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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die sechste Stund.
Da gab ihm fein Gott Phöbus schon
wol einen Lorbeerkrantz zu Lohn.

Solchen Reimschmieden gehört nit der Lorbeer-
krantz/ sondern Midaskron. Wo aber diese Wör-
ter etwas bedeuten/ so können sie nicht für müssig
gescholten werden. Als wann der Poet sagt:

Die Thüre fein gemach mit stiller Hand
aufmachen.
Jch wolte wol ietzt hier nicht ligen/ wann
der Winter were weg etc.
Deß Abends setzt man schon
die Sichel an/ und machet Heu da-
von etc. Opitz Psalm 90.

23. Es ist aber für einen Fehler auszusetzen/
wann auf das e ein Stimmer folget/ da dann auch
in ungebundner Rede das e aus gelassen wird/
als wann ich sage: es belangt meine Ehre/
da höret man/ daß die zusammentreffende e E
gleichsam in eine Syllbe gefüget werden. Also
ist die Reimzeil nicht richtig/ wann man setzet:

Meine Angst ist übergroß/

es muß das e durch das Hinterstrichlein wegge-
worffen werden: also: Mein' Angst etc. Hierin-
nen haben die Wörter/ welche von einem H an-
fangen/ eine Freyheit/ daß ich das Hinterstrich-
lein gebrauchen kan/ und auch auslassen/ Jch
kan sagen: Dein' Hand/ und deine Hand.

Wann
H
Die ſechſte Stund.
Da gab ihm fein Gott Phoͤbus ſchon
wol einen Lorbeerkrantz zu Lohn.

Solchen Reimſchmieden gehoͤrt nit der Lorbeer-
krantz/ ſondern Midaskron. Wo aber dieſe Woͤr-
ter etwas bedeuten/ ſo koͤnnen ſie nicht fuͤr muͤſſig
geſcholten werden. Als wann der Poet ſagt:

Die Thuͤre fein gemach mit ſtiller Hand
aufmachen.
Jch wolte wol ietzt hier nicht ligen/ wann
der Winter were weg ꝛc.
Deß Abends ſetzt man ſchon
die Sichel an/ und machet Heu da-
von ꝛc. Opitz Pſalm 90.

23. Es iſt aber fuͤr einen Fehler auszuſetzen/
wañ auf das e ein Stimmer folget/ da dañ auch
in ungebundner Rede das e aus gelaſſen wird/
als wann ich ſage: es belangt meine Ehre/
da hoͤret man/ daß die zuſammentreffende e E
gleichſam in eine Syllbe gefuͤget werden. Alſo
iſt die Reimzeil nicht richtig/ wann man ſetzet:

Meine Angſt iſt uͤbergroß/

es muß das e durch das Hinterſtrichlein wegge-
worffen werden: alſo: Mein’ Angſt ꝛc. Hierin-
nen haben die Woͤrter/ welche von einem H an-
fangen/ eine Freyheit/ daß ich das Hinterſtrich-
lein gebrauchen kan/ und auch auslaſſen/ Jch
kan ſagen: Dein’ Hand/ und deine Hand.

Wann
H
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[117[113]/0131] Die ſechſte Stund. Da gab ihm fein Gott Phoͤbus ſchon wol einen Lorbeerkrantz zu Lohn. Solchen Reimſchmieden gehoͤrt nit der Lorbeer- krantz/ ſondern Midaskron. Wo aber dieſe Woͤr- ter etwas bedeuten/ ſo koͤnnen ſie nicht fuͤr muͤſſig geſcholten werden. Als wann der Poet ſagt: Die Thuͤre fein gemach mit ſtiller Hand aufmachen. Jch wolte wol ietzt hier nicht ligen/ wann der Winter were weg ꝛc. Deß Abends ſetzt man ſchon die Sichel an/ und machet Heu da- von ꝛc. Opitz Pſalm 90. 23. Es iſt aber fuͤr einen Fehler auszuſetzen/ wañ auf das e ein Stimmer folget/ da dañ auch in ungebundner Rede das e aus gelaſſen wird/ als wann ich ſage: es belangt meine Ehre/ da hoͤret man/ daß die zuſammentreffende e E gleichſam in eine Syllbe gefuͤget werden. Alſo iſt die Reimzeil nicht richtig/ wann man ſetzet: Meine Angſt iſt uͤbergroß/ es muß das e durch das Hinterſtrichlein wegge- worffen werden: alſo: Mein’ Angſt ꝛc. Hierin- nen haben die Woͤrter/ welche von einem H an- fangen/ eine Freyheit/ daß ich das Hinterſtrich- lein gebrauchen kan/ und auch auslaſſen/ Jch kan ſagen: Dein’ Hand/ und deine Hand. Wann H

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 117[113]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/131>, abgerufen am 27.11.2024.