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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

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folgt, denn dieser schnelle Uebergang greift das
Auge eben so sehr an, als ein plötzlicher Tempera-
turwechsel den ganzen Körper.

Nichts aber schwächt die Sehkraft so sehr, als
wenn längere Zeit das Licht (wie im obigen Beispiel)
ungleichmäßig auf den Sehnerv wirkt, wobei einzelne
Theile der Retina stark gereizt werden, während an-
dere in verhältnißmäßiger Unthätigkeit verbleiben.
Es wird dadurch eine innere Disharmonie in das Organ
gesetzt, zu deren Ausgleichung viel Zeit gehört, und
man kann nicht zweifeln, daß wenn man das Auge
wiederholt solchen Schädlichkeiten aussetzt, es zuletzt
bedeutend geschwächt werden muß. Ein Jeder weiß
aus eigener Erfahrung wie das Auge schmerzt und
thränt, wenn man einen helleren Gegenstand auf
dunklem Grunde lange und anhaltend betrachtet.

Jn einem höchst interessanten Aufsatze, den der
berühmte Lichtenberg mit allen Grazien des feinsten
Witzes ausgestattet, finden wir unter andern folgen-
des Beispiel des schädlichen Effects eines ungleichmä-
ßigen Lichtes angeführt.

"Ein Rechtsgelehrter in London wohnte so, daß
seine Zimmer nach der Straße zu die volle Mittags-
sonne hatten; seine hinteren Zimmer lagen daher nicht
allein gegen Mitternacht, sondern gingen auch noch
dazu in einen kleinen Hof, der mit einer hohen Mauer
umgeben war und waren also etwas finster. Jn diesen

folgt, denn dieſer ſchnelle Uebergang greift das
Auge eben ſo ſehr an, als ein ploͤtzlicher Tempera-
turwechſel den ganzen Koͤrper.

Nichts aber ſchwaͤcht die Sehkraft ſo ſehr, als
wenn laͤngere Zeit das Licht (wie im obigen Beiſpiel)
ungleichmaͤßig auf den Sehnerv wirkt, wobei einzelne
Theile der Retina ſtark gereizt werden, waͤhrend an-
dere in verhaͤltnißmaͤßiger Unthaͤtigkeit verbleiben.
Es wird dadurch eine innere Disharmonie in das Organ
geſetzt, zu deren Ausgleichung viel Zeit gehoͤrt, und
man kann nicht zweifeln, daß wenn man das Auge
wiederholt ſolchen Schaͤdlichkeiten ausſetzt, es zuletzt
bedeutend geſchwaͤcht werden muß. Ein Jeder weiß
aus eigener Erfahrung wie das Auge ſchmerzt und
thraͤnt, wenn man einen helleren Gegenſtand auf
dunklem Grunde lange und anhaltend betrachtet.

Jn einem hoͤchſt intereſſanten Aufſatze, den der
beruͤhmte Lichtenberg mit allen Grazien des feinſten
Witzes ausgeſtattet, finden wir unter andern folgen-
des Beiſpiel des ſchaͤdlichen Effects eines ungleichmaͤ-
ßigen Lichtes angefuͤhrt.

»Ein Rechtsgelehrter in London wohnte ſo, daß
ſeine Zimmer nach der Straße zu die volle Mittags-
ſonne hatten; ſeine hinteren Zimmer lagen daher nicht
allein gegen Mitternacht, ſondern gingen auch noch
dazu in einen kleinen Hof, der mit einer hohen Mauer
umgeben war und waren alſo etwas finſter. Jn dieſen

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[140/0150] folgt, denn dieſer ſchnelle Uebergang greift das Auge eben ſo ſehr an, als ein ploͤtzlicher Tempera- turwechſel den ganzen Koͤrper. Nichts aber ſchwaͤcht die Sehkraft ſo ſehr, als wenn laͤngere Zeit das Licht (wie im obigen Beiſpiel) ungleichmaͤßig auf den Sehnerv wirkt, wobei einzelne Theile der Retina ſtark gereizt werden, waͤhrend an- dere in verhaͤltnißmaͤßiger Unthaͤtigkeit verbleiben. Es wird dadurch eine innere Disharmonie in das Organ geſetzt, zu deren Ausgleichung viel Zeit gehoͤrt, und man kann nicht zweifeln, daß wenn man das Auge wiederholt ſolchen Schaͤdlichkeiten ausſetzt, es zuletzt bedeutend geſchwaͤcht werden muß. Ein Jeder weiß aus eigener Erfahrung wie das Auge ſchmerzt und thraͤnt, wenn man einen helleren Gegenſtand auf dunklem Grunde lange und anhaltend betrachtet. Jn einem hoͤchſt intereſſanten Aufſatze, den der beruͤhmte Lichtenberg mit allen Grazien des feinſten Witzes ausgeſtattet, finden wir unter andern folgen- des Beiſpiel des ſchaͤdlichen Effects eines ungleichmaͤ- ßigen Lichtes angefuͤhrt. »Ein Rechtsgelehrter in London wohnte ſo, daß ſeine Zimmer nach der Straße zu die volle Mittags- ſonne hatten; ſeine hinteren Zimmer lagen daher nicht allein gegen Mitternacht, ſondern gingen auch noch dazu in einen kleinen Hof, der mit einer hohen Mauer umgeben war und waren alſo etwas finſter. Jn dieſen

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Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/150>, abgerufen am 27.04.2024.