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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
seinen rechten Arm hinden auf den Rücken unter dem Mantel
verborgen/ und an Statt desselben einen Arm/ welchen er einem
erhangenen Dieb am Galgen abgeschnitten/ vor sich hangend
gehabt/ welchen er hatte an deß andern Statt gehefftet/ und
vorgegeben/ als wäre ihm der gantze Arm also außgedorret.
Was geschicht? Als ihm Jedermann auß Mitleyden mildiglich
steuerte/ und er sich immerdar mit der andern Hand bewegen/
und das Allmosen einnehmen muste/ und darneben der todte
Diebs-Arm nicht vest angehefftet war/ da fiel er von seinem
Leib herunter auf die Erden/ dardurch ward sein Buhenstück
offenbahret/ und er in das Gefängnüß geworffen/ mit Ruthen
außgestrichen/ das todte Schelmen-Bein oder Diebs-Arm ihm
an den Halß gehencket/ und er deß Landes verwiesen. Olorinus.

Auch ist eine Bettlerin gen Utrecht kommen/ welche ihre
Brust gezeiget/ als ob sie den umfressenden Krebs daran hätte/
welches dann gar abscheulich anzusehen war/ derowegen auch
viel Leute ein grosses Mitleyden mit ihr hatten/ dieweil sie aber
doch darneben eine gesunde frische Farbe unter dem Gesicht hat-
te/ gab solches etlichen Leuten grossen Verdacht/ ob irgend ein
Bubenstück darhinter wäre/ derowegen war einem bewährten
Artzt anbefohlen/ den Schaden eigentlich zu besichtigen/ ob ihr
noch etwa möchte geholffen werden. Als nun der Artzt den
Schaden besichtigen wolte/ befand er unter ihrem Arm einen
grossen Schwamm/ welchen sie mit Blut und Milch unter ein-
ander vermischet/ gefüllet hatte/ darneben befand er/ daß sie
beimliche Röhrlein von Hollunder neben und unter die Brust
gestecket hatte/ durch welche die vermischte Milch und Blut auß
dem Schwamm in ihre untergesteckte Haderlumpen lieffen;
Und über die Brust hatte sie geleget etliche Stücke von schwar-
tzen/ gelben und grünen geschundenen Fröschen/ welche sie mit
vermischtem Meel und Eyerweiß gleichsam an die Brust gelei-
met hatte. Als nun dieser Betrug offenbahr worden/ hat man
sie alsbald ins Gefängnüß geworffen/ und als sie befraget/ von
wem sie solches gelernet/ hat sie bekannt/ sie habe solches von
einem Land-Bettler/ welcher mit ihr zuhielte/ und derselbige
pflege und könne ein Ochsen-Miltz so artig um seine Beine ma-
chen/ und durch heimliche Röhrlein Blut darein bringen/ daß
man nicht anders meyne/ als es wäre das rohe Fleisch an seinem
eigenen Beine/ welches also immerdar mit Blut und Eyter
trieffe/ ob man ihn nun wol alsbald gesucht gehabt/ so hat man
ihn doch nicht antreffen mögen/ dann er sich/ nachdem er Lunten

gerochen/
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Romans II. Buch.
ſeinen rechten Arm hinden auf den Ruͤcken unter dem Mantel
verborgen/ und an Statt deſſelben einen Arm/ welchen er einem
erhangenen Dieb am Galgen abgeſchnitten/ vor ſich hangend
gehabt/ welchen er hatte an deß andern Statt gehefftet/ und
vorgegeben/ als waͤre ihm der gantze Arm alſo außgedorret.
Was geſchicht? Als ihm Jedermann auß Mitleyden mildiglich
ſteuerte/ und er ſich immerdar mit der andern Hand bewegen/
und das Allmoſen einnehmen muſte/ und darneben der todte
Diebs-Arm nicht veſt angehefftet war/ da fiel er von ſeinem
Leib herunter auf die Erden/ dardurch ward ſein Buhenſtuͤck
offenbahret/ und er in das Gefaͤngnuͤß geworffen/ mit Ruthen
außgeſtrichen/ das todte Schelmen-Bein oder Diebs-Arm ihm
an den Halß gehencket/ und er deß Landes verwieſen. Olorinus.

