Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Umständen auch ein hoher äußerer Wärmegrad nicht
unangenehm ist. Umgekehrt, wenn ein dunst- oder
gasförmiger Körper sich zur Flüssigkeit verdichtet, so
entbindet er alle Wärme, deren er bedurfte, um als
Dunst zu verfliegen.

Ein Jeder wird wissen, wie es unmöglich ist, die
Hand über heiße Wasserdämpfe zu halten, weil diese
sich unmittelbar an der verhältnißmäßig kalten Haut
verdichten, und dabei eine beträchtliche, sogar sengende
Wärme entbinden.

Auf dieselbe Weise theilt die Hautausdünstung,
wenn sie nicht so schnell als sie sich bildet, verfliegen
kann und nun als Schweiß zurückbleibt, der Haut
sehr viel entbundenen Wärmestoff mit, wobei zugleich
die im Körper beständig gebildete Wärme sich an-
häuft und ein sehr unbehagliches Gefühl erzeugt.

Baumwollene Hemde und Beinkleider theilen die
Vorzüge des Flanells, und sind auch in der ganzen
englischen Armee den leinenen substituirt worden, weil
alle Militärärzte fanden, daß Erkältungen und Lun-
genübel durch ihren Gebrauch vermindert werden.

Mit dem Worte Flanell verbinden viele den
Begriff einer erstickenden Wärme und einer großen
Verweichlichung -- beides mit Unrecht. Der ganze
Körper soll ja nicht über und über in dichte Wolle
eingehüllt werden; nur Brust und Unterleib des Kin-
des sollen mit einem dünnen Gewebe aus diesem Stoffe

Umſtaͤnden auch ein hoher aͤußerer Waͤrmegrad nicht
unangenehm iſt. Umgekehrt, wenn ein dunſt- oder
gasfoͤrmiger Koͤrper ſich zur Flüſſigkeit verdichtet, ſo
entbindet er alle Waͤrme, deren er bedurfte, um als
Dunſt zu verfliegen.

Ein Jeder wird wiſſen, wie es unmoͤglich iſt, die
Hand uͤber heiße Waſſerdaͤmpfe zu halten, weil dieſe
ſich unmittelbar an der verhaͤltnißmaͤßig kalten Haut
verdichten, und dabei eine betraͤchtliche, ſogar ſengende
Waͤrme entbinden.

Auf dieſelbe Weiſe theilt die Hautausduͤnſtung,
wenn ſie nicht ſo ſchnell als ſie ſich bildet, verfliegen
kann und nun als Schweiß zuruͤckbleibt, der Haut
ſehr viel entbundenen Waͤrmeſtoff mit, wobei zugleich
die im Koͤrper beſtaͤndig gebildete Waͤrme ſich an-
haͤuft und ein ſehr unbehagliches Gefuͤhl erzeugt.

Baumwollene Hemde und Beinkleider theilen die
Vorzuͤge des Flanells, und ſind auch in der ganzen
engliſchen Armee den leinenen ſubſtituirt worden, weil
alle Militaͤraͤrzte fanden, daß Erkaͤltungen und Lun-
genuͤbel durch ihren Gebrauch vermindert werden.

