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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 8. Lothar von Supplinburg (1125-1137).
der Vaganten für die Erkenntnis der öffentlichen Meinung eine wichtige histo-
rische Quelle bilden, braucht hier nur angedeutet zu werden.

Was die neueren Darstellungen betrifft, so hat Raumers Geschichte
der Hohenstaufen 6 Bde. 5. Aufl. 1878, abgesehen etwa von der kultur-
geschichtlichen Sammlung am Schluß, jetzt nur noch historiographisches Inter-
esse. Auch Cherriers Histoire de la lutte des papes et des empereurs de
la maison de Souabe 3 Bde. 2. Aufl. 1858/59 ist veraltet. Neueren Datums
ist Jastrow-Winters Deutsche Geschichte i. Zeitalter der Hohenstaufen
I. II 1897. 1901, als Zusammenfassung nicht ohne Verdienst, aber höheren
Ansprüchen ebensowenig genügend, wie Loserths hier für den Abschnitt
v. 1197-1250 in Betracht kommende Geschichte des späteren Mittel-
alters
1903. Umfassendere Werke sind im Eingang, Monographien unten an
ihrem Orte vermerkt.

§ 8. Lothar von Supplinburg (1125-1137).

Über die Mainzer Königswahl des Jahres 1125 liegt uns der
ausführliche Bericht eines Augenzeugen vor1), wie über die Erhe-
bung des ersten salischen Herrschers. Ein Vergleich zeigt den Wandel
der Zeiten. Damals lenkte die anscheinend völlig freie Wahl zurück
zum legitimen Erbrecht; jetzt galt der Anspruch von Heinrichs V.
staufischem Neffen Herzog Friedrich von Schwaben den auf ihre
erstarkte Selbständigkeit und ihr freies Wahlrecht pochenden deut-
schen Fürsten fast schon als Hinderungsgrund. Zu den verfassungs-
rechtlichen traten kirchenpolitische Bedenken. Wer mit dem Erz-
bischof Adalbert von Mainz die Halbheit des Wormser Konkordats
und nun gar die Art seiner Handhabung durch den verstorbenen
Kaiser verdammte, konnte von dem Erben und Förderer seiner
Politik nicht viel Gutes erwarten und mußte sich nach einem
andern Anwärter umsehen. Da empfahl sich in jeder Hinsicht
Herzog Lothar von Sachsen, mächtig genug, um sich durchzusetzen,
aber durch Alter und Söhnelosigkeit dem Fürstenwahlrecht unge-
fährlich, durch seine Feindschaft mit Heinrich V. und streng kirch-
liche Gesinnung erprobt. Seine Wahl hat Adalbert in der Tat
durch überaus geschickte, aber völlig gewissenlose Leitung der Ver-
sammlung durchzusetzen verstanden. Die verfängliche Frage an
Herzog Friedrich, von dem die Auslieferung der Reichsinsignien
vorher schlau erlangt war, ob er wie die übrigen Bewerber neben
dem fürstlichen Wahlrecht einen Erbanspruch nicht anerkenne, und
die ausweichende Antwort, die jener darauf nur geben konnte,
verdarben die staufischen Aussichten gründlich. Eine geheime
Abmachung mit dem Bayernherzog, dessen Sohne Heinrich dem

1) Erzählung der Wahl Lothars, M. G. SS. XII, 509 ff. von einem un-
genannten Geistlichen der Salzburger Kirchenprovinz, der für den Bischof
von Regensburg besonderes Interesse bekundet.

§ 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137).
der Vaganten für die Erkenntnis der öffentlichen Meinung eine wichtige histo-
rische Quelle bilden, braucht hier nur angedeutet zu werden.

Was die neueren Darstellungen betrifft, so hat Raumers Geschichte
der Hohenstaufen 6 Bde. 5. Aufl. 1878, abgesehen etwa von der kultur-
geschichtlichen Sammlung am Schluß, jetzt nur noch historiographisches Inter-
esse. Auch Cherriers Histoire de la lutte des papes et des empereurs de
la maison de Souabe 3 Bde. 2. Aufl. 1858/59 ist veraltet. Neueren Datums
ist Jastrow-Winters Deutsche Geschichte i. Zeitalter der Hohenstaufen
I. II 1897. 1901, als Zusammenfassung nicht ohne Verdienst, aber höheren
Ansprüchen ebensowenig genügend, wie Loserths hier für den Abschnitt
v. 1197‒1250 in Betracht kommende Geschichte des späteren Mittel-
alters
1903. Umfassendere Werke sind im Eingang, Monographien unten an
ihrem Orte vermerkt.

§ 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137).

