Doch dieses ist bei weitem nicht alles! Ein jedes Organ kann nur bei einer seinen Kräften angemesse- nen Thätigkeit gedeihen; bleibt es unthätig, so schla- fen allmälig seine Kräfte ein. Das Muskelsystem, welches einen so bedeutenden Theil unseres Körpers ausmacht, welches nicht nur zu allen willkürlichen Bewegungen dient, sondern auch den unwillkürlichen Bewegungen des Magens, des Darmkanals, der Respirationsorgane, der Circulation etc. vorsteht, muß durch den Mangel seines natürlichen Reizes er- schlaffen und die Atonie aller übrigen Systeme nach sich ziehen. So wie ein an die Dunkelheit eines Kerkers gewöhntes Auge das helle Licht nicht ver- trägt, so ermüdet den Stubensitzer die geringste Be- wegung. Seine Muskelkraft nimmt ab; seine Res- piration ist schwach und seine Verdauung leidet, theils durch die Stockungen des Blutes im Unter- leibe, welche die freie Thätigkeit der Organe hindern und bei dem Stubensitzer niemals ausbleiben, theils auch durch die schwächeren und langsameren Bewe- gungen des Magens und der Gedärme, die natürlich eine langsamere und schwierigere Digestion zur Folge haben. Um diesen Uebeln zu entgehen, sucht man nur zu oft, statt zum allereinfachsten, nothwendigsten und allein hülfreichen Mittel zu greifen, die Ver- dauungsorgane durch reizende Kost und Getränke an- zuspornen und vermehrt dadurch die Krankheit, bis
Doch dieſes iſt bei weitem nicht alles! Ein jedes Organ kann nur bei einer ſeinen Kraͤften angemeſſe- nen Thaͤtigkeit gedeihen; bleibt es unthaͤtig, ſo ſchla- fen allmaͤlig ſeine Kraͤfte ein. Das Muskelſyſtem, welches einen ſo bedeutenden Theil unſeres Koͤrpers ausmacht, welches nicht nur zu allen willkürlichen Bewegungen dient, ſondern auch den unwillkuͤrlichen Bewegungen des Magens, des Darmkanals, der Respirationsorgane, der Circulation ꝛc. vorſteht, muß durch den Mangel ſeines natuͤrlichen Reizes er- ſchlaffen und die Atonie aller uͤbrigen Syſteme nach ſich ziehen. So wie ein an die Dunkelheit eines Kerkers gewoͤhntes Auge das helle Licht nicht ver- traͤgt, ſo ermuͤdet den Stubenſitzer die geringſte Be- wegung. Seine Muskelkraft nimmt ab; ſeine Res- piration iſt ſchwach und ſeine Verdauung leidet, theils durch die Stockungen des Blutes im Unter- leibe, welche die freie Thaͤtigkeit der Organe hindern und bei dem Stubenſitzer niemals ausbleiben, theils auch durch die ſchwaͤcheren und langſameren Bewe- gungen des Magens und der Gedaͤrme, die natuͤrlich eine langſamere und ſchwierigere Digestion zur Folge haben. Um dieſen Uebeln zu entgehen, ſucht man nur zu oft, ſtatt zum allereinfachſten, nothwendigſten und allein hülfreichen Mittel zu greifen, die Ver- dauungsorgane durch reizende Koſt und Getraͤnke an- zuſpornen und vermehrt dadurch die Krankheit, bis
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Doch dieſes iſt bei weitem nicht alles! Ein jedes
Organ kann nur bei einer ſeinen Kraͤften angemeſſe-
nen Thaͤtigkeit gedeihen; bleibt es unthaͤtig, ſo ſchla-
fen allmaͤlig ſeine Kraͤfte ein. Das Muskelſyſtem,
welches einen ſo bedeutenden Theil unſeres Koͤrpers
ausmacht, welches nicht nur zu allen willkürlichen
Bewegungen dient, ſondern auch den unwillkuͤrlichen
Bewegungen des Magens, des Darmkanals, der
Respirationsorgane, der Circulation ꝛc. vorſteht,
muß durch den Mangel ſeines natuͤrlichen Reizes er-
ſchlaffen und die Atonie aller uͤbrigen Syſteme nach
ſich ziehen. So wie ein an die Dunkelheit eines
Kerkers gewoͤhntes Auge das helle Licht nicht ver-
traͤgt, ſo ermuͤdet den Stubenſitzer die geringſte Be-
wegung. Seine Muskelkraft nimmt ab; ſeine Res-
piration iſt ſchwach und ſeine Verdauung leidet,
theils durch die Stockungen des Blutes im Unter-
leibe, welche die freie Thaͤtigkeit der Organe hindern
und bei dem Stubenſitzer niemals ausbleiben, theils
auch durch die ſchwaͤcheren und langſameren Bewe-
gungen des Magens und der Gedaͤrme, die natuͤrlich
eine langſamere und ſchwierigere Digestion zur Folge
haben. Um dieſen Uebeln zu entgehen, ſucht man
nur zu oft, ſtatt zum allereinfachſten, nothwendigſten
und allein hülfreichen Mittel zu greifen, die Ver-
dauungsorgane durch reizende Koſt und Getraͤnke an-
zuſpornen und vermehrt dadurch die Krankheit, bis
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/37>, abgerufen am 22.07.2024.
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