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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die sechste Stund.
Wann aber das e keine Syllbe absonderlich ma-
chet/ als in wie/ die/ nie/ etc. so ist ohne Noht/ daß
man das e wegwerffe/ weil es mit der Syllben
deß folgenden Worts nicht verhängt wird/ kan
also wol sagen:

Wie? ist die erste Krafft noch nie von ihm ge-
gangen?

und nicht:

Wi? ist di' erste Krafft noch nie etc.

Sonder Zweiffel aber mag das e stehen bleiben/
wo eine Meinung geschlossen/ und in der Rede
ein wenig stillgehalten wird. Als:

Ach schöne! Euer Thun weist hoher Tu-
gend Lob.

24. Wann das e zu Ende stehet/ kan es blei-
ben/ und zuzeiten auch weggeworffen werden/
wann ein Stimmer (vocalis) folget. Hier auß ist
zu schliessen/ daß das Hinterstrichlein zwischen
zweyen Mitstimmern (Consonantibus) nicht
statt findet/ und darf ich nicht schreiben lieb't/
geh't/ frag't/ für liebet/ gehet/ fraget: weil das e in
ungebundner Rede ohne Zwang kan also auß-
gelassen werden; welches aber in der Weise zu en-
digen (in modo infinitivo) nicht verzwicket gül-
tig ist/ wann ich schreiben und sagen wolte/ liebn/
behagn/ fragn.

25. Gleicherweise kan das e nicht ausgelas-

len

Die ſechſte Stund.
Wann aber das e keine Syllbe abſonderlich ma-
chet/ als in wie/ die/ nie/ ꝛc. ſo iſt ohne Noht/ daß
man das e wegwerffe/ weil es mit der Syllben
deß folgenden Worts nicht verhaͤngt wird/ kan
alſo wol ſagen:

Wie? iſt die erſte Krafft noch nie von ihm ge-
gangen?

und nicht:

Wi? iſt di’ erſte Krafft noch nie ꝛc.

Sonder Zweiffel aber mag das e ſtehen bleiben/
wo eine Meinung geſchloſſen/ und in der Rede
ein wenig ſtillgehalten wird. Als:

Ach ſchoͤne! Euer Thun weiſt hoher Tu-
gend Lob.

24. Wann das e zu Ende ſtehet/ kan es blei-
ben/ und zuzeiten auch weggeworffen werden/
wann ein Stimmer (vocalis) folget. Hier auß iſt
zu ſchlieſſen/ daß das Hinterſtrichlein zwiſchen
zweyen Mitſtimmern (Conſonantibus) nicht
ſtatt findet/ und darf ich nicht ſchreiben lieb’t/
geh’t/ frag’t/ fuͤr liebet/ gehet/ fraget: weil das e in
ungebundner Rede ohne Zwang kan alſo auß-
gelaſſen werden; welches aber in der Weiſe zu en-
digen (in modo infinitivo) nicht verzwicket guͤl-
tig iſt/ wann ich ſchreiben und ſagen wolte/ liebn/
behagn/ fragn.

25. Gleicherweiſe kan das e nicht ausgelaſ-

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[118[114]/0132] Die ſechſte Stund. Wann aber das e keine Syllbe abſonderlich ma- chet/ als in wie/ die/ nie/ ꝛc. ſo iſt ohne Noht/ daß man das e wegwerffe/ weil es mit der Syllben deß folgenden Worts nicht verhaͤngt wird/ kan alſo wol ſagen: Wie? iſt die erſte Krafft noch nie von ihm ge- gangen? und nicht: Wi? iſt di’ erſte Krafft noch nie ꝛc. Sonder Zweiffel aber mag das e ſtehen bleiben/ wo eine Meinung geſchloſſen/ und in der Rede ein wenig ſtillgehalten wird. Als: Ach ſchoͤne! Euer Thun weiſt hoher Tu- gend Lob. 24. Wann das e zu Ende ſtehet/ kan es blei- ben/ und zuzeiten auch weggeworffen werden/ wann ein Stimmer (vocalis) folget. Hier auß iſt zu ſchlieſſen/ daß das Hinterſtrichlein zwiſchen zweyen Mitſtimmern (Conſonantibus) nicht ſtatt findet/ und darf ich nicht ſchreiben lieb’t/ geh’t/ frag’t/ fuͤr liebet/ gehet/ fraget: weil das e in ungebundner Rede ohne Zwang kan alſo auß- gelaſſen werden; welches aber in der Weiſe zu en- digen (in modo infinitivo) nicht verzwicket guͤl- tig iſt/ wann ich ſchreiben und ſagen wolte/ liebn/ behagn/ fragn. 25. Gleicherweiſe kan das e nicht ausgelaſ- len

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 118[114]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/132>, abgerufen am 02.05.2024.