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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
oder dem Judicio, die Beweiß-Reden vor/ wordurch
er zu seinem Zweck zu gelangen gedencket. Und es
ist unstreitig/ daß die Hertzhafftigkeit ohne dem Judi-
cio
nur eine Brutalität/ und keiner Tugend Namen
meritiret; Ohne dem Judicio ist der Sinn-reiche
Verstand/ und alle seine Inventionen nur Castelle in
der Lufft/ und eitele Phantasien/ die einem Hauß so in
lauter Windelstiegen bestehet/ und worinn sonst kei-
ne Gemächer noch Kammern/ wol können verglichen
werden. Dann die Inventionen/ worbey kein Judi-
cium
ist/ bleiben nimmer auf etwas gewisses/ sondern
hüpffen allezeit von einem Zweig/ oder von einem
Fund auf den andern/ wie die Eych-Hörner. Gar
selten nutzen sie auch den Erfindern so viel/ als dem/
der ein gutes Judicium hat/ und sie recht zugebrauchen
weiß/ und wird man die meisten Sinn-reiche Inven-
tion
en finden bey denen/ die am wenigsten in der Pra-
ctique
geübet sind/ dann die Unerfahrenheit machet/
daß man viel Dinge in der Speculation leicht zu seyn
erachtet/ die in der Practique unmöglich seyn/ und die
derohalben ein Practicus nimmer leichtlich annehmen/
sondern manchmahl alsbald verwerffen wird.

Ja es wird einem sein reicher Verstand nichts
helffen/ wann er kein Judicium hat/ sich dessen zuge-
brauchen/ wie öffters geschicht; Ausser dem fehlet es
einem Narren manchmahl nicht an Scharffsinnig-
keit etwas zu reden oder zu thun/ sondern es wird
vielmehr der noch bey ihm übrige Verstand durch
die Hertzhafftigkeit/ und diese durch die Hitze der
Phrenesie, oder beginnenden Wahnsinnigkeit/ ge-
schärffet/ und actionabler gemacht/ als bey andern.
Also fehlet ihnen nichts/ als das Judicium, und wer-
den sie eben deßwegen/ weil es ihnen daran mangelt/
Narren genennet. Die Thiere haben gemeiniglich

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Romans II. Buch.
oder dem Judicio, die Beweiß-Reden vor/ wordurch
er zu ſeinem Zweck zu gelangen gedencket. Und es
iſt unſtreitig/ daß die Hertzhafftigkeit ohne dem Judi-
cio
nur eine Brutalitaͤt/ und keiner Tugend Namen
meritiret; Ohne dem Judicio iſt der Sinn-reiche
Verſtand/ und alle ſeine Inventionen nur Caſtelle in
der Lufft/ und eitele Phantaſien/ die einem Hauß ſo in
lauter Windelſtiegen beſtehet/ und worinn ſonſt kei-
ne Gemaͤcher noch Kammern/ wol koͤnnen verglichen
werden. Dann die Inventionen/ worbey kein Judi-
cium
iſt/ bleiben nimmer auf etwas gewiſſes/ ſondern
huͤpffen allezeit von einem Zweig/ oder von einem
Fund auf den andern/ wie die Eych-Hoͤrner. Gar
ſelten nutzen ſie auch den Erfindern ſo viel/ als dem/
der ein gutes Judicium hat/ und ſie recht zugebrauchen
weiß/ und wird man die meiſten Sinn-reiche Inven-
tion
en finden bey denen/ die am wenigſten in der Pra-
ctique
geuͤbet ſind/ dann die Unerfahrenheit machet/
daß man viel Dinge in der Speculation leicht zu ſeyn
erachtet/ die in der Practique unmoͤglich ſeyn/ und die
derohalben ein Practicus nimmer leichtlich annehmen/
ſondern manchmahl alsbald verwerffen wird.

Ja es wird einem ſein reicher Verſtand nichts
helffen/ wann er kein Judicium hat/ ſich deſſen zuge-
brauchen/ wie oͤffters geſchicht; Auſſer dem fehlet es
einem Narren manchmahl nicht an Scharffſinnig-
keit etwas zu reden oder zu thun/ ſondern es wird
vielmehr der noch bey ihm uͤbrige Verſtand durch
die Hertzhafftigkeit/ und dieſe durch die Hitze der
Phreneſie, oder beginnenden Wahnſinnigkeit/ ge-
ſchaͤrffet/ und actionabler gemacht/ als bey andern.
Alſo fehlet ihnen nichts/ als das Judicium, und wer-
den ſie eben deßwegen/ weil es ihnen daran mangelt/
Narren genennet. Die Thiere haben gemeiniglich

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[569/0585] Romans II. Buch. oder dem Judicio, die Beweiß-Reden vor/ wordurch er zu ſeinem Zweck zu gelangen gedencket. Und es iſt unſtreitig/ daß die Hertzhafftigkeit ohne dem Judi- cio nur eine Brutalitaͤt/ und keiner Tugend Namen meritiret; Ohne dem Judicio iſt der Sinn-reiche Verſtand/ und alle ſeine Inventionen nur Caſtelle in der Lufft/ und eitele Phantaſien/ die einem Hauß ſo in lauter Windelſtiegen beſtehet/ und worinn ſonſt kei- ne Gemaͤcher noch Kammern/ wol koͤnnen verglichen werden. Dann die Inventionen/ worbey kein Judi- cium iſt/ bleiben nimmer auf etwas gewiſſes/ ſondern huͤpffen allezeit von einem Zweig/ oder von einem Fund auf den andern/ wie die Eych-Hoͤrner. Gar ſelten nutzen ſie auch den Erfindern ſo viel/ als dem/ der ein gutes Judicium hat/ und ſie recht zugebrauchen weiß/ und wird man die meiſten Sinn-reiche Inven- tionen finden bey denen/ die am wenigſten in der Pra- ctique geuͤbet ſind/ dann die Unerfahrenheit machet/ daß man viel Dinge in der Speculation leicht zu ſeyn erachtet/ die in der Practique unmoͤglich ſeyn/ und die derohalben ein Practicus nimmer leichtlich annehmen/ ſondern manchmahl alsbald verwerffen wird. Ja es wird einem ſein reicher Verſtand nichts helffen/ wann er kein Judicium hat/ ſich deſſen zuge- brauchen/ wie oͤffters geſchicht; Auſſer dem fehlet es einem Narren manchmahl nicht an Scharffſinnig- keit etwas zu reden oder zu thun/ ſondern es wird vielmehr der noch bey ihm uͤbrige Verſtand durch die Hertzhafftigkeit/ und dieſe durch die Hitze der Phreneſie, oder beginnenden Wahnſinnigkeit/ ge- ſchaͤrffet/ und actionabler gemacht/ als bey andern. Alſo fehlet ihnen nichts/ als das Judicium, und wer- den ſie eben deßwegen/ weil es ihnen daran mangelt/ Narren genennet. Die Thiere haben gemeiniglich mehr N n 5

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/585>, abgerufen am 22.11.2024.