Auch iſt eine Bettlerin gen Utrecht kommen/ welche ihre
Bruſt gezeiget/ als ob ſie den umfreſſenden Krebs daran haͤtte/
welches dann gar abſcheulich anzuſehen war/ derowegen auch
viel Leute ein groſſes Mitleyden mit ihr hatten/ dieweil ſie aber
doch darneben eine geſunde friſche Farbe unter dem Geſicht hat-
te/ gab ſolches etlichen Leuten groſſen Verdacht/ ob irgend ein
Bubenſtuͤck darhinter waͤre/ derowegen war einem bewaͤhrten
Artzt anbefohlen/ den Schaden eigentlich zu beſichtigen/ ob ihr
noch etwa moͤchte geholffen werden. Als nun der Artzt den
Schaden beſichtigen wolte/ befand er unter ihrem Arm einen
groſſen Schwamm/ welchen ſie mit Blut und Milch unter ein-
ander vermiſchet/ gefuͤllet hatte/ darneben befand er/ daß ſie
beimliche Roͤhrlein von Hollunder neben und unter die Bruſt
geſtecket hatte/ durch welche die vermiſchte Milch und Blut auß
dem Schwamm in ihre untergeſteckte Haderlumpen lieffen;
Und uͤber die Bruſt hatte ſie geleget etliche Stuͤcke von ſchwar-
tzen/ gelben und gruͤnen geſchundenen Froͤſchen/ welche ſie mit
vermiſchtem Meel und Eyerweiß gleichſam an die Bruſt gelei-
met hatte. Als nun dieſer Betrug offenbahr worden/ hat man
ſie alsbald ins Gefaͤngnuͤß geworffen/ und als ſie befraget/ von
wem ſie ſolches gelernet/ hat ſie bekannt/ ſie habe ſolches von
einem Land-Bettler/ welcher mit ihr zuhielte/ und derſelbige
pflege und koͤnne ein Ochſen-Miltz ſo artig um ſeine Beine ma-
chen/ und durch heimliche Roͤhrlein Blut darein bringen/ daß
man nicht anders meyne/ als es waͤre das rohe Fleiſch an ſeinem
eigenen Beine/ welches alſo immerdar mit Blut und Eyter
trieffe/ ob man ihn nun wol alsbald geſucht gehabt/ ſo hat man
ihn doch nicht antreffen moͤgen/ dann er ſich/ nachdem er Lunten

gerochen/
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[899/0919] Romans II. Buch. ſeinen rechten Arm hinden auf den Ruͤcken unter dem Mantel verborgen/ und an Statt deſſelben einen Arm/ welchen er einem erhangenen Dieb am Galgen abgeſchnitten/ vor ſich hangend gehabt/ welchen er hatte an deß andern Statt gehefftet/ und vorgegeben/ als waͤre ihm der gantze Arm alſo außgedorret. Was geſchicht? Als ihm Jedermann auß Mitleyden mildiglich ſteuerte/ und er ſich immerdar mit der andern Hand bewegen/ und das Allmoſen einnehmen muſte/ und darneben der todte Diebs-Arm nicht veſt angehefftet war/ da fiel er von ſeinem Leib herunter auf die Erden/ dardurch ward ſein Buhenſtuͤck offenbahret/ und er in das Gefaͤngnuͤß geworffen/ mit Ruthen außgeſtrichen/ das todte Schelmen-Bein oder Diebs-Arm ihm an den Halß gehencket/ und er deß Landes verwieſen. Olorinus. Auch iſt eine Bettlerin gen Utrecht kommen/ welche ihre Bruſt gezeiget/ als ob ſie den umfreſſenden Krebs daran haͤtte/ welches dann gar abſcheulich anzuſehen war/ derowegen auch viel Leute ein groſſes Mitleyden mit ihr hatten/ dieweil ſie aber doch darneben eine geſunde friſche Farbe unter dem Geſicht hat- te/ gab ſolches etlichen Leuten groſſen Verdacht/ ob irgend ein Bubenſtuͤck darhinter waͤre/ derowegen war einem bewaͤhrten Artzt anbefohlen/ den Schaden eigentlich zu beſichtigen/ ob ihr noch etwa moͤchte geholffen werden. Als nun der Artzt den Schaden beſichtigen wolte/ befand er unter ihrem Arm einen groſſen Schwamm/ welchen ſie mit Blut und Milch unter ein- ander vermiſchet/ gefuͤllet hatte/ darneben befand er/ daß ſie beimliche Roͤhrlein von Hollunder neben und unter die Bruſt geſtecket hatte/ durch welche die vermiſchte Milch und Blut auß dem Schwamm in ihre untergeſteckte Haderlumpen lieffen; Und uͤber die Bruſt hatte ſie geleget etliche Stuͤcke von ſchwar- tzen/ gelben und gruͤnen geſchundenen Froͤſchen/ welche ſie mit vermiſchtem Meel und Eyerweiß gleichſam an die Bruſt gelei- met hatte. Als nun dieſer Betrug offenbahr worden/ hat man ſie alsbald ins Gefaͤngnuͤß geworffen/ und als ſie befraget/ von wem ſie ſolches gelernet/ hat ſie bekannt/ ſie habe ſolches von einem Land-Bettler/ welcher mit ihr zuhielte/ und derſelbige pflege und koͤnne ein Ochſen-Miltz ſo artig um ſeine Beine ma- chen/ und durch heimliche Roͤhrlein Blut darein bringen/ daß man nicht anders meyne/ als es waͤre das rohe Fleiſch an ſeinem eigenen Beine/ welches alſo immerdar mit Blut und Eyter trieffe/ ob man ihn nun wol alsbald geſucht gehabt/ ſo hat man ihn doch nicht antreffen moͤgen/ dann er ſich/ nachdem er Lunten gerochen/ L l l 2

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/919>, abgerufen am 23.11.2024.