Über die Mainzer Königswahl des Jahres 1125 liegt uns der
ausführliche Bericht eines Augenzeugen vor1), wie über die Erhe-
bung des ersten salischen Herrschers. Ein Vergleich zeigt den Wandel
der Zeiten. Damals lenkte die anscheinend völlig freie Wahl zurück
zum legitimen Erbrecht; jetzt galt der Anspruch von Heinrichs V.
staufischem Neffen Herzog Friedrich von Schwaben den auf ihre
erstarkte Selbständigkeit und ihr freies Wahlrecht pochenden deut-
schen Fürsten fast schon als Hinderungsgrund. Zu den verfassungs-
rechtlichen traten kirchenpolitische Bedenken. Wer mit dem Erz-
bischof Adalbert von Mainz die Halbheit des Wormser Konkordats
und nun gar die Art seiner Handhabung durch den verstorbenen
Kaiser verdammte, konnte von dem Erben und Förderer seiner
Politik nicht viel Gutes erwarten und mußte sich nach einem
andern Anwärter umsehen. Da empfahl sich in jeder Hinsicht
Herzog Lothar von Sachsen, mächtig genug, um sich durchzusetzen,
aber durch Alter und Söhnelosigkeit dem Fürstenwahlrecht unge-
fährlich, durch seine Feindschaft mit Heinrich V. und streng kirch-
liche Gesinnung erprobt. Seine Wahl hat Adalbert in der Tat
durch überaus geschickte, aber völlig gewissenlose Leitung der Ver-
sammlung durchzusetzen verstanden. Die verfängliche Frage an
Herzog Friedrich, von dem die Auslieferung der Reichsinsignien
vorher schlau erlangt war, ob er wie die übrigen Bewerber neben
dem fürstlichen Wahlrecht einen Erbanspruch nicht anerkenne, und
die ausweichende Antwort, die jener darauf nur geben konnte,
verdarben die staufischen Aussichten gründlich. Eine geheime
Abmachung mit dem Bayernherzog, dessen Sohne Heinrich dem

1) Erzählung der Wahl Lothars, M. G. SS. XII, 509 ff. von einem un-
genannten Geistlichen der Salzburger Kirchenprovinz, der für den Bischof
von Regensburg besonderes Interesse bekundet.
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[89/0097] § 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137). der Vaganten für die Erkenntnis der öffentlichen Meinung eine wichtige histo- rische Quelle bilden, braucht hier nur angedeutet zu werden. Was die neueren Darstellungen betrifft, so hat Raumers Geschichte der Hohenstaufen 6 Bde. 5. Aufl. 1878, abgesehen etwa von der kultur- geschichtlichen Sammlung am Schluß, jetzt nur noch historiographisches Inter- esse. Auch Cherriers Histoire de la lutte des papes et des empereurs de la maison de Souabe 3 Bde. 2. Aufl. 1858/59 ist veraltet. Neueren Datums ist Jastrow-Winters Deutsche Geschichte i. Zeitalter der Hohenstaufen I. II 1897. 1901, als Zusammenfassung nicht ohne Verdienst, aber höheren Ansprüchen ebensowenig genügend, wie Loserths hier für den Abschnitt v. 1197‒1250 in Betracht kommende Geschichte des späteren Mittel- alters 1903. Umfassendere Werke sind im Eingang, Monographien unten an ihrem Orte vermerkt. § 8. Lothar von Supplinburg (1125‒1137). Über die Mainzer Königswahl des Jahres 1125 liegt uns der ausführliche Bericht eines Augenzeugen vor 1), wie über die Erhe- bung des ersten salischen Herrschers. Ein Vergleich zeigt den Wandel der Zeiten. Damals lenkte die anscheinend völlig freie Wahl zurück zum legitimen Erbrecht; jetzt galt der Anspruch von Heinrichs V. staufischem Neffen Herzog Friedrich von Schwaben den auf ihre erstarkte Selbständigkeit und ihr freies Wahlrecht pochenden deut- schen Fürsten fast schon als Hinderungsgrund. Zu den verfassungs- rechtlichen traten kirchenpolitische Bedenken. Wer mit dem Erz- bischof Adalbert von Mainz die Halbheit des Wormser Konkordats und nun gar die Art seiner Handhabung durch den verstorbenen Kaiser verdammte, konnte von dem Erben und Förderer seiner Politik nicht viel Gutes erwarten und mußte sich nach einem andern Anwärter umsehen. Da empfahl sich in jeder Hinsicht Herzog Lothar von Sachsen, mächtig genug, um sich durchzusetzen, aber durch Alter und Söhnelosigkeit dem Fürstenwahlrecht unge- fährlich, durch seine Feindschaft mit Heinrich V. und streng kirch- liche Gesinnung erprobt. Seine Wahl hat Adalbert in der Tat durch überaus geschickte, aber völlig gewissenlose Leitung der Ver- sammlung durchzusetzen verstanden. Die verfängliche Frage an Herzog Friedrich, von dem die Auslieferung der Reichsinsignien vorher schlau erlangt war, ob er wie die übrigen Bewerber neben dem fürstlichen Wahlrecht einen Erbanspruch nicht anerkenne, und die ausweichende Antwort, die jener darauf nur geben konnte, verdarben die staufischen Aussichten gründlich. Eine geheime Abmachung mit dem Bayernherzog, dessen Sohne Heinrich dem 1) Erzählung der Wahl Lothars, M. G. SS. XII, 509 ff. von einem un- genannten Geistlichen der Salzburger Kirchenprovinz, der für den Bischof von Regensburg besonderes Interesse bekundet.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/97>, abgerufen am 01.05.2024.