Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

die den Rückfluß des Blutes aus dem Kopfe er-
schweren, vorzüglich bei anstrengenden Paraden,
wo die beschleunigte Circulation ohnehin mehr Blut
nach den obern Theilen treibt. Aus derselben Ur-
sache entstehen nicht selten hitzige Fieber und Schlag-
flüsse. Bei Kindern kommen nun freilich solche ex-
treme Fälle nicht so leicht vor, doch schien es mir
zweckmäßig beiläufig an die übeln Folgen einer auf
einen hohen Punkt getriebenen Schädlichkeit zu erin-
nern, da man daraus abnehmen kann, wie dieselbe
auch bei geringerer Jntensität einwirkt. So wie
der härteste Stein, durch einen beständig auf densel-
ben Fleck hinunterfallenden Tropfen endlich ausge-
höhlt wird, eben so gewiß bringt die häufige Wie-
derholung anscheinend geringer Schädlichkeiten, zuletzt
bedeutende Krankheiten hervor. Wie viele Leute gibt
es nicht, die wohl nicht zu den Trinkern zu rechnen
sind, die aber dennoch keinen Tag vergehen lassen,
ohne mehr Wein zu genießen, als die strenge Mäßig-
keit gerade billigen möchte. Die schlimmen Folgen
werden sich vielleicht nicht nach Monaten, aber ge-
wiß nach Jahren zeigen. Denn die Geistes- und
Nervenkräfte überhaupt, müssen unfehlbar bei sol-
chen oft wiederholten kleinen Angriffen ihre Schärfe
weit früher verlieren als sie sonst gethan haben
würden. Aber der Mensch achtet gewöhnlich nur
auf ganz auffallende grellhervortretende Schädlich-

die den Ruͤckfluß des Blutes aus dem Kopfe er-
ſchweren, vorzüglich bei anſtrengenden Paraden,
wo die beſchleunigte Circulation ohnehin mehr Blut
nach den obern Theilen treibt. Aus derſelben Ur-
ſache entſtehen nicht ſelten hitzige Fieber und Schlag-
fluͤſſe. Bei Kindern kommen nun freilich ſolche ex-
treme Faͤlle nicht ſo leicht vor, doch ſchien es mir
zweckmaͤßig beilaͤufig an die übeln Folgen einer auf
einen hohen Punkt getriebenen Schaͤdlichkeit zu erin-
nern, da man daraus abnehmen kann, wie dieſelbe
auch bei geringerer Jntenſitaͤt einwirkt. So wie
der haͤrteſte Stein, durch einen beſtaͤndig auf denſel-
ben Fleck hinunterfallenden Tropfen endlich ausge-
hoͤhlt wird, eben ſo gewiß bringt die haͤufige Wie-
derholung anſcheinend geringer Schaͤdlichkeiten, zuletzt
bedeutende Krankheiten hervor. Wie viele Leute gibt
es nicht, die wohl nicht zu den Trinkern zu rechnen
ſind, die aber dennoch keinen Tag vergehen laſſen,
ohne mehr Wein zu genießen, als die ſtrenge Maͤßig-
keit gerade billigen moͤchte. Die ſchlimmen Folgen
werden ſich vielleicht nicht nach Monaten, aber ge-
wiß nach Jahren zeigen. Denn die Geiſtes- und
Nervenkraͤfte uͤberhaupt, muͤſſen unfehlbar bei ſol-
chen oft wiederholten kleinen Angriffen ihre Schaͤrfe
weit fruͤher verlieren als ſie ſonſt gethan haben
wuͤrden. Aber der Menſch achtet gewoͤhnlich nur
auf ganz auffallende grellhervortretende Schaͤdlich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="62"/>
die den Ru&#x0364;ckfluß des Blutes aus dem Kopfe er-<lb/>
&#x017F;chweren, vorzüglich bei an&#x017F;trengenden Paraden,<lb/>
wo die be&#x017F;chleunigte Circulation ohnehin mehr Blut<lb/>
nach den obern Theilen treibt. Aus der&#x017F;elben Ur-<lb/>
&#x017F;ache ent&#x017F;tehen nicht &#x017F;elten hitzige Fieber und Schlag-<lb/>
flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Bei Kindern kommen nun freilich &#x017F;olche ex-<lb/>
treme Fa&#x0364;lle nicht &#x017F;o leicht vor, doch &#x017F;chien es mir<lb/>
zweckma&#x0364;ßig beila&#x0364;ufig an die übeln Folgen einer auf<lb/>
einen hohen Punkt getriebenen Scha&#x0364;dlichkeit zu erin-<lb/>
nern, da man daraus abnehmen kann, wie die&#x017F;elbe<lb/>
auch bei geringerer Jnten&#x017F;ita&#x0364;t einwirkt. So wie<lb/>
der ha&#x0364;rte&#x017F;te Stein, durch einen be&#x017F;ta&#x0364;ndig auf den&#x017F;el-<lb/>
ben Fleck hinunterfallenden Tropfen endlich ausge-<lb/>
ho&#x0364;hlt wird, eben &#x017F;o gewiß bringt die ha&#x0364;ufige Wie-<lb/>
derholung an&#x017F;cheinend geringer Scha&#x0364;dlichkeiten, zuletzt<lb/>
bedeutende Krankheiten hervor. Wie viele Leute gibt<lb/>
es nicht, die wohl nicht zu den Trinkern zu rechnen<lb/>
&#x017F;ind, die aber dennoch keinen Tag vergehen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ohne mehr Wein zu genießen, als die &#x017F;trenge Ma&#x0364;ßig-<lb/>
keit gerade billigen mo&#x0364;chte. Die &#x017F;chlimmen Folgen<lb/>
werden &#x017F;ich vielleicht nicht nach Monaten, aber ge-<lb/>
wiß nach Jahren zeigen. Denn die Gei&#x017F;tes- und<lb/>
Nervenkra&#x0364;fte u&#x0364;berhaupt, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en unfehlbar bei &#x017F;ol-<lb/>
chen oft wiederholten kleinen Angriffen ihre Scha&#x0364;rfe<lb/>
weit fru&#x0364;her verlieren als &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t gethan haben<lb/>
wu&#x0364;rden. Aber der Men&#x017F;ch achtet gewo&#x0364;hnlich nur<lb/>
auf ganz auffallende grellhervortretende Scha&#x0364;dlich-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] die den Ruͤckfluß des Blutes aus dem Kopfe er- ſchweren, vorzüglich bei anſtrengenden Paraden, wo die beſchleunigte Circulation ohnehin mehr Blut nach den obern Theilen treibt. Aus derſelben Ur- ſache entſtehen nicht ſelten hitzige Fieber und Schlag- fluͤſſe. Bei Kindern kommen nun freilich ſolche ex- treme Faͤlle nicht ſo leicht vor, doch ſchien es mir zweckmaͤßig beilaͤufig an die übeln Folgen einer auf einen hohen Punkt getriebenen Schaͤdlichkeit zu erin- nern, da man daraus abnehmen kann, wie dieſelbe auch bei geringerer Jntenſitaͤt einwirkt. So wie der haͤrteſte Stein, durch einen beſtaͤndig auf denſel- ben Fleck hinunterfallenden Tropfen endlich ausge- hoͤhlt wird, eben ſo gewiß bringt die haͤufige Wie- derholung anſcheinend geringer Schaͤdlichkeiten, zuletzt bedeutende Krankheiten hervor. Wie viele Leute gibt es nicht, die wohl nicht zu den Trinkern zu rechnen ſind, die aber dennoch keinen Tag vergehen laſſen, ohne mehr Wein zu genießen, als die ſtrenge Maͤßig- keit gerade billigen moͤchte. Die ſchlimmen Folgen werden ſich vielleicht nicht nach Monaten, aber ge- wiß nach Jahren zeigen. Denn die Geiſtes- und Nervenkraͤfte uͤberhaupt, muͤſſen unfehlbar bei ſol- chen oft wiederholten kleinen Angriffen ihre Schaͤrfe weit fruͤher verlieren als ſie ſonſt gethan haben wuͤrden. Aber der Menſch achtet gewoͤhnlich nur auf ganz auffallende grellhervortretende Schaͤdlich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/72
Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/72>, abgerufen am 06.05.2024.