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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
des habe wollen compensiren; Oder/ daß die Noth
und der Hunger den Armen das Ingenium schärffe/
oder/ weil sie von der Mühe und Sorge/ die der Reich-
thum mit sich bringet/ entschlagen seynd/ dahero sie
ein viel geruhigers und geschickters Gemüth zu allen
Wissenschafften haben/ als welche eine vollkommene
Ruhe und Tranquillität der Seelen erfordern. Was
die Tugend anbelanget/ worzu der Steig voller Di-
stel und Dornen ist/ hat die Armuth auch einen leich-
tern und mehrern Zugang darzu/ als der Reichthum/
nicht nur in dem Evangelio/ da der HErr Christus
saget: Daß es leichter sey/ daß ein Cameel durch ein
Nadelöhr gehe/ als daß ein Reicher ins Himmelreich
komme/ dessen Thüre gleichwol die Tugenden seynd;
Sondern auch dem Moral-Verstand deß jetzigen Le-
bens nach/ darinnen zu Folge der H. Schrifft/ die Ar-
muth verständig und klug macht/ und Anlaß gibt zur
Mässigkeit/ Nüchterkeit und Keuschheit/ die von der
Armuth ungeschieden seyn. Sie lehret die Gedult/
alles Elend dieses Lebens mit grossem Muth zu er-
tragen/ wordurch endlich das Gemüth unüberwind-
lich wird. Da hingegen der Reichthum gemeiniglich
mit den Lastern/ die der Weißheit am meisten zuwi-
der seynd/ behafftet ist; Als unter andern mit der
Einbildung und Vanität/ oder Eitelkeit/ mit Wollust
und Zärtlichkeit/ von welchen Lastern das Erste/ der
wahren Wissenschafft gantz entgegen ist/ dann der
Hochmuth kommt nur auß Ignoranten/ welche der
Printz der Poeten männlich und arbeitsam nennet.
Uber das hat uns auch die Natur selbst sehen lassen/
was deß Reichthums Art sey/ dieweil die Erde/ darin-
nen Gold wächset/ gemeiniglich eben so unfruchtbar
ist/ als das Gemüth der Jenigen/ die es besitzen/ und
daß die Leute/ die in reichen und guten Ländern woh-

nen/

Deß Academiſchen
des habe wollen compenſiren; Oder/ daß die Noth
und der Hunger den Armen das Ingenium ſchaͤrffe/
oder/ weil ſie von der Muͤhe und Sorge/ die der Reich-
thum mit ſich bringet/ entſchlagen ſeynd/ dahero ſie
ein viel geruhigers und geſchickters Gemuͤth zu allen
Wiſſenſchafften haben/ als welche eine vollkommene
Ruhe und Tranquillitaͤt der Seelen erfordern. Was
die Tugend anbelanget/ worzu der Steig voller Di-
ſtel und Dornen iſt/ hat die Armuth auch einen leich-
tern und mehrern Zugang darzu/ als der Reichthum/
nicht nur in dem Evangelio/ da der HErꝛ Chriſtus
ſaget: Daß es leichter ſey/ daß ein Cameel durch ein
Nadeloͤhr gehe/ als daß ein Reicher ins Himmelreich
komme/ deſſen Thuͤre gleichwol die Tugenden ſeynd;
Sondern auch dem Moral-Verſtand deß jetzigen Le-
bens nach/ darinnen zu Folge der H. Schrifft/ die Ar-
muth verſtaͤndig und klug macht/ und Anlaß gibt zur
Maͤſſigkeit/ Nuͤchterkeit und Keuſchheit/ die von der
Armuth ungeſchieden ſeyn. Sie lehret die Gedult/
alles Elend dieſes Lebens mit groſſem Muth zu er-
tragen/ wordurch endlich das Gemuͤth unuͤberwind-
lich wird. Da hingegen der Reichthum gemeiniglich
mit den Laſtern/ die der Weißheit am meiſten zuwi-
der ſeynd/ behafftet iſt; Als unter andern mit der
Einbildung und Vanitaͤt/ oder Eitelkeit/ mit Wolluſt
und Zaͤrtlichkeit/ von welchen Laſtern das Erſte/ der
wahren Wiſſenſchafft gantz entgegen iſt/ dann der
Hochmuth kommt nur auß Ignoranten/ welche der
Printz der Poeten maͤnnlich und arbeitſam nennet.
Uber das hat uns auch die Natur ſelbſt ſehen laſſen/
was deß Reichthums Art ſey/ dieweil die Erde/ darin-
nen Gold waͤchſet/ gemeiniglich eben ſo unfruchtbar
iſt/ als das Gemuͤth der Jenigen/ die es beſitzen/ und
daß die Leute/ die in reichen und guten Laͤndern woh-

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[626/0644] Deß Academiſchen des habe wollen compenſiren; Oder/ daß die Noth und der Hunger den Armen das Ingenium ſchaͤrffe/ oder/ weil ſie von der Muͤhe und Sorge/ die der Reich- thum mit ſich bringet/ entſchlagen ſeynd/ dahero ſie ein viel geruhigers und geſchickters Gemuͤth zu allen Wiſſenſchafften haben/ als welche eine vollkommene Ruhe und Tranquillitaͤt der Seelen erfordern. Was die Tugend anbelanget/ worzu der Steig voller Di- ſtel und Dornen iſt/ hat die Armuth auch einen leich- tern und mehrern Zugang darzu/ als der Reichthum/ nicht nur in dem Evangelio/ da der HErꝛ Chriſtus ſaget: Daß es leichter ſey/ daß ein Cameel durch ein Nadeloͤhr gehe/ als daß ein Reicher ins Himmelreich komme/ deſſen Thuͤre gleichwol die Tugenden ſeynd; Sondern auch dem Moral-Verſtand deß jetzigen Le- bens nach/ darinnen zu Folge der H. Schrifft/ die Ar- muth verſtaͤndig und klug macht/ und Anlaß gibt zur Maͤſſigkeit/ Nuͤchterkeit und Keuſchheit/ die von der Armuth ungeſchieden ſeyn. Sie lehret die Gedult/ alles Elend dieſes Lebens mit groſſem Muth zu er- tragen/ wordurch endlich das Gemuͤth unuͤberwind- lich wird. Da hingegen der Reichthum gemeiniglich mit den Laſtern/ die der Weißheit am meiſten zuwi- der ſeynd/ behafftet iſt; Als unter andern mit der Einbildung und Vanitaͤt/ oder Eitelkeit/ mit Wolluſt und Zaͤrtlichkeit/ von welchen Laſtern das Erſte/ der wahren Wiſſenſchafft gantz entgegen iſt/ dann der Hochmuth kommt nur auß Ignoranten/ welche der Printz der Poeten maͤnnlich und arbeitſam nennet. Uber das hat uns auch die Natur ſelbſt ſehen laſſen/ was deß Reichthums Art ſey/ dieweil die Erde/ darin- nen Gold waͤchſet/ gemeiniglich eben ſo unfruchtbar iſt/ als das Gemuͤth der Jenigen/ die es beſitzen/ und daß die Leute/ die in reichen und guten Laͤndern woh- nen/

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/644>, abgerufen am 22.11.2024.