lieblosen Aufwartung in solchen Häusern wohl kaum zu erwarten steht.
Fehlen diese Erfordernisse, so ist das Auffüttern allerdings mörderischer als die schrecklichste Seuche. Aber bei wohlhabenden Privatleuten, (und bei diesen allein kann ja die Rede von einer Wahl sein) wo das Auge der Mutter beständig über den Kleinen wacht, wo man mit Recht Pünktlichkeit, Reinlich- keit und jede mögliche Sorgfalt voraussetzen darf, fallen jene Einwendungen gegen das Auffüttern weg.
Auch bestätigt die Erfahrung, daß in einem großen Theil des südlichen Deutschlands, wo die Neugebo- renen (wenn die Mutter nicht selbst stillen kann, oder nicht selbst stillen will) auf diese Weise genährt wer- den, sie dabei recht gut gedeihen. Um aber so wenig als möglich vom Wege der Natur abzugehen, muß jedenfalls Milch die Hauptbasis der Nahrung des Kleinen ausmachen. Man wähle diejenige Mischung, welche der ersten Muttermilch am Nächsten kömmt: am besten eine dünne mit Wasser vermischte, aber ja nicht durch Zucker versüßte Kuh- oder Ziegenmilch. Die Mischung muß jedesmal frisch bereitet werden, sie darf nie längere Zeit stehen, erkalten, und wieder erwärmt werden, weil sie hierdurch gar zu leicht zersetzt wird. Uebrigens wird die Mutter durch den Geruch oder durch das Schmecken sich leicht über- zeugen können, ob die Milch noch tauglich ist. Anfangs
liebloſen Aufwartung in ſolchen Haͤuſern wohl kaum zu erwarten ſteht.
Fehlen dieſe Erforderniſſe, ſo iſt das Auffuͤttern allerdings moͤrderiſcher als die ſchrecklichſte Seuche. Aber bei wohlhabenden Privatleuten, (und bei dieſen allein kann ja die Rede von einer Wahl ſein) wo das Auge der Mutter beſtaͤndig uͤber den Kleinen wacht, wo man mit Recht Puͤnktlichkeit, Reinlich- keit und jede moͤgliche Sorgfalt vorausſetzen darf, fallen jene Einwendungen gegen das Auffuͤttern weg.
Auch beſtaͤtigt die Erfahrung, daß in einem großen Theil des ſuͤdlichen Deutſchlands, wo die Neugebo- renen (wenn die Mutter nicht ſelbſt ſtillen kann, oder nicht ſelbſt ſtillen will) auf dieſe Weiſe genaͤhrt wer- den, ſie dabei recht gut gedeihen. Um aber ſo wenig als moͤglich vom Wege der Natur abzugehen, muß jedenfalls Milch die Hauptbaſis der Nahrung des Kleinen ausmachen. Man waͤhle diejenige Miſchung, welche der erſten Muttermilch am Naͤchſten koͤmmt: am beſten eine duͤnne mit Waſſer vermiſchte, aber ja nicht durch Zucker verſüßte Kuh- oder Ziegenmilch. Die Miſchung muß jedesmal friſch bereitet werden, ſie darf nie laͤngere Zeit ſtehen, erkalten, und wieder erwaͤrmt werden, weil ſie hierdurch gar zu leicht zerſetzt wird. Uebrigens wird die Mutter durch den Geruch oder durch das Schmecken ſich leicht uͤber- zeugen koͤnnen, ob die Milch noch tauglich iſt. Anfangs
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liebloſen Aufwartung in ſolchen Haͤuſern wohl kaum
zu erwarten ſteht.
Fehlen dieſe Erforderniſſe, ſo iſt das Auffuͤttern
allerdings moͤrderiſcher als die ſchrecklichſte Seuche.
Aber bei wohlhabenden Privatleuten, (und bei dieſen
allein kann ja die Rede von einer Wahl ſein) wo
das Auge der Mutter beſtaͤndig uͤber den Kleinen
wacht, wo man mit Recht Puͤnktlichkeit, Reinlich-
keit und jede moͤgliche Sorgfalt vorausſetzen darf,
fallen jene Einwendungen gegen das Auffuͤttern weg.
Auch beſtaͤtigt die Erfahrung, daß in einem großen
Theil des ſuͤdlichen Deutſchlands, wo die Neugebo-
renen (wenn die Mutter nicht ſelbſt ſtillen kann, oder
nicht ſelbſt ſtillen will) auf dieſe Weiſe genaͤhrt wer-
den, ſie dabei recht gut gedeihen. Um aber ſo wenig
als moͤglich vom Wege der Natur abzugehen, muß
jedenfalls Milch die Hauptbaſis der Nahrung des
Kleinen ausmachen. Man waͤhle diejenige Miſchung,
welche der erſten Muttermilch am Naͤchſten koͤmmt:
am beſten eine duͤnne mit Waſſer vermiſchte, aber
ja nicht durch Zucker verſüßte Kuh- oder Ziegenmilch.
Die Miſchung muß jedesmal friſch bereitet werden,
ſie darf nie laͤngere Zeit ſtehen, erkalten, und wieder
erwaͤrmt werden, weil ſie hierdurch gar zu leicht
zerſetzt wird. Uebrigens wird die Mutter durch den
Geruch oder durch das Schmecken ſich leicht uͤber-
zeugen koͤnnen, ob die Milch noch tauglich iſt. Anfangs
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/92>, abgerufen am 22.07.2024.
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