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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Stolzen durch die damals wohl schon versprochene, zwei Jahre
später vollzogene Vermählung mit Lothars einziger Tochter Gertrud
die nächste Stelle am Throne zugesichert wurde, entschied vollends
zu Gunsten des Sachsen. Selbst der Staufer erkannte ihn nach
kurzem Zögern widerwillig an. Der Grundsatz der freien Wahl
hatte gesiegt.

Hat Lothar auch in kirchlicher Hinsicht bindende Zusagen
gegeben, welche die Errungenschaften des letzten Saliers zunichte
machten? Man hat das vielfach geglaubt, denn am Schlusse des
genannten Wahlberichts findet sich eine Zusammenstellung von
scharf formulierten Forderungen der Art.1) Indessen hat man darin
doch nur ein Programm der extrem kirchlichen Partei zu erblicken,
die eignen Zusicherungen Lothars gingen gewiß weder so weit, noch
lauteten sie so bestimmt. Auch ohne das boten Vergangenheit und
Gesinnung des Mannes Gewähr genug. Seine Erhebung vollzog sich
freilich ganz unter kirchlichem Einfluß, unter Mitwirkung der
beiden päpstlichen Legaten, die bei der Wahl zugegen waren. Und
der neue Herrscher vergalt das sogleich durch verständnisvolles Ent-
gegenkommen gegenüber den Wünschen der hohen Geistlichkeit2)
und dem Papste, dessen Bestätigung er einholte.

Lothar war mit seinen etwa sechzig Jahren nach den Vor-
stellungen jener jugendlichen Zeit schon ein hochbetagter Greis.
Ein langes, tatenreiches Leben lag hinter ihm, voll rühriger Amts-
waltung, harter Kriegsmühen und erfolgreichen Machtstrebens. In

1) Die Gegenwart des Königs bei den Wahlen der Bischöfe und Reichs-
äbte und jegliche Beeinflussung sollte untersagt sein, seine Investitur erst der
kirchlichen Weihe folgen, das konkordatmäßige Recht des Königs bei zwie-
spältigen Wahlen damit stillschweigend beseitigt, endlich die treueidlich be-
schworenen Verpflichtungen der Geistlichen vieldeutig auf die "standesgemäßen"
beschränkt werden. Über Auffassung und Bedeutung dieser Sätze besteht eine
überaus reiche Literatur, über die man sich am bequemsten in der oben
S. 79 angeführten Abhandlung von D. Schäfer unterrichtet. Man hat die
Stelle als eine spätere Interpolation (Volkmar) oder als Fälschung (Schneider-
reit) oder als bloß subjektive Meinungsäußerung des Verfassers der Narratio
(Waitz) aufgefaßt; man hat sie andererseits tatsächlich als eine Art Wahl-
kapitulation Lothars angesehen, die aber durch direkte Verbindung mit dem
Papst außer Kraft gesetzt (Bernheim) oder durch den Widerspruch der welt-
lichen Fürsten in der Durchführung behindert sei (Witte). Im ganzen hat
sich die Ansicht von Bernhardi und Giesebrecht durchgesetzt, nach der es
sich nur um eine Art Resolution der extrem-kirchlichen Partei handelt. Die
kirchenpolitische Praxis Lothars hat mit jenen Forderungen sich jedenfalls
nicht gedeckt. Sehr verwirrend sind in diesem Punkte die Aufstellungen von
Hauck, vgl. Hist. Zeitschr. 93, 398 ff.
2) Wenn er auf die den Geistlichen anstößige Mannschaftsleistung ver-
zichtete, so hatte die Lehenserneuerung auch der geistlichen Fürsten beim
Thronwechsel sich damals vielleicht noch nicht ganz fest eingebürgert; doch
erließ er vereinzelt auch den Treueid.

II. Die Zeit der Staufer.
Stolzen durch die damals wohl schon versprochene, zwei Jahre
später vollzogene Vermählung mit Lothars einziger Tochter Gertrud
die nächste Stelle am Throne zugesichert wurde, entschied vollends
zu Gunsten des Sachsen. Selbst der Staufer erkannte ihn nach
kurzem Zögern widerwillig an. Der Grundsatz der freien Wahl
hatte gesiegt.

Hat Lothar auch in kirchlicher Hinsicht bindende Zusagen
gegeben, welche die Errungenschaften des letzten Saliers zunichte
machten? Man hat das vielfach geglaubt, denn am Schlusse des
genannten Wahlberichts findet sich eine Zusammenstellung von
scharf formulierten Forderungen der Art.1) Indessen hat man darin
doch nur ein Programm der extrem kirchlichen Partei zu erblicken,
die eignen Zusicherungen Lothars gingen gewiß weder so weit, noch
lauteten sie so bestimmt. Auch ohne das boten Vergangenheit und
Gesinnung des Mannes Gewähr genug. Seine Erhebung vollzog sich
freilich ganz unter kirchlichem Einfluß, unter Mitwirkung der
beiden päpstlichen Legaten, die bei der Wahl zugegen waren. Und
der neue Herrscher vergalt das sogleich durch verständnisvolles Ent-
gegenkommen gegenüber den Wünschen der hohen Geistlichkeit2)
und dem Papste, dessen Bestätigung er einholte.

