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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.

Sieht man von den Regungen des Mitgefühls ab, die dies
schicksalvolle Menschenleben unwillkürlich auslöst, und fragt nur
nach dem, was er für Deutschland erstrebt und geleistet hat, so
wird ihm doch auch da das historische Urteil die Anerkennung
nicht versagen, daß er unermüdlich mit dem ganzen Einsatz seiner
Person für die Rechte des Königtums und die Ehre des Reiches
gekämpft hat. Der Kirche gegenüber blieb er zwar nicht Sieger,
aber er ist auch nicht völlig unterlegen; er hat die Weltherrschafts-
ansprüche des Papsttums erfolgreich zurückgewiesen, das Investitur-
recht noch unversehrt in die Hände des Sohnes gelegt, durch seinen
zähen Widerstand die Starrheit der kirchlichen Forderungen doch
bereits gemildert, so daß sein Nachfolger einen leichteren Stand
hatte, und hat so schließlich nicht am wenigsten dazu beigetragen,
daß der deutsche Episkopat noch ein volles Jahrhundert, wenn
auch mit zeitweiligen Schwankungen, unter dem Einfluß der Krone
blieb, und das ottonische Regierungsystem in diesem Punkte zwar
abgewandelt, aber noch nicht gänzlich aufgegeben zu werden
brauchte.

Auf der andern Seite hat er das deutsche Königsrecht ebenso
zäh den partikularen Mächten gegenüber verteidigt, ist allerdings
durch das Eingreifen der Kirche an einem weiteren Ausbau gehindert
und in dem langen Bürgerkriege gewiß zu mancher Preisgabe von
Reichsbesitz, zu manchem Zugeständnis an die Selbständigkeit der
Fürsten gezwungen worden; aber auch da hat er den Boden
doch nicht verlassen, auf dem in besseren Zeiten eine Rückbildung
der königlichen Rechte erfolgen konnte, und auf welchem Wege
etwa künftig eine neue Machtsteigerung möglich war, dafür hat er
die Richtung gewiesen durch seine Begünstigung von Ministerialität
und Bürgertum, aufstrebenden Ständen, mit denen indes eine
größere Aktion schon damals gegen das Fürstentum schwerlich
hätte geführt werden können.

So dürfen wir Heinrich IV. zwar nicht nach seinen Erfolgen,
wohl aber nach Talent und Streben den bedeutendsten deutschen
Herrschern an die Seite stellen.

§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits.
(1106-1125).

Gegen Papsttum und Fürstentum hatte Heinrich IV. in einem
dreißigjährigen Kriege sein Königtum verteidigt. Mit beiden Mächten
verbündet, hatte zuletzt der Sohn den Vater gestürzt. Der Streit
konnte damit beendet scheinen. Aber sobald Heinrich V. nun

I. Die Zeit der Salier.

Sieht man von den Regungen des Mitgefühls ab, die dies
schicksalvolle Menschenleben unwillkürlich auslöst, und fragt nur
nach dem, was er für Deutschland erstrebt und geleistet hat, so
wird ihm doch auch da das historische Urteil die Anerkennung
nicht versagen, daß er unermüdlich mit dem ganzen Einsatz seiner
Person für die Rechte des Königtums und die Ehre des Reiches
gekämpft hat. Der Kirche gegenüber blieb er zwar nicht Sieger,
aber er ist auch nicht völlig unterlegen; er hat die Weltherrschafts-
ansprüche des Papsttums erfolgreich zurückgewiesen, das Investitur-
recht noch unversehrt in die Hände des Sohnes gelegt, durch seinen
zähen Widerstand die Starrheit der kirchlichen Forderungen doch
bereits gemildert, so daß sein Nachfolger einen leichteren Stand
hatte, und hat so schließlich nicht am wenigsten dazu beigetragen,
daß der deutsche Episkopat noch ein volles Jahrhundert, wenn
auch mit zeitweiligen Schwankungen, unter dem Einfluß der Krone
blieb, und das ottonische Regierungsystem in diesem Punkte zwar
abgewandelt, aber noch nicht gänzlich aufgegeben zu werden
brauchte.

