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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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gilt gleich viel. Aber dieß ist nicht seine ganze
Ausbeute. Was er geschaut, mag er dem
Laien nicht beschreiben, es wäre allzu sonderbar
und doch zu köstlich für sein Ohr. Es leben
Geister in der Tiefe, die sonst kein Ohr erfaßt,
kein Auge schaut. Musik ertönt in jenen Hal¬
len, die jedem nüchternen Ohr leer und bedeu¬
tungslos ertönt. Doch dem, der mit gefühlt
und mit gesungen, gibt sie eine eigene Weihe,
wenn er auch über das Loch in seiner Mütze
lächelt, das er als Symbolum zurückgebracht.
Alter Großvater! jetzt weiß ich, was Du vor¬
nahmst, wenn "der Herr seinen Schalttag
feierte." Auch du hattest deine trauten Gesellen
seit den Tagen deiner Jugend, und das Wasser
stand dir in den grauen Wimpern, wenn du
einen beisetztest im Stammbuch. Sie leben!

Wirf die Flasche weg, Mensch, stich eine
neue an zu neuer Freude. Das sechste! Wer
kann dich berechnen, o Liebe?

gilt gleich viel. Aber dieß iſt nicht ſeine ganze
Ausbeute. Was er geſchaut, mag er dem
Laien nicht beſchreiben, es waͤre allzu ſonderbar
und doch zu koͤſtlich fuͤr ſein Ohr. Es leben
Geiſter in der Tiefe, die ſonſt kein Ohr erfaßt,
kein Auge ſchaut. Muſik ertoͤnt in jenen Hal¬
len, die jedem nuͤchternen Ohr leer und bedeu¬
tungslos ertoͤnt. Doch dem, der mit gefuͤhlt
und mit geſungen, gibt ſie eine eigene Weihe,
wenn er auch uͤber das Loch in ſeiner Muͤtze
laͤchelt, das er als Symbolum zuruͤckgebracht.
Alter Großvater! jetzt weiß ich, was Du vor¬
nahmſt, wenn „der Herr ſeinen Schalttag
feierte.“ Auch du hatteſt deine trauten Geſellen
ſeit den Tagen deiner Jugend, und das Waſſer
ſtand dir in den grauen Wimpern, wenn du
einen beiſetzteſt im Stammbuch. Sie leben!

Wirf die Flaſche weg, Menſch, ſtich eine
neue an zu neuer Freude. Das ſechste! Wer
kann dich berechnen, o Liebe?

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[42/0048] gilt gleich viel. Aber dieß iſt nicht ſeine ganze Ausbeute. Was er geſchaut, mag er dem Laien nicht beſchreiben, es waͤre allzu ſonderbar und doch zu koͤſtlich fuͤr ſein Ohr. Es leben Geiſter in der Tiefe, die ſonſt kein Ohr erfaßt, kein Auge ſchaut. Muſik ertoͤnt in jenen Hal¬ len, die jedem nuͤchternen Ohr leer und bedeu¬ tungslos ertoͤnt. Doch dem, der mit gefuͤhlt und mit geſungen, gibt ſie eine eigene Weihe, wenn er auch uͤber das Loch in ſeiner Muͤtze laͤchelt, das er als Symbolum zuruͤckgebracht. Alter Großvater! jetzt weiß ich, was Du vor¬ nahmſt, wenn „der Herr ſeinen Schalttag feierte.“ Auch du hatteſt deine trauten Geſellen ſeit den Tagen deiner Jugend, und das Waſſer ſtand dir in den grauen Wimpern, wenn du einen beiſetzteſt im Stammbuch. Sie leben! Wirf die Flaſche weg, Menſch, ſtich eine neue an zu neuer Freude. Das ſechste! Wer kann dich berechnen, o Liebe?

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/48>, abgerufen am 26.04.2024.