Lothar war mit seinen etwa sechzig Jahren nach den Vor-
stellungen jener jugendlichen Zeit schon ein hochbetagter Greis.
Ein langes, tatenreiches Leben lag hinter ihm, voll rühriger Amts-
waltung, harter Kriegsmühen und erfolgreichen Machtstrebens. In

1) Die Gegenwart des Königs bei den Wahlen der Bischöfe und Reichs-
äbte und jegliche Beeinflussung sollte untersagt sein, seine Investitur erst der
kirchlichen Weihe folgen, das konkordatmäßige Recht des Königs bei zwie-
spältigen Wahlen damit stillschweigend beseitigt, endlich die treueidlich be-
schworenen Verpflichtungen der Geistlichen vieldeutig auf die „standesgemäßen“
beschränkt werden. Über Auffassung und Bedeutung dieser Sätze besteht eine
überaus reiche Literatur, über die man sich am bequemsten in der oben
S. 79 angeführten Abhandlung von D. Schäfer unterrichtet. Man hat die
Stelle als eine spätere Interpolation (Volkmar) oder als Fälschung (Schneider-
reit) oder als bloß subjektive Meinungsäußerung des Verfassers der Narratio
(Waitz) aufgefaßt; man hat sie andererseits tatsächlich als eine Art Wahl-
kapitulation Lothars angesehen, die aber durch direkte Verbindung mit dem
Papst außer Kraft gesetzt (Bernheim) oder durch den Widerspruch der welt-
lichen Fürsten in der Durchführung behindert sei (Witte). Im ganzen hat
sich die Ansicht von Bernhardi und Giesebrecht durchgesetzt, nach der es
sich nur um eine Art Resolution der extrem-kirchlichen Partei handelt. Die
kirchenpolitische Praxis Lothars hat mit jenen Forderungen sich jedenfalls
nicht gedeckt. Sehr verwirrend sind in diesem Punkte die Aufstellungen von
Hauck, vgl. Hist. Zeitschr. 93, 398 ff.
2) Wenn er auf die den Geistlichen anstößige Mannschaftsleistung ver-
zichtete, so hatte die Lehenserneuerung auch der geistlichen Fürsten beim
Thronwechsel sich damals vielleicht noch nicht ganz fest eingebürgert; doch
erließ er vereinzelt auch den Treueid.
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[90/0098] II. Die Zeit der Staufer. Stolzen durch die damals wohl schon versprochene, zwei Jahre später vollzogene Vermählung mit Lothars einziger Tochter Gertrud die nächste Stelle am Throne zugesichert wurde, entschied vollends zu Gunsten des Sachsen. Selbst der Staufer erkannte ihn nach kurzem Zögern widerwillig an. Der Grundsatz der freien Wahl hatte gesiegt. Hat Lothar auch in kirchlicher Hinsicht bindende Zusagen gegeben, welche die Errungenschaften des letzten Saliers zunichte machten? Man hat das vielfach geglaubt, denn am Schlusse des genannten Wahlberichts findet sich eine Zusammenstellung von scharf formulierten Forderungen der Art. 1) Indessen hat man darin doch nur ein Programm der extrem kirchlichen Partei zu erblicken, die eignen Zusicherungen Lothars gingen gewiß weder so weit, noch lauteten sie so bestimmt. Auch ohne das boten Vergangenheit und Gesinnung des Mannes Gewähr genug. Seine Erhebung vollzog sich freilich ganz unter kirchlichem Einfluß, unter Mitwirkung der beiden päpstlichen Legaten, die bei der Wahl zugegen waren. Und der neue Herrscher vergalt das sogleich durch verständnisvolles Ent- gegenkommen gegenüber den Wünschen der hohen Geistlichkeit 2) und dem Papste, dessen Bestätigung er einholte. Lothar war mit seinen etwa sechzig Jahren nach den Vor- stellungen jener jugendlichen Zeit schon ein hochbetagter Greis. Ein langes, tatenreiches Leben lag hinter ihm, voll rühriger Amts- waltung, harter Kriegsmühen und erfolgreichen Machtstrebens. In 1) Die Gegenwart des Königs bei den Wahlen der Bischöfe und Reichs- äbte und jegliche Beeinflussung sollte untersagt sein, seine Investitur erst der kirchlichen Weihe folgen, das konkordatmäßige Recht des Königs bei zwie- spältigen Wahlen damit stillschweigend beseitigt, endlich die treueidlich be- schworenen Verpflichtungen der Geistlichen vieldeutig auf die „standesgemäßen“ beschränkt werden. Über Auffassung und Bedeutung dieser Sätze besteht eine überaus reiche Literatur, über die man sich am bequemsten in der oben S. 79 angeführten Abhandlung von D. Schäfer unterrichtet. Man hat die Stelle als eine spätere Interpolation (Volkmar) oder als Fälschung (Schneider- reit) oder als bloß subjektive Meinungsäußerung des Verfassers der Narratio (Waitz) aufgefaßt; man hat sie andererseits tatsächlich als eine Art Wahl- kapitulation Lothars angesehen, die aber durch direkte Verbindung mit dem Papst außer Kraft gesetzt (Bernheim) oder durch den Widerspruch der welt- lichen Fürsten in der Durchführung behindert sei (Witte). Im ganzen hat sich die Ansicht von Bernhardi und Giesebrecht durchgesetzt, nach der es sich nur um eine Art Resolution der extrem-kirchlichen Partei handelt. Die kirchenpolitische Praxis Lothars hat mit jenen Forderungen sich jedenfalls nicht gedeckt. Sehr verwirrend sind in diesem Punkte die Aufstellungen von Hauck, vgl. Hist. Zeitschr. 93, 398 ff. 2) Wenn er auf die den Geistlichen anstößige Mannschaftsleistung ver- zichtete, so hatte die Lehenserneuerung auch der geistlichen Fürsten beim Thronwechsel sich damals vielleicht noch nicht ganz fest eingebürgert; doch erließ er vereinzelt auch den Treueid.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/98>, abgerufen am 22.11.2024.