Mit dem Worte Flanell verbinden viele den
Begriff einer erſtickenden Waͤrme und einer großen
Verweichlichung — beides mit Unrecht. Der ganze
Koͤrper ſoll ja nicht uͤber und uͤber in dichte Wolle
eingehuͤllt werden; nur Bruſt und Unterleib des Kin-
des ſollen mit einem duͤnnen Gewebe aus dieſem Stoffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden auch ein hoher a&#x0364;ußerer Wa&#x0364;rmegrad nicht<lb/>
unangenehm i&#x017F;t. Umgekehrt, wenn ein dun&#x017F;t- oder<lb/>
gasfo&#x0364;rmiger Ko&#x0364;rper &#x017F;ich zur Flü&#x017F;&#x017F;igkeit verdichtet, &#x017F;o<lb/>
entbindet er alle Wa&#x0364;rme, deren er bedurfte, um als<lb/>
Dun&#x017F;t zu verfliegen.</p><lb/>
        <p>Ein Jeder wird wi&#x017F;&#x017F;en, wie es unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, die<lb/>
Hand u&#x0364;ber heiße Wa&#x017F;&#x017F;erda&#x0364;mpfe zu halten, weil die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ich unmittelbar an der verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig kalten Haut<lb/>
verdichten, und dabei eine betra&#x0364;chtliche, &#x017F;ogar &#x017F;engende<lb/>
Wa&#x0364;rme entbinden.</p><lb/>
        <p>Auf die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e theilt die Hautausdu&#x0364;n&#x017F;tung,<lb/>
wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;o &#x017F;chnell als &#x017F;ie &#x017F;ich bildet, verfliegen<lb/>
kann und nun als Schweiß zuru&#x0364;ckbleibt, der Haut<lb/>
&#x017F;ehr viel entbundenen Wa&#x0364;rme&#x017F;toff mit, wobei zugleich<lb/>
die im Ko&#x0364;rper be&#x017F;ta&#x0364;ndig gebildete Wa&#x0364;rme &#x017F;ich an-<lb/>
ha&#x0364;uft und ein &#x017F;ehr unbehagliches Gefu&#x0364;hl erzeugt.</p><lb/>
        <p>Baumwollene Hemde und Beinkleider theilen die<lb/>
Vorzu&#x0364;ge des Flanells, und &#x017F;ind auch in der ganzen<lb/>
engli&#x017F;chen Armee den leinenen &#x017F;ub&#x017F;tituirt worden, weil<lb/>
alle Milita&#x0364;ra&#x0364;rzte fanden, daß Erka&#x0364;ltungen und Lun-<lb/>
genu&#x0364;bel durch ihren Gebrauch vermindert werden.</p><lb/>
        <p>Mit dem Worte Flanell verbinden viele den<lb/>
Begriff einer er&#x017F;tickenden Wa&#x0364;rme und einer großen<lb/>
Verweichlichung &#x2014; beides mit Unrecht. Der ganze<lb/>
Ko&#x0364;rper &#x017F;oll ja nicht u&#x0364;ber und u&#x0364;ber in dichte Wolle<lb/>
eingehu&#x0364;llt werden; nur Bru&#x017F;t und Unterleib des Kin-<lb/>
des &#x017F;ollen mit einem du&#x0364;nnen Gewebe aus die&#x017F;em Stoffe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] Umſtaͤnden auch ein hoher aͤußerer Waͤrmegrad nicht unangenehm iſt. Umgekehrt, wenn ein dunſt- oder gasfoͤrmiger Koͤrper ſich zur Flüſſigkeit verdichtet, ſo entbindet er alle Waͤrme, deren er bedurfte, um als Dunſt zu verfliegen. Ein Jeder wird wiſſen, wie es unmoͤglich iſt, die Hand uͤber heiße Waſſerdaͤmpfe zu halten, weil dieſe ſich unmittelbar an der verhaͤltnißmaͤßig kalten Haut verdichten, und dabei eine betraͤchtliche, ſogar ſengende Waͤrme entbinden. Auf dieſelbe Weiſe theilt die Hautausduͤnſtung, wenn ſie nicht ſo ſchnell als ſie ſich bildet, verfliegen kann und nun als Schweiß zuruͤckbleibt, der Haut ſehr viel entbundenen Waͤrmeſtoff mit, wobei zugleich die im Koͤrper beſtaͤndig gebildete Waͤrme ſich an- haͤuft und ein ſehr unbehagliches Gefuͤhl erzeugt. Baumwollene Hemde und Beinkleider theilen die Vorzuͤge des Flanells, und ſind auch in der ganzen engliſchen Armee den leinenen ſubſtituirt worden, weil alle Militaͤraͤrzte fanden, daß Erkaͤltungen und Lun- genuͤbel durch ihren Gebrauch vermindert werden. Mit dem Worte Flanell verbinden viele den Begriff einer erſtickenden Waͤrme und einer großen Verweichlichung — beides mit Unrecht. Der ganze Koͤrper ſoll ja nicht uͤber und uͤber in dichte Wolle eingehuͤllt werden; nur Bruſt und Unterleib des Kin- des ſollen mit einem duͤnnen Gewebe aus dieſem Stoffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/82
Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/82>, abgerufen am 25.11.2024.