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Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892.

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der nur willenlos sich fortbewegte. Von allem,
was ihn umgab, drang nichts mehr in sein
Bewußtsein außer dem Getrappel der Kinder¬
füßchen hinter ihm.

Gleichmäßig eine Zeit lang, schwoll es all¬
mählich an, wie wenn den Wenigen, die ihm
folgten Andere sich angeschlossen hätten. Und
stärker und stärker immer, als ob aus Einzelnen
Hunderte, aus Hunderten Tausende geworden
wären.

Ganz plötzlich wurde er aufmerksam, und
nun war es, als ob hinter ihm drein Heeres¬
massen sich wälzten.

In seinen Füßen bis in die Knöchel hinauf,
spürte er ein Erzittern des Erdreiches. Er ver¬
nahm hinter sich starkes Athmen, heißes, hastiges
Geflüster. Er vernahm Frohlocken, kurz ab¬
gerissen, halb unterdrückt, das sich weit zurück¬
fortpflanzte und erst in tiefen Fernen echohaft
erstarb.

Was das bedeutete, wußte er wohl. Daß
es so überraschend schnell kam, hatte er nicht
erwartet. Durch seine Glieder brannte der Stolz
eines Feldherrn und das Bewußtsein einer un¬
erhörten Verantwortung lastete nicht schwerer
auf ihm, wie der Strick auf seinem Kopfe. Er

der nur willenlos ſich fortbewegte. Von allem,
was ihn umgab, drang nichts mehr in ſein
Bewußtſein außer dem Getrappel der Kinder¬
füßchen hinter ihm.

Gleichmäßig eine Zeit lang, ſchwoll es all¬
mählich an, wie wenn den Wenigen, die ihm
folgten Andere ſich angeſchloſſen hätten. Und
ſtärker und ſtärker immer, als ob aus Einzelnen
Hunderte, aus Hunderten Tauſende geworden
wären.

Ganz plötzlich wurde er aufmerkſam, und
nun war es, als ob hinter ihm drein Heeres¬
maſſen ſich wälzten.

In ſeinen Füßen bis in die Knöchel hinauf,
ſpürte er ein Erzittern des Erdreiches. Er ver¬
nahm hinter ſich ſtarkes Athmen, heißes, haſtiges
Geflüſter. Er vernahm Frohlocken, kurz ab¬
geriſſen, halb unterdrückt, das ſich weit zurück¬
fortpflanzte und erſt in tiefen Fernen echohaft
erſtarb.

Was das bedeutete, wußte er wohl. Daß
es ſo überraſchend ſchnell kam, hatte er nicht
erwartet. Durch ſeine Glieder brannte der Stolz
eines Feldherrn und das Bewußtſein einer un¬
erhörten Verantwortung laſtete nicht ſchwerer
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[87/0101] der nur willenlos ſich fortbewegte. Von allem, was ihn umgab, drang nichts mehr in ſein Bewußtſein außer dem Getrappel der Kinder¬ füßchen hinter ihm. Gleichmäßig eine Zeit lang, ſchwoll es all¬ mählich an, wie wenn den Wenigen, die ihm folgten Andere ſich angeſchloſſen hätten. Und ſtärker und ſtärker immer, als ob aus Einzelnen Hunderte, aus Hunderten Tauſende geworden wären. Ganz plötzlich wurde er aufmerkſam, und nun war es, als ob hinter ihm drein Heeres¬ maſſen ſich wälzten. In ſeinen Füßen bis in die Knöchel hinauf, ſpürte er ein Erzittern des Erdreiches. Er ver¬ nahm hinter ſich ſtarkes Athmen, heißes, haſtiges Geflüſter. Er vernahm Frohlocken, kurz ab¬ geriſſen, halb unterdrückt, das ſich weit zurück¬ fortpflanzte und erſt in tiefen Fernen echohaft erſtarb. Was das bedeutete, wußte er wohl. Daß es ſo überraſchend ſchnell kam, hatte er nicht erwartet. Durch ſeine Glieder brannte der Stolz eines Feldherrn und das Bewußtſein einer un¬ erhörten Verantwortung laſtete nicht ſchwerer auf ihm, wie der Strick auf ſeinem Kopfe. Er

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Der Apostel. Bahnwärter Thiel. Novellistische Studien. Berlin, 1892, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_bahnwaerter_1892/101>, abgerufen am 22.11.2024.