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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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So stieg ich jede Mitternacht Zu ihrer Kammer nieder; Nur einmal hat sie aufgemacht, Jetzt will sie nimmer wieder; Und seit ich einmal sie geküßt, Mein Herz von Sehnsucht trunken ist, Nur einmal, Rosamunde, Küsse mich, daß es gesunde.

Ihr seid ein Schäker, Herr Bacchus! sagte Rosa, als er mit einem zärtlichen Triller geendet hatte. Ihr wißt wohl, daß mich Bürgermeister und Rath unter gar strenger Klausur halten und nicht erlauben, daß ich mit jedwedem mich einlasse.

Aber mir könntest du doch zuweilen das Kämmerlein öffnen, lieb Röschen! flüsterte Bacchus, mich gelüstet nach der süßen Speise deines Mundes.

Ihr seid ein Schelm! rief sie lachend. Ihr seid ein Türke und habt es mit vielen zugleich; meinet Ihr, ich wisse nicht, wie Ihr mit der leichtfertigen Französin scharmirt, mit dem Fräulein von Bordeaux, und mit dem Kreidengesicht, der Champagnerin; geht, geht, Ihr habt einen schlechten Charakter und verstehet Euch nicht auf treue deutsche Minne.

Ja, das sag' ich auch, rief Judas, und fuhr mit der langen knöchernen Hand nach der Hand der Jungfer Rose, das sag' ich auch; drum nehmet mich zu Eurem Galan, liebwertheste Jungfer, und lasset den kleinen, nackten Kerl seiner Französin nachziehen.

So stieg ich jede Mitternacht Zu ihrer Kammer nieder; Nur einmal hat sie aufgemacht, Jetzt will sie nimmer wieder; Und seit ich einmal sie geküßt, Mein Herz von Sehnsucht trunken ist, Nur einmal, Rosamunde, Küsse mich, daß es gesunde.

Ihr seid ein Schäker, Herr Bacchus! sagte Rosa, als er mit einem zärtlichen Triller geendet hatte. Ihr wißt wohl, daß mich Bürgermeister und Rath unter gar strenger Klausur halten und nicht erlauben, daß ich mit jedwedem mich einlasse.

Aber mir könntest du doch zuweilen das Kämmerlein öffnen, lieb Röschen! flüsterte Bacchus, mich gelüstet nach der süßen Speise deines Mundes.

Ihr seid ein Schelm! rief sie lachend. Ihr seid ein Türke und habt es mit vielen zugleich; meinet Ihr, ich wisse nicht, wie Ihr mit der leichtfertigen Französin scharmirt, mit dem Fräulein von Bordeaux, und mit dem Kreidengesicht, der Champagnerin; geht, geht, Ihr habt einen schlechten Charakter und verstehet Euch nicht auf treue deutsche Minne.

Ja, das sag' ich auch, rief Judas, und fuhr mit der langen knöchernen Hand nach der Hand der Jungfer Rose, das sag' ich auch; drum nehmet mich zu Eurem Galan, liebwertheste Jungfer, und lasset den kleinen, nackten Kerl seiner Französin nachziehen.

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[0041] So stieg ich jede Mitternacht Zu ihrer Kammer nieder; Nur einmal hat sie aufgemacht, Jetzt will sie nimmer wieder; Und seit ich einmal sie geküßt, Mein Herz von Sehnsucht trunken ist, Nur einmal, Rosamunde, Küsse mich, daß es gesunde. Ihr seid ein Schäker, Herr Bacchus! sagte Rosa, als er mit einem zärtlichen Triller geendet hatte. Ihr wißt wohl, daß mich Bürgermeister und Rath unter gar strenger Klausur halten und nicht erlauben, daß ich mit jedwedem mich einlasse. Aber mir könntest du doch zuweilen das Kämmerlein öffnen, lieb Röschen! flüsterte Bacchus, mich gelüstet nach der süßen Speise deines Mundes. Ihr seid ein Schelm! rief sie lachend. Ihr seid ein Türke und habt es mit vielen zugleich; meinet Ihr, ich wisse nicht, wie Ihr mit der leichtfertigen Französin scharmirt, mit dem Fräulein von Bordeaux, und mit dem Kreidengesicht, der Champagnerin; geht, geht, Ihr habt einen schlechten Charakter und verstehet Euch nicht auf treue deutsche Minne. Ja, das sag' ich auch, rief Judas, und fuhr mit der langen knöchernen Hand nach der Hand der Jungfer Rose, das sag' ich auch; drum nehmet mich zu Eurem Galan, liebwertheste Jungfer, und lasset den kleinen, nackten Kerl seiner Französin nachziehen.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/41>, abgerufen am 16.04.2024.