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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

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wir selbst mit einem guten Beispiele vorangehen.
Wenn, beim Ausbruch eines Gewitters ein Kind
bemerkt, daß seine Mutter sich ängstigt und bei jedem
Donnerschlage zusammenfährt, so wird es natürlich
dieselbe Furcht empfinden. Läßt man sich aber nichts
merken, scherzt und lacht man nur ruhig fort, freut
man sich laut über die wohlthätigen Folgen des
Gewitters, so wird das Kind wahrscheinlich von
keiner Angst etwas wissen.

Wenn man Kinder mit Gespenstergeschichten unter-
hält, oder ihnen mit Schreckbildern droht, so schadet
man auf doppelte Weise. Man giebt ihnen falsche
Begriffe und macht sie zu Sclaven einer blinden Furcht.

Vom ersten Anfang an muß man gegen Kinder
wahr sein und ihnen nichts sagen, was nicht mit der
Wahrheit übereinstimmt. Wenn sie nur einmal merken,
daß man sie wissentlich betrogen hat, so ist alles
Vertrauen verloren und ihr ganzer Charakter bekömmt
eine falsche Richtung.

Ueberhaupt ist das Kind, in moralischer Bezie-
hung das Bild seiner Umgebung. Ein Kind gebildeter
Eltern, das im väterlichen Hause nur Beispiele des
Guten und Schönen gesehen hat, wird seltener vom
Wege des Guten und Schönen abirren.

Wie sehr schadet es dem Kinde, wenn es in der
Gesellschaft von Ammen und Wärterinnen aufwächst!
Gespensterfurcht, lächerliche Vorurtheile, unedle

wir ſelbſt mit einem guten Beiſpiele vorangehen.
Wenn, beim Ausbruch eines Gewitters ein Kind
bemerkt, daß ſeine Mutter ſich aͤngſtigt und bei jedem
Donnerſchlage zuſammenfaͤhrt, ſo wird es natuͤrlich
dieſelbe Furcht empfinden. Laͤßt man ſich aber nichts
merken, ſcherzt und lacht man nur ruhig fort, freut
man ſich laut uͤber die wohlthaͤtigen Folgen des
Gewitters, ſo wird das Kind wahrſcheinlich von
keiner Angſt etwas wiſſen.

Wenn man Kinder mit Geſpenſtergeſchichten unter-
haͤlt, oder ihnen mit Schreckbildern droht, ſo ſchadet
man auf doppelte Weiſe. Man giebt ihnen falſche
Begriffe und macht ſie zu Sclaven einer blinden Furcht.

Vom erſten Anfang an muß man gegen Kinder
wahr ſein und ihnen nichts ſagen, was nicht mit der
Wahrheit übereinſtimmt. Wenn ſie nur einmal merken,
daß man ſie wiſſentlich betrogen hat, ſo iſt alles
Vertrauen verloren und ihr ganzer Charakter bekoͤmmt
eine falſche Richtung.

Ueberhaupt iſt das Kind, in moraliſcher Bezie-
hung das Bild ſeiner Umgebung. Ein Kind gebildeter
Eltern, das im vaͤterlichen Hauſe nur Beiſpiele des
Guten und Schoͤnen geſehen hat, wird ſeltener vom
Wege des Guten und Schoͤnen abirren.

Wie ſehr ſchadet es dem Kinde, wenn es in der
Geſellſchaft von Ammen und Waͤrterinnen aufwaͤchst!
Geſpenſterfurcht, laͤcherliche Vorurtheile, unedle

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[105/0115] wir ſelbſt mit einem guten Beiſpiele vorangehen. Wenn, beim Ausbruch eines Gewitters ein Kind bemerkt, daß ſeine Mutter ſich aͤngſtigt und bei jedem Donnerſchlage zuſammenfaͤhrt, ſo wird es natuͤrlich dieſelbe Furcht empfinden. Laͤßt man ſich aber nichts merken, ſcherzt und lacht man nur ruhig fort, freut man ſich laut uͤber die wohlthaͤtigen Folgen des Gewitters, ſo wird das Kind wahrſcheinlich von keiner Angſt etwas wiſſen. Wenn man Kinder mit Geſpenſtergeſchichten unter- haͤlt, oder ihnen mit Schreckbildern droht, ſo ſchadet man auf doppelte Weiſe. Man giebt ihnen falſche Begriffe und macht ſie zu Sclaven einer blinden Furcht. Vom erſten Anfang an muß man gegen Kinder wahr ſein und ihnen nichts ſagen, was nicht mit der Wahrheit übereinſtimmt. Wenn ſie nur einmal merken, daß man ſie wiſſentlich betrogen hat, ſo iſt alles Vertrauen verloren und ihr ganzer Charakter bekoͤmmt eine falſche Richtung. Ueberhaupt iſt das Kind, in moraliſcher Bezie- hung das Bild ſeiner Umgebung. Ein Kind gebildeter Eltern, das im vaͤterlichen Hauſe nur Beiſpiele des Guten und Schoͤnen geſehen hat, wird ſeltener vom Wege des Guten und Schoͤnen abirren. Wie ſehr ſchadet es dem Kinde, wenn es in der Geſellſchaft von Ammen und Waͤrterinnen aufwaͤchst! Geſpenſterfurcht, laͤcherliche Vorurtheile, unedle

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Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/115>, abgerufen am 27.04.2024.