Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Deß Academischen

So hilfft und dienet auch die Courage zur In-
vention, daher saget man nicht allein in den Gericht-
Stuben in Franckreich: Au barreau, sondern auch
sonsten überall/ wann einer etwas redet oder thut/ das
von Jedermann gelobet wird/ daß es eine löbliche
Kühnheit gewesen sey/ und wann sie gleich sonst nir-
gends mehr in ihrem Werth/ so ist sie doch im Krieg
der Aller-Majestätischten und gewaltigsten Dinge
eine auf Erden/ und besitzet den Schau-Platz aller
heroischen Tugenden in ihrem höchsten Flor und
Würden/ und wird ihr gegentheiliges Laster/ die Zag-
hafftigkeit/ am höchsten gestraffet/ da hingegen die
Fehler deß Verstands und deß Judicii leichtlich über-
sehen werden/ wordurch eben dieses zu verstehen ge-
geben wird/ daß man die Hertzhafftigkeit so wol dem
Sinn-reichen Verstand/ als dem scharffen Judicio
vorziehe/ dieweil an Jener mehr/ als an diesen Bey-
den gelegen.

Der Amtmann sagte: Die Jenigen/ so einen
Sinn-reichen Geist und Hertzhafftigkeit über das
Judicium deß Menschen erheben wollen/ und ihres
guten Urtheils sich darzu gebrauchen/ daß sie solche
ihre Proposition mit äusserlichen Argumenten dar-
thun und beweisen/ dieselbe behaupten eben damit/
daß das Judicium den andern beyden Gaben fürzu-
ziehen sey. Dann/ wann sie auch gleich erhielten/ was
sie erweisen wollen/ so wurde man es nur ihrem gu-
ten Judicio zuschreiben/ und sie deßwegen aestimiren/
daß sie kräfftigere Argumenten erwählet hätten/ als
etwan andere führeten/ die dem Judicio den Vorzug
disputiren wolten. Wir sehen es allezeit in dem Lauff
der Welt/ daß ein Richter mehr ist/ als ein Advocat,
und der Sinn reiche Verstand kan sich nur mit die-
sem Letztern vergleichen/ dann er stellet dem Richter/

oder

Deß Academiſchen

So hilfft und dienet auch die Courage zur In-
vention, daher ſaget man nicht allein in den Gericht-
Stuben in Franckreich: Au barreau, ſondern auch
ſonſten uͤberall/ wann einer etwas redet oder thut/ das
von Jedermann gelobet wird/ daß es eine loͤbliche
Kuͤhnheit geweſen ſey/ und wann ſie gleich ſonſt nir-
gends mehr in ihrem Werth/ ſo iſt ſie doch im Krieg
der Aller-Majeſtaͤtiſchten und gewaltigſten Dinge
eine auf Erden/ und beſitzet den Schau-Platz aller
heroiſchen Tugenden in ihrem hoͤchſten Flor und
Wuͤrden/ und wird ihr gegentheiliges Laſter/ die Zag-
hafftigkeit/ am hoͤchſten geſtraffet/ da hingegen die
Fehler deß Verſtands und deß Judicii leichtlich uͤber-
ſehen werden/ wordurch eben dieſes zu verſtehen ge-
geben wird/ daß man die Hertzhafftigkeit ſo wol dem
Sinn-reichen Verſtand/ als dem ſcharffen Judicio
vorziehe/ dieweil an Jener mehr/ als an dieſen Bey-
den gelegen.

Der Amtmann ſagte: Die Jenigen/ ſo einen
Sinn-reichen Geiſt und Hertzhafftigkeit uͤber das
Judicium deß Menſchen erheben wollen/ und ihres
guten Urtheils ſich darzu gebrauchen/ daß ſie ſolche
ihre Propoſition mit aͤuſſerlichen Argumenten dar-
thun und beweiſen/ dieſelbe behaupten eben damit/
daß das Judicium den andern beyden Gaben fuͤrzu-
ziehen ſey. Dann/ wann ſie auch gleich erhielten/ was
ſie erweiſen wollen/ ſo wurde man es nur ihrem gu-
ten Judicio zuſchreiben/ und ſie deßwegen æſtimiren/
daß ſie kraͤfftigere Argumenten erwaͤhlet haͤtten/ als
etwan andere fuͤhreten/ die dem Judicio den Vorzug
diſputiren wolten. Wir ſehen es allezeit in dem Lauff
der Welt/ daß ein Richter mehr iſt/ als ein Advocat,
und der Sinn reiche Verſtand kan ſich nur mit die-
ſem Letztern vergleichen/ dann er ſtellet dem Richter/

