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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

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keiten; die feineren verderblichen Jnfluenzen, die
tagtäglich an seinem Wesen nagen, die so viele chro-
nische Krankheiten langsam aufbauen, und weit mehr
Opfer hinraffen als die gefährlichsten Epidemieen es
thun, entgehen seiner Aufmerksamkeit.

Ein eng anliegendes Kleidungsstück, an welcher
Stelle es auch angebracht sein mag, wird daher zur
Schädlichkeit, wenn es fortdauernd einwirkt, vor-
züglich in einem jugendlichen, in schnellem Wachs-
thum nach allen Seiten hin begriffenen Organismus,
der ohnehin dem Drucke weniger widersteht, und
also schon durch seine größere Passivität um so eher
leidet. Wie kann man erwarten, daß ein Organ
mit dem übrigen Organismus gleichmäßig wachsen
soll, wenn man durch Druck sogar seine schon beste-
hende Größe einschränkt, statt ihm freien Raum zu
ungehinderter Entwickelung zu lassen? Und welche
Gründe kann man zur Entschuldigung eines solchen
Verfahrens anführen? Fort also mit allem was die
freie Bewegung, den freien Wachsthum hindert!
Keine zu engen Schuhe! Sie legen den Grund zu
den marternden Krähenaugen, verursachen Schmer-
zen und hindern am Gehen! Keine Strumpfbänder!
nach einiger Bewegung schwillt das Bein an, das
Blut stockt unterhalb der Ligatur, und es entstehen
Venenerweiterungen, die später gefährlich werden
können.

keiten; die feineren verderblichen Jnfluenzen, die
tagtaͤglich an ſeinem Weſen nagen, die ſo viele chro-
niſche Krankheiten langſam aufbauen, und weit mehr
Opfer hinraffen als die gefaͤhrlichſten Epidemieen es
thun, entgehen ſeiner Aufmerkſamkeit.

Ein eng anliegendes Kleidungsſtuͤck, an welcher
Stelle es auch angebracht ſein mag, wird daher zur
Schaͤdlichkeit, wenn es fortdauernd einwirkt, vor-
zuͤglich in einem jugendlichen, in ſchnellem Wachs-
thum nach allen Seiten hin begriffenen Organismus,
der ohnehin dem Drucke weniger widerſteht, und
alſo ſchon durch ſeine groͤßere Paſſivitaͤt um ſo eher
leidet. Wie kann man erwarten, daß ein Organ
mit dem uͤbrigen Organismus gleichmaͤßig wachſen
ſoll, wenn man durch Druck ſogar ſeine ſchon beſte-
hende Groͤße einſchraͤnkt, ſtatt ihm freien Raum zu
ungehinderter Entwickelung zu laſſen? Und welche
Gruͤnde kann man zur Entſchuldigung eines ſolchen
Verfahrens anfuͤhren? Fort alſo mit allem was die
freie Bewegung, den freien Wachsthum hindert!
Keine zu engen Schuhe! Sie legen den Grund zu
den marternden Kraͤhenaugen, verurſachen Schmer-
zen und hindern am Gehen! Keine Strumpfbaͤnder!
nach einiger Bewegung ſchwillt das Bein an, das
Blut ſtockt unterhalb der Ligatur, und es entſtehen
Venenerweiterungen, die ſpaͤter gefaͤhrlich werden
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[63/0073] keiten; die feineren verderblichen Jnfluenzen, die tagtaͤglich an ſeinem Weſen nagen, die ſo viele chro- niſche Krankheiten langſam aufbauen, und weit mehr Opfer hinraffen als die gefaͤhrlichſten Epidemieen es thun, entgehen ſeiner Aufmerkſamkeit. Ein eng anliegendes Kleidungsſtuͤck, an welcher Stelle es auch angebracht ſein mag, wird daher zur Schaͤdlichkeit, wenn es fortdauernd einwirkt, vor- zuͤglich in einem jugendlichen, in ſchnellem Wachs- thum nach allen Seiten hin begriffenen Organismus, der ohnehin dem Drucke weniger widerſteht, und alſo ſchon durch ſeine groͤßere Paſſivitaͤt um ſo eher leidet. Wie kann man erwarten, daß ein Organ mit dem uͤbrigen Organismus gleichmaͤßig wachſen ſoll, wenn man durch Druck ſogar ſeine ſchon beſte- hende Groͤße einſchraͤnkt, ſtatt ihm freien Raum zu ungehinderter Entwickelung zu laſſen? Und welche Gruͤnde kann man zur Entſchuldigung eines ſolchen Verfahrens anfuͤhren? Fort alſo mit allem was die freie Bewegung, den freien Wachsthum hindert! Keine zu engen Schuhe! Sie legen den Grund zu den marternden Kraͤhenaugen, verurſachen Schmer- zen und hindern am Gehen! Keine Strumpfbaͤnder! nach einiger Bewegung ſchwillt das Bein an, das Blut ſtockt unterhalb der Ligatur, und es entſtehen Venenerweiterungen, die ſpaͤter gefaͤhrlich werden koͤnnen.

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Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/73>, abgerufen am 06.05.2024.