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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Truppen, die er mit sich führte, entlassen; er mußte Atem schöpfen,
ehe er die Hand zum vernichtenden Schlage gegen seine eigne
Dynastie erheben mochte, und aller Welt sollte es offenkundig
werden, daß nicht er es war, der den Kampf wollte.

Dadurch aber gewann der Aufstand Luft zur Ausbreitung
(1105). Ohne daß er jemals Miene gemacht hätte, auf die Laien-
investitur zu verzichten, fand König Heinrich sofort die Unterstützung
des Papstes, der ihn von der Sünde des Eidbruches gegen den
Vater freisprach und segnete. Und nun ergriffen die gregorianischen
Bischöfe Deutschlands, namentlich Sachsens, begierig die Gelegenheit,
sich aus der unbehaglichen Lage der Unterordnung unter einen
gebannten Kaiser zu befreien. Persönliche Motive, wie bei dem
Erzbischof Ruthard von Mainz, kamen hinzu, in Sachsen und
Süddeutschland erwachten alte Feindschaften, ein unglücklicher
Zufall wollte, daß eben damals der schwäbische Herzog Friedrich
starb.

Endlich suchte Heinrich IV. die Entscheidung im offenen
Felde, aber als am Regen die Heere kampfbereit gegeneinanderstanden,
gelang es, die Hauptstützen des Kaisers, die Österreicher und Böhmen,
von ihm abzuziehen, so daß ihm nichts übrig blieb, als ein flucht-
ähnlicher Rückzug an den Rhein. Der König folgte eilends. Ein
großer Reichstag in Mainz sollte über die Thronfrage entscheiden.
Da ein persönliches Erscheinen des Kaisers, der sein gutes Recht
verteidigen wollte, bei dem Anhang, den er noch immer unter den
Fürsten besaß, und seiner Beliebtheit bei den Mainzer Bürgern be-
denklich gewesen wäre, zog ihm der König nordwärts entgegen.
Auf einer Zusammenkunft bei Koblenz erfolgte nun jene empörende
Überlistung des Vaters durch den Sohn, der sich in Eiden und
Liebesbeteuerungen überbot und als seinen einzigen, heißen Wunsch
die Aussöhnung des Kaisers mit der Kirche bezeichnete. Auf dem
gemeinsamen Zug nach Mainz wußte er den Vater mit der gleichen
List um das starke Geleit seiner Kriegsmannen zu bringen; schon
halb mit Gewalt führte er ihn dann die Nahe aufwärts nach der
Burg Böckelheim, damit er dort über Weihnachten verweile, während
er selbst in Mainz die kaiserliche Sache getreulich wie seine eigne
führen wolle. Als das Burgtor sich schloß, war Heinrich IV. der
Gefangene seines Sohnes. Es war die teuflischste Tat der ganzen
deutschen Geschichte!

An die Überlistung schloß sich die Vergewaltigung. Der
Kaiser hoffte noch immer auf den hinreißenden Eindruck seiner
Darlegungen, wenn er nur auf dem gegen Ende des Jahres zu-
sammentretenden Reichstage in Mainz persönlich aufzutreten ver-
möchte. Um das zu erreichen, gab er selbst Weisung zur Aus-

I. Die Zeit der Salier.
Truppen, die er mit sich führte, entlassen; er mußte Atem schöpfen,
ehe er die Hand zum vernichtenden Schlage gegen seine eigne
Dynastie erheben mochte, und aller Welt sollte es offenkundig
werden, daß nicht er es war, der den Kampf wollte.

Dadurch aber gewann der Aufstand Luft zur Ausbreitung
(1105). Ohne daß er jemals Miene gemacht hätte, auf die Laien-
investitur zu verzichten, fand König Heinrich sofort die Unterstützung
des Papstes, der ihn von der Sünde des Eidbruches gegen den
Vater freisprach und segnete. Und nun ergriffen die gregorianischen
Bischöfe Deutschlands, namentlich Sachsens, begierig die Gelegenheit,
sich aus der unbehaglichen Lage der Unterordnung unter einen
gebannten Kaiser zu befreien. Persönliche Motive, wie bei dem
Erzbischof Ruthard von Mainz, kamen hinzu, in Sachsen und
Süddeutschland erwachten alte Feindschaften, ein unglücklicher
Zufall wollte, daß eben damals der schwäbische Herzog Friedrich
starb.