oder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0584" n="568"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Deß <hi rendition="#aq">Academi</hi>&#x017F;chen</hi> </fw><lb/>
          <p>So hilfft und dienet auch die <hi rendition="#aq">Courage</hi> zur <hi rendition="#aq">In-<lb/>
vention,</hi> daher &#x017F;aget man nicht allein in den Gericht-<lb/>
Stuben in Franckreich: <hi rendition="#aq">Au barreau,</hi> &#x017F;ondern auch<lb/>
&#x017F;on&#x017F;ten u&#x0364;berall/ wann einer etwas redet oder thut/ das<lb/>
von Jedermann gelobet wird/ daß es eine lo&#x0364;bliche<lb/>
Ku&#x0364;hnheit gewe&#x017F;en &#x017F;ey/ und wann &#x017F;ie gleich &#x017F;on&#x017F;t nir-<lb/>
gends mehr in ihrem Werth/ &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie doch im Krieg<lb/>
der Aller-Maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;chten und gewaltig&#x017F;ten Dinge<lb/>
eine auf Erden/ und be&#x017F;itzet den Schau-Platz aller<lb/>
heroi&#x017F;chen Tugenden in ihrem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Flor und<lb/>
Wu&#x0364;rden/ und wird ihr gegentheiliges La&#x017F;ter/ die Zag-<lb/>
hafftigkeit/ am ho&#x0364;ch&#x017F;ten ge&#x017F;traffet/ da hingegen die<lb/>
Fehler deß Ver&#x017F;tands und deß <hi rendition="#aq">Judicii</hi> leichtlich u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;ehen werden/ wordurch eben die&#x017F;es zu ver&#x017F;tehen ge-<lb/>
geben wird/ daß man die Hertzhafftigkeit &#x017F;o wol dem<lb/>
Sinn-reichen Ver&#x017F;tand/ als dem &#x017F;charffen <hi rendition="#aq">Judicio</hi><lb/>
vorziehe/ dieweil an Jener mehr/ als an die&#x017F;en Bey-<lb/>
den gelegen.</p><lb/>
          <p>Der Amtmann &#x017F;agte: Die Jenigen/ &#x017F;o einen<lb/>
Sinn-reichen Gei&#x017F;t und Hertzhafftigkeit u&#x0364;ber das<lb/><hi rendition="#aq">Judicium</hi> deß Men&#x017F;chen erheben wollen/ und ihres<lb/>
guten Urtheils &#x017F;ich darzu gebrauchen/ daß &#x017F;ie &#x017F;olche<lb/>
ihre <hi rendition="#aq">Propo&#x017F;ition</hi> mit a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen <hi rendition="#aq">Argument</hi>en dar-<lb/>
thun und bewei&#x017F;en/ die&#x017F;elbe behaupten eben damit/<lb/>
daß das <hi rendition="#aq">Judicium</hi> den andern beyden Gaben fu&#x0364;rzu-<lb/>
ziehen &#x017F;ey. Dann/ wann &#x017F;ie auch gleich erhielten/ was<lb/>
&#x017F;ie erwei&#x017F;en wollen/ &#x017F;o wurde man es nur ihrem gu-<lb/>
ten <hi rendition="#aq">Judicio</hi> zu&#x017F;chreiben/ und &#x017F;ie deßwegen <hi rendition="#aq">æ&#x017F;timi</hi>ren/<lb/>
daß &#x017F;ie kra&#x0364;fftigere <hi rendition="#aq">Argument</hi>en erwa&#x0364;hlet ha&#x0364;tten/ als<lb/>
etwan andere fu&#x0364;hreten/ die dem <hi rendition="#aq">Judicio</hi> den Vorzug<lb/><hi rendition="#aq">di&#x017F;puti</hi>ren wolten. Wir &#x017F;ehen es allezeit in dem Lauff<lb/>
der Welt/ daß ein Richter mehr i&#x017F;t/ als ein <hi rendition="#aq">Advocat,</hi><lb/>
und der Sinn reiche Ver&#x017F;tand kan &#x017F;ich nur mit die-<lb/>
&#x017F;em Letztern vergleichen/ dann er &#x017F;tellet dem Richter/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[568/0584] Deß Academiſchen So hilfft und dienet auch die Courage zur In- vention, daher ſaget man nicht allein in den Gericht- Stuben in Franckreich: Au barreau, ſondern auch ſonſten uͤberall/ wann einer etwas redet oder thut/ das von Jedermann gelobet wird/ daß es eine loͤbliche Kuͤhnheit geweſen ſey/ und wann ſie gleich ſonſt nir- gends mehr in ihrem Werth/ ſo iſt ſie doch im Krieg der Aller-Majeſtaͤtiſchten und gewaltigſten Dinge eine auf Erden/ und beſitzet den Schau-Platz aller heroiſchen Tugenden in ihrem hoͤchſten Flor und Wuͤrden/ und wird ihr gegentheiliges Laſter/ die Zag- hafftigkeit/ am hoͤchſten geſtraffet/ da hingegen die Fehler deß Verſtands und deß Judicii leichtlich uͤber- ſehen werden/ wordurch eben dieſes zu verſtehen ge- geben wird/ daß man die Hertzhafftigkeit ſo wol dem Sinn-reichen Verſtand/ als dem ſcharffen Judicio vorziehe/ dieweil an Jener mehr/ als an dieſen Bey- den gelegen. Der Amtmann ſagte: Die Jenigen/ ſo einen Sinn-reichen Geiſt und Hertzhafftigkeit uͤber das Judicium deß Menſchen erheben wollen/ und ihres guten Urtheils ſich darzu gebrauchen/ daß ſie ſolche ihre Propoſition mit aͤuſſerlichen Argumenten dar- thun und beweiſen/ dieſelbe behaupten eben damit/ daß das Judicium den andern beyden Gaben fuͤrzu- ziehen ſey. Dann/ wann ſie auch gleich erhielten/ was ſie erweiſen wollen/ ſo wurde man es nur ihrem gu- ten Judicio zuſchreiben/ und ſie deßwegen æſtimiren/ daß ſie kraͤfftigere Argumenten erwaͤhlet haͤtten/ als etwan andere fuͤhreten/ die dem Judicio den Vorzug diſputiren wolten. Wir ſehen es allezeit in dem Lauff der Welt/ daß ein Richter mehr iſt/ als ein Advocat, und der Sinn reiche Verſtand kan ſich nur mit die- ſem Letztern vergleichen/ dann er ſtellet dem Richter/ oder

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/584
Zitationshilfe:	Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/584>, abgerufen am 22.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.