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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Die zehende Stund.
1.
Meine Hirtin schönstes Bild
du bist freundlich feind zu nennen
freundlich wie das wilde Wild/
feindlich wie die Nessel brennen.
Zart von Haaren wie ein Maus/
hart/ gleich einem Honighaus.
2.
Weder Speise noch Getrank
pfleg' ich jetzund auszuschlagen/
weil ich bin vor Liebe krank/
und kan nichts im Schlaffe sagen.
Hört'/ ich wach' und lebe wol:
gieb vom Denken keinen Zohl.
3.
Wegen deiner ist der Schnee
mir im Winter sehr beschwerlich/
wegen deiner ist der See
und der Donnerstral gefährlich:
Doch wann ich nicht gehe weit/
bin ich voll Beständigkeit.
4.
Jch weiß nicht/ was Eifer ist/
weil ich niemals hab gelesen/
daß der Monsieur Antichrist
sey ein Pfeiffers Sohn gewesen.
Warüm
Die zehende Stund.
1.
Meine Hirtin ſchoͤnſtes Bild
du biſt freundlich feind zu nennen
freundlich wie das wilde Wild/
feindlich wie die Neſſel brennen.
Zart von Haaren wie ein Maus/
hart/ gleich einem Honighaus.
2.
Weder Speíſe noch Getrank
pfleg’ ich jetzund auszuſchlagen/
weil ich bin vor Liebe krank/
und kan nichts im Schlaffe ſagen.
Hoͤrt’/ ich wach’ und lebe wol:
gieb vom Denken keinen Zohl.
3.
Wegen deiner iſt der Schnee
mir im Winter ſehr beſchwerlich/
wegen deiner iſt der See
und der Donnerſtral gefaͤhrlich:
Doch wann ich nicht gehe weit/
bin ich voll Beſtaͤndigkeit.
4.
Jch weiß nicht/ was Eifer iſt/
weil ich niemals hab geleſen/
daß der Monſieur Antichriſt
ſey ein Pfeiffers Sohn geweſen.
Waruͤm
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[64/0078] Die zehende Stund. 1. Meine Hirtin ſchoͤnſtes Bild du biſt freundlich feind zu nennen freundlich wie das wilde Wild/ feindlich wie die Neſſel brennen. Zart von Haaren wie ein Maus/ hart/ gleich einem Honighaus. 2. Weder Speíſe noch Getrank pfleg’ ich jetzund auszuſchlagen/ weil ich bin vor Liebe krank/ und kan nichts im Schlaffe ſagen. Hoͤrt’/ ich wach’ und lebe wol: gieb vom Denken keinen Zohl. 3. Wegen deiner iſt der Schnee mir im Winter ſehr beſchwerlich/ wegen deiner iſt der See und der Donnerſtral gefaͤhrlich: Doch wann ich nicht gehe weit/ bin ich voll Beſtaͤndigkeit. 4. Jch weiß nicht/ was Eifer iſt/ weil ich niemals hab geleſen/ daß der Monſieur Antichriſt ſey ein Pfeiffers Sohn geweſen. Waruͤm

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/78>, abgerufen am 28.04.2024.