Endlich suchte Heinrich IV. die Entscheidung im offenen
Felde, aber als am Regen die Heere kampfbereit gegeneinanderstanden,
gelang es, die Hauptstützen des Kaisers, die Österreicher und Böhmen,
von ihm abzuziehen, so daß ihm nichts übrig blieb, als ein flucht-
ähnlicher Rückzug an den Rhein. Der König folgte eilends. Ein
großer Reichstag in Mainz sollte über die Thronfrage entscheiden.
Da ein persönliches Erscheinen des Kaisers, der sein gutes Recht
verteidigen wollte, bei dem Anhang, den er noch immer unter den
Fürsten besaß, und seiner Beliebtheit bei den Mainzer Bürgern be-
denklich gewesen wäre, zog ihm der König nordwärts entgegen.
Auf einer Zusammenkunft bei Koblenz erfolgte nun jene empörende
Überlistung des Vaters durch den Sohn, der sich in Eiden und
Liebesbeteuerungen überbot und als seinen einzigen, heißen Wunsch
die Aussöhnung des Kaisers mit der Kirche bezeichnete. Auf dem
gemeinsamen Zug nach Mainz wußte er den Vater mit der gleichen
List um das starke Geleit seiner Kriegsmannen zu bringen; schon
halb mit Gewalt führte er ihn dann die Nahe aufwärts nach der
Burg Böckelheim, damit er dort über Weihnachten verweile, während
er selbst in Mainz die kaiserliche Sache getreulich wie seine eigne
führen wolle. Als das Burgtor sich schloß, war Heinrich IV. der
Gefangene seines Sohnes. Es war die teuflischste Tat der ganzen
deutschen Geschichte!

An die Überlistung schloß sich die Vergewaltigung. Der
Kaiser hoffte noch immer auf den hinreißenden Eindruck seiner
Darlegungen, wenn er nur auf dem gegen Ende des Jahres zu-
sammentretenden Reichstage in Mainz persönlich aufzutreten ver-
möchte. Um das zu erreichen, gab er selbst Weisung zur Aus-

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[70/0078] I. Die Zeit der Salier. Truppen, die er mit sich führte, entlassen; er mußte Atem schöpfen, ehe er die Hand zum vernichtenden Schlage gegen seine eigne Dynastie erheben mochte, und aller Welt sollte es offenkundig werden, daß nicht er es war, der den Kampf wollte. Dadurch aber gewann der Aufstand Luft zur Ausbreitung (1105). Ohne daß er jemals Miene gemacht hätte, auf die Laien- investitur zu verzichten, fand König Heinrich sofort die Unterstützung des Papstes, der ihn von der Sünde des Eidbruches gegen den Vater freisprach und segnete. Und nun ergriffen die gregorianischen Bischöfe Deutschlands, namentlich Sachsens, begierig die Gelegenheit, sich aus der unbehaglichen Lage der Unterordnung unter einen gebannten Kaiser zu befreien. Persönliche Motive, wie bei dem Erzbischof Ruthard von Mainz, kamen hinzu, in Sachsen und Süddeutschland erwachten alte Feindschaften, ein unglücklicher Zufall wollte, daß eben damals der schwäbische Herzog Friedrich starb. Endlich suchte Heinrich IV. die Entscheidung im offenen Felde, aber als am Regen die Heere kampfbereit gegeneinanderstanden, gelang es, die Hauptstützen des Kaisers, die Österreicher und Böhmen, von ihm abzuziehen, so daß ihm nichts übrig blieb, als ein flucht- ähnlicher Rückzug an den Rhein. Der König folgte eilends. Ein großer Reichstag in Mainz sollte über die Thronfrage entscheiden. Da ein persönliches Erscheinen des Kaisers, der sein gutes Recht verteidigen wollte, bei dem Anhang, den er noch immer unter den Fürsten besaß, und seiner Beliebtheit bei den Mainzer Bürgern be- denklich gewesen wäre, zog ihm der König nordwärts entgegen. Auf einer Zusammenkunft bei Koblenz erfolgte nun jene empörende Überlistung des Vaters durch den Sohn, der sich in Eiden und Liebesbeteuerungen überbot und als seinen einzigen, heißen Wunsch die Aussöhnung des Kaisers mit der Kirche bezeichnete. Auf dem gemeinsamen Zug nach Mainz wußte er den Vater mit der gleichen List um das starke Geleit seiner Kriegsmannen zu bringen; schon halb mit Gewalt führte er ihn dann die Nahe aufwärts nach der Burg Böckelheim, damit er dort über Weihnachten verweile, während er selbst in Mainz die kaiserliche Sache getreulich wie seine eigne führen wolle. Als das Burgtor sich schloß, war Heinrich IV. der Gefangene seines Sohnes. Es war die teuflischste Tat der ganzen deutschen Geschichte! An die Überlistung schloß sich die Vergewaltigung. Der Kaiser hoffte noch immer auf den hinreißenden Eindruck seiner Darlegungen, wenn er nur auf dem gegen Ende des Jahres zu- sammentretenden Reichstage in Mainz persönlich aufzutreten ver- möchte. Um das zu erreichen, gab er selbst Weisung zur Aus-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/78>, abgerufen am 22.11.2024.