Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.unter dem Jubeln und Jauchzen der Zwölfe hatte der Weingott sein Schürzenstipendium nebst Zinsen eingenommen. Dann leerte er seinen Humpen wieder und ward um zwei Fäuste breiter und größer, und hub an mit einer rauhen Weinstimme zu singen: Vor allen Schlössern dieser Zeit Lob' ich ein Schloß zu Bremen; In seinen Hallen hoch und weit Darf sich kein Kaiser schämen; Gar seltsam ist es ausstaffirt, Mit schmuckem Hausrath ausgeziert, Doch hat daselbst vor allen Eine Jungfrau mir gefallen. Ihr Auge blinkt wie klarer Wein, Ihre Wangen sind nicht bleiche, Wie prächtig ihre Kleider sein, Von lauter schwerem Zeuche; Von Eichenholz ist ihr Gewand, Von Birkenreifen ihre Band', Das Mieder, das sie zieret, Mit Eisen ist geschnüret. Doch ach, man hat ihr Schlafkloset Mit Riegeln wohl versehen, Dort schlummert sie im Rosenbett Und ich muß draußen stehen; Drum poch' ich an die Kammerthür: Steh auf mein Schatz, und komm herfür, Damit ich mit dir kose, Mach auf, herzliebe Rose! unter dem Jubeln und Jauchzen der Zwölfe hatte der Weingott sein Schürzenstipendium nebst Zinsen eingenommen. Dann leerte er seinen Humpen wieder und ward um zwei Fäuste breiter und größer, und hub an mit einer rauhen Weinstimme zu singen: Vor allen Schlössern dieser Zeit Lob' ich ein Schloß zu Bremen; In seinen Hallen hoch und weit Darf sich kein Kaiser schämen; Gar seltsam ist es ausstaffirt, Mit schmuckem Hausrath ausgeziert, Doch hat daselbst vor allen Eine Jungfrau mir gefallen. Ihr Auge blinkt wie klarer Wein, Ihre Wangen sind nicht bleiche, Wie prächtig ihre Kleider sein, Von lauter schwerem Zeuche; Von Eichenholz ist ihr Gewand, Von Birkenreifen ihre Band', Das Mieder, das sie zieret, Mit Eisen ist geschnüret. Doch ach, man hat ihr Schlafkloset Mit Riegeln wohl versehen, Dort schlummert sie im Rosenbett Und ich muß draußen stehen; Drum poch' ich an die Kammerthür: Steh auf mein Schatz, und komm herfür, Damit ich mit dir kose, Mach auf, herzliebe Rose! <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0040"/> unter dem Jubeln und Jauchzen der Zwölfe hatte der Weingott sein Schürzenstipendium nebst Zinsen eingenommen. Dann leerte er seinen Humpen wieder und ward um zwei Fäuste breiter und größer, und hub an mit einer rauhen Weinstimme zu singen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Vor allen Schlössern dieser Zeit</l><lb/> <l>Lob' ich ein Schloß zu Bremen;</l><lb/> <l>In seinen Hallen hoch und weit</l><lb/> <l>Darf sich kein Kaiser schämen;</l><lb/> <l>Gar seltsam ist es ausstaffirt,</l><lb/> <l>Mit schmuckem Hausrath ausgeziert,</l><lb/> <l>Doch hat daselbst vor allen</l><lb/> <l>Eine Jungfrau mir gefallen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ihr Auge blinkt wie klarer Wein,</l><lb/> <l>Ihre Wangen sind nicht bleiche,</l><lb/> <l>Wie prächtig ihre Kleider sein,</l><lb/> <l>Von lauter schwerem Zeuche;</l><lb/> <l>Von Eichenholz ist ihr Gewand,</l><lb/> <l>Von Birkenreifen ihre Band',</l><lb/> <l>Das Mieder, das sie zieret,</l><lb/> <l>Mit Eisen ist geschnüret.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Doch ach, man hat ihr Schlafkloset</l><lb/> <l>Mit Riegeln wohl versehen,</l><lb/> <l>Dort schlummert sie im Rosenbett</l><lb/> <l>Und ich muß draußen stehen;</l><lb/> <l>Drum poch' ich an die Kammerthür:</l><lb/> <l>Steh auf mein Schatz, und komm herfür,</l><lb/> <l>Damit ich mit dir kose,</l><lb/> <l>Mach auf, herzliebe Rose!</l><lb/> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
unter dem Jubeln und Jauchzen der Zwölfe hatte der Weingott sein Schürzenstipendium nebst Zinsen eingenommen. Dann leerte er seinen Humpen wieder und ward um zwei Fäuste breiter und größer, und hub an mit einer rauhen Weinstimme zu singen:
Vor allen Schlössern dieser Zeit
Lob' ich ein Schloß zu Bremen;
In seinen Hallen hoch und weit
Darf sich kein Kaiser schämen;
Gar seltsam ist es ausstaffirt,
Mit schmuckem Hausrath ausgeziert,
Doch hat daselbst vor allen
Eine Jungfrau mir gefallen.
Ihr Auge blinkt wie klarer Wein,
Ihre Wangen sind nicht bleiche,
Wie prächtig ihre Kleider sein,
Von lauter schwerem Zeuche;
Von Eichenholz ist ihr Gewand,
Von Birkenreifen ihre Band',
Das Mieder, das sie zieret,
Mit Eisen ist geschnüret.
Doch ach, man hat ihr Schlafkloset
Mit Riegeln wohl versehen,
Dort schlummert sie im Rosenbett
Und ich muß draußen stehen;
Drum poch' ich an die Kammerthür:
Steh auf mein Schatz, und komm herfür,
Damit ich mit dir kose,
Mach auf, herzliebe Rose!
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Zitationshilfe: | Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/40>, abgerufen am 03.07.2024. |