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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die sechste Stund.
sen werden/ wann es das Geschlechtwort/ oder
die mehrere Zahl erfordert. Jch kan in gebund-
ner Rede (wiewol sonst der Pöbel zu reden pfle-
get/) nicht setzen: Mein Frau/ mein Faust/
viel Händ/ drey Tisch etc.
sondern Meine
Frau/ meine Faust/ viel Hände/ drey Ti-
sche etc.

26. Wie nun das e besagter massen nicht kan
ausgelassen werden/ also kan es auch nicht ohne
Ursache zu Erfüllung deß Reimmasses angefü-
get werden. Jch kan nicht sagen/ das Hertze/ das
Grabe/ der Herre/ etc. Weil wir in ungebundner
Rede auch nicht so sagen/ und ist dieses keine
Nohtfreyheit/ welche wider die Eigenschaft uns-
rer Sprache streitet.

27. Jn den Liedern muß ein iedes Gesetz/ o-
der Satz eine gantze Meinung schliessen/ und durch
die Pausen/ oder Absatz der Noten nicht unter-
brochen werden. Die Fehler in dem Reimge-
bände sind leichtlich zu erkennen/ wann fie in die
Melodeyen gesetzet werden. Als in dem schönen
Lied/

[Abbildung] [Abbildung] Wann wir in höchsten Nöhten seyn/ etc.

hangen die zwey ersten Gesetze wider die Regel
aneinander; und ist in dem Satz die zweyte
Reimzeil langkurtz:

allen/
H ij

Die ſechſte Stund.
ſen werden/ wann es das Geſchlechtwort/ oder
die mehrere Zahl erfordert. Jch kan in gebund-
ner Rede (wiewol ſonſt der Poͤbel zu reden pfle-
get/) nicht ſetzen: Mein Frau/ mein Fauſt/
viel Haͤnd/ drey Tiſch ꝛc.
ſondern Meine
Frau/ meine Fauſt/ viel Haͤnde/ drey Ti-
ſche ꝛc.

26. Wie nun das e beſagter maſſen nicht kan
ausgelaſſen werden/ alſo kan es auch nicht ohne
Urſache zu Erfuͤllung deß Reimmaſſes angefuͤ-
get werden. Jch kan nicht ſagen/ das Hertze/ das
Grabe/ der Herre/ ꝛc. Weil wir in ungebundner
Rede auch nicht ſo ſagen/ und iſt dieſes keine
Nohtfreyheit/ welche wider die Eigenſchaft unſ-
rer Sprache ſtreitet.

27. Jn den Liedern muß ein iedes Geſetz/ o-
der Satz eine gantze Meinung ſchlieſſen/ uñ durch
die Pauſen/ oder Abſatz der Noten nicht unter-
brochen werden. Die Fehler in dem Reimge-
baͤnde ſind leichtlich zu erkennen/ wann fie in die
Melodeyen geſetzet werden. Als in dem ſchoͤnen
Lied/

[Abbildung] [Abbildung] Wann wir in hoͤchſten Noͤhten ſeyn/ ꝛc.

hangen die zwey erſten Geſetze wider die Regel
aneinander; und iſt in dem Satz die zweyte
Reimzeil langkurtz:

allen/
H ij
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[119[115]/0133] Die ſechſte Stund. ſen werden/ wann es das Geſchlechtwort/ oder die mehrere Zahl erfordert. Jch kan in gebund- ner Rede (wiewol ſonſt der Poͤbel zu reden pfle- get/) nicht ſetzen: Mein Frau/ mein Fauſt/ viel Haͤnd/ drey Tiſch ꝛc. ſondern Meine Frau/ meine Fauſt/ viel Haͤnde/ drey Ti- ſche ꝛc. 26. Wie nun das e beſagter maſſen nicht kan ausgelaſſen werden/ alſo kan es auch nicht ohne Urſache zu Erfuͤllung deß Reimmaſſes angefuͤ- get werden. Jch kan nicht ſagen/ das Hertze/ das Grabe/ der Herre/ ꝛc. Weil wir in ungebundner Rede auch nicht ſo ſagen/ und iſt dieſes keine Nohtfreyheit/ welche wider die Eigenſchaft unſ- rer Sprache ſtreitet. 27. Jn den Liedern muß ein iedes Geſetz/ o- der Satz eine gantze Meinung ſchlieſſen/ uñ durch die Pauſen/ oder Abſatz der Noten nicht unter- brochen werden. Die Fehler in dem Reimge- baͤnde ſind leichtlich zu erkennen/ wann fie in die Melodeyen geſetzet werden. Als in dem ſchoͤnen Lied/ [Abbildung] [Abbildung] Wann wir in hoͤchſten Noͤhten ſeyn/ ꝛc. hangen die zwey erſten Geſetze wider die Regel aneinander; und iſt in dem Satz die zweyte Reimzeil langkurtz: allen/ H ij

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 119[115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/133>, abgerufen am 27.11.2024.