Auf der andern Seite hat er das deutsche Königsrecht ebenso
zäh den partikularen Mächten gegenüber verteidigt, ist allerdings
durch das Eingreifen der Kirche an einem weiteren Ausbau gehindert
und in dem langen Bürgerkriege gewiß zu mancher Preisgabe von
Reichsbesitz, zu manchem Zugeständnis an die Selbständigkeit der
Fürsten gezwungen worden; aber auch da hat er den Boden
doch nicht verlassen, auf dem in besseren Zeiten eine Rückbildung
der königlichen Rechte erfolgen konnte, und auf welchem Wege
etwa künftig eine neue Machtsteigerung möglich war, dafür hat er
die Richtung gewiesen durch seine Begünstigung von Ministerialität
und Bürgertum, aufstrebenden Ständen, mit denen indes eine
größere Aktion schon damals gegen das Fürstentum schwerlich
hätte geführt werden können.

So dürfen wir Heinrich IV. zwar nicht nach seinen Erfolgen,
wohl aber nach Talent und Streben den bedeutendsten deutschen
Herrschern an die Seite stellen.

§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits.
(1106‒1125).

Gegen Papsttum und Fürstentum hatte Heinrich IV. in einem
dreißigjährigen Kriege sein Königtum verteidigt. Mit beiden Mächten
verbündet, hatte zuletzt der Sohn den Vater gestürzt. Der Streit
konnte damit beendet scheinen. Aber sobald Heinrich V. nun

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[72/0080] I. Die Zeit der Salier. Sieht man von den Regungen des Mitgefühls ab, die dies schicksalvolle Menschenleben unwillkürlich auslöst, und fragt nur nach dem, was er für Deutschland erstrebt und geleistet hat, so wird ihm doch auch da das historische Urteil die Anerkennung nicht versagen, daß er unermüdlich mit dem ganzen Einsatz seiner Person für die Rechte des Königtums und die Ehre des Reiches gekämpft hat. Der Kirche gegenüber blieb er zwar nicht Sieger, aber er ist auch nicht völlig unterlegen; er hat die Weltherrschafts- ansprüche des Papsttums erfolgreich zurückgewiesen, das Investitur- recht noch unversehrt in die Hände des Sohnes gelegt, durch seinen zähen Widerstand die Starrheit der kirchlichen Forderungen doch bereits gemildert, so daß sein Nachfolger einen leichteren Stand hatte, und hat so schließlich nicht am wenigsten dazu beigetragen, daß der deutsche Episkopat noch ein volles Jahrhundert, wenn auch mit zeitweiligen Schwankungen, unter dem Einfluß der Krone blieb, und das ottonische Regierungsystem in diesem Punkte zwar abgewandelt, aber noch nicht gänzlich aufgegeben zu werden brauchte. Auf der andern Seite hat er das deutsche Königsrecht ebenso zäh den partikularen Mächten gegenüber verteidigt, ist allerdings durch das Eingreifen der Kirche an einem weiteren Ausbau gehindert und in dem langen Bürgerkriege gewiß zu mancher Preisgabe von Reichsbesitz, zu manchem Zugeständnis an die Selbständigkeit der Fürsten gezwungen worden; aber auch da hat er den Boden doch nicht verlassen, auf dem in besseren Zeiten eine Rückbildung der königlichen Rechte erfolgen konnte, und auf welchem Wege etwa künftig eine neue Machtsteigerung möglich war, dafür hat er die Richtung gewiesen durch seine Begünstigung von Ministerialität und Bürgertum, aufstrebenden Ständen, mit denen indes eine größere Aktion schon damals gegen das Fürstentum schwerlich hätte geführt werden können. So dürfen wir Heinrich IV. zwar nicht nach seinen Erfolgen, wohl aber nach Talent und Streben den bedeutendsten deutschen Herrschern an die Seite stellen. § 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106‒1125). Gegen Papsttum und Fürstentum hatte Heinrich IV. in einem dreißigjährigen Kriege sein Königtum verteidigt. Mit beiden Mächten verbündet, hatte zuletzt der Sohn den Vater gestürzt. Der Streit konnte damit beendet scheinen. Aber sobald Heinrich V. nun

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/80>, abgerufen am 30.04.2024.