sie ſitzt
wieder am Stuhl und webt einige Sekunden.)
Auguſt (leuchtet mit dem brennenden Talglicht ſeinem Vater, dem
alten Baumert
, der ſich mit einem Garnpack hereinſchleppt, voran).
Mutter Baumert. O jees’s, o jees’s Mann,
wo bleibſt ock du a ſo lange!?
Der alte Baumert. Na, beeß ock ni gleich.
Laß mich ock erſcht a brinkl verblaſen. Sieh lieber
dernach, wer de mitkommt.
Moritz Jäger (kommt gebückt durch die Thür. Ein ſtrammer,
mittelgroßer, rothbäckiger Reſerviſt, die Huſarenmütze ſchief auf dem Kopf, ganze
Kleider und Schuhe auf dem Leibe, ein ſaubres Hemd ohne Kragen dazu. Ein-
getreten nimmt er Stellung und ſalutirt militäriſch. Jn forſchem Ton).
Gu’n
Abend, Muhme Baumert!
Mutter Baumert. Nu da, nu da! biſt du
wieder zuhauſe? Huſt du uns noch nich vergeſſen? Nu
da ſetz dich ock. Komm her, ſetz dich.
Emma (einen Holzſtuhl mit dem Rocke ſäubernd und Jägern hin-
ſchiebend).
Gu’n Abend, Moritz! willſt amal wieder
ſehn, wie’s bei armen Leuten ausſieht?
Jäger. Nu ſag m’r ock, Emma! ich wollt’s ja
ni globn. Du haſt ja a Jungl, das balde kann
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[30/0043] Mutter Baumert. O ni a ſo viel, Heinrichen, kee Kerndel Salz is mehr im Hauſe. Frau Heinrich. Nu da wees ich nich! (Erhebt ſich, bleibt ſtehen, grübelt.) Do wees ich wirklich nee! — Da kann ich m’r eemal nich helfen. (Jn Wuth und Angſt ſchreiend.) Jch wär ja zufriede, wenn’s uf Schweinfutter langte! — Aber mit leeren Händn darf ich eemal nich heemkommen. Das geht eemal nich. Da verzeih merſch Gott. Jch weeß mer da eemal keen’n andern Rath nimehr. (Sie hinkt, links mit der Ferſe nur auftretend, ſchnell hinaus.) Mutter Baumert (ruft ihr warnend nach). Heinrichen, Heinrichen! mach ni etwan ne Tummheit. Bertha. Die thut ſich kee leids an. Glob ock du das nich. Emma. A ſo machts doch die immer. (Sie ſitzt wieder am Stuhl und webt einige Sekunden.) Auguſt (leuchtet mit dem brennenden Talglicht ſeinem Vater, dem alten Baumert, der ſich mit einem Garnpack hereinſchleppt, voran). Mutter Baumert. O jees’s, o jees’s Mann, wo bleibſt ock du a ſo lange!? Der alte Baumert. Na, beeß ock ni gleich. Laß mich ock erſcht a brinkl verblaſen. Sieh lieber dernach, wer de mitkommt. Moritz Jäger (kommt gebückt durch die Thür. Ein ſtrammer, mittelgroßer, rothbäckiger Reſerviſt, die Huſarenmütze ſchief auf dem Kopf, ganze Kleider und Schuhe auf dem Leibe, ein ſaubres Hemd ohne Kragen dazu. Ein- getreten nimmt er Stellung und ſalutirt militäriſch. Jn forſchem Ton). Gu’n Abend, Muhme Baumert! Mutter Baumert. Nu da, nu da! biſt du wieder zuhauſe? Huſt du uns noch nich vergeſſen? Nu da ſetz dich ock. Komm her, ſetz dich. Emma (einen Holzſtuhl mit dem Rocke ſäubernd und Jägern hin- ſchiebend). Gu’n Abend, Moritz! willſt amal wieder ſehn, wie’s bei armen Leuten ausſieht? Jäger. Nu ſag m’r ock, Emma! ich wollt’s ja ni globn. Du haſt ja a Jungl, das balde kann Soldate werden. Wo haſt d’r d’n den angeſchafft? Bertha, (die dem Vater die wenigen mitgebrachten Lebensmittel

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/43>, abgerufen am 25